Trittin: Keine vorschnelle Partnerschaft mit dem Iran

Tutzing (epd). Für eine Lösung der Syrienkrise ist nach Einschätzung von Politikern und Nahost-Experten eine gemeinsame europäische Außenpolitik und die Einbeziehung aller Regionalmächte nötig. Auch der Iran müsse in die Verhandlungen miteinbezogen werden, sagte der frühere Bundesminister Jürgen Trittin (Grüne) am Sonntag bei der Frühjahrstagung des Politischen Clubs der Evangelischen Akademie Tutzing.

Durch das nach langen Verhandlungen unterzeichnete Nuklearabkommen mit den USA und den Erfolg von gemäßigten Konservativen bei den letzten Wahlen gebe es neue Kooperations-Möglichkeiten mit dem Iran, sagte der Grünenpolitiker. Zugleich warnte er aber vor Illusionen einer Partnerschaft: Der Iran sei immer noch ein Überwachungsstaat mit anhaltenden Verletzungen der Menschenrechte und einer hohen Zahl an Hinrichtungen.

Der Präsident des Internationalen Instituts für den Frieden (Wien), Hannes Swoboda, nannte als Voraussetzung für den Friedensprozess in Syrien eine gemeinsame Friedenspolitik der Nachbarstaaten und Europas. Europa müsse erkennen, dass die Krisenstaaten in seiner Nachbarschaft liegen und deshalb sein Engagement in dieser Region deutlich erhöhen, etwa durch eine Öffnung der Märkte und einen intensiveren kulturellen Austausch. Ein Hoffnungsschimmer für den Nahen Osten seien auch die sinkenden Ölpreise, weil dadurch Konfliktparteien ihre Kriege nicht mehr finanzieren könnten, sagte Swoboda.

Mit Sorge sehen die Nahost-Experten die Entwicklung in der Türkei. Unter Präsident Erdogan sei die Türkei nicht mehr auf Europa ausgerichtet, sondern verstehe sich zunehmend als muslimische Nation, die den Nahen Osten gestalten wolle, sagte Günter Seufert vom Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit (Berlin). Die Kurden seien die am meisten gefährdete Gruppe in der gesamten Region, weil sie keine Schutzmacht hätten.

Bei den Verhandlungen zur Befriedung Syriens sollten die Kurden als Gesprächspartner und als einer der "wichtigsten Akteure" ernst genommen werden, forderte Ali Ertan Toprak, Bundesvorsitzender der Kurdischen Gemeinde Deutschland. Es könne nicht sein, dass die Kurden als Bodentruppen gegen den IS gut genug seien, bei den Genfer Verhandlungen dagegen "am Katzentisch sitzen".

Die Flüchtlings-Vereinbarung mit der Türkei sieht Toprak sehr kritisch. Denn Europa bringe sich dadurch in eine einseitige Abhängigkeit von der Türkei und Präsident Recep Tayyip Erdogan, der ein "Autokrat" mit islamistischer Orientierung sei. Die Türkei werde jetzt bestimmen, wer als Flüchtling nach Europa kommen dürfe und wer nicht. Der angestrebte Beitritt der Türkei zur EU habe keine Fortschritte in der demokratischen Entwicklung des Landes gebracht. Die Türkei sei noch nie so gespalten gewesen wie heute, weil sich die Bevölkerung in Anhänger und Gegner des Erdogan-Regimes aufteile, sagte der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde.

Auf die andauernden Sicherheitsprobleme durch den IS wies der früherer bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) hin. Auch wenn eine militärische Niederlage des IS wahrscheinlich sei, bleibe die Frage offen, was dann aus den vielen IS-Kämpfern werde. Es sei zu befürchten, dass sie mit falschen Pässen ausgestattet werden und zu neuen terroristischen Einsätzen in vielen Teilen der Welt aufbrechen, sagte Beckstein, der den Politischen Club der Akademie leitet.