Verantwortung im Syrienkonflikt

Sabine Müller-Langsdorf, die Pfarrerin für Friedensarbeit, sowie Oberkirchenrat Detlev Knoche, der Leiter des Zentrums Ökumene der EKHN und EKKW haben eine Stellungnahme zum Syrienkonflikt im April 2018 veröffentlicht:

Mit Sorge um den weltweiten Frieden nehmen wir die aktuelle Lage in Syrien wahr. Die USA haben im Verbund mit Frankreich und Großbritannien am 14.4.2018 als Vergeltung für einen mutmaßlichen Giftgaseinsatz drei Ziele in Syrien mit 110 Raketen angegriffen. Chemische Waffen sind international geächtet. Wenn in Syrien Chemiewaffen eingesetzt wurden, bedarf dies der umgehenden Aufklärung und einer Anklage der Täter. Ebenso sind noch bestehende Waffenbestände unter der Kontrolle internationaler Gremien umgehend zu beseitigen. Dazu gibt es internationale Rechtinstrumente und Institutionen. Sollten sich diese Instrumente als unzureichend erweisen, bedarf es einer Überarbeitung im Rahmen des UN‐Rechts.

Der aktuelle Vergeltungsschlag der USA, Frankreichs und Großbritanniens ist nicht vom UN Sicherheitsrat autorisiert und verstößt damit formal gegen das Völkerrecht. Darüber hinaus ist kein friedenspolitisches Konzept erkennbar. Der Einsatz droht dagegen die Schraube der Gewalt im Nahen Osten weiter hochzuschrauben. 

Wir erinnern an Sätze der EKD Friedensdenkschrift (2007): „Eine militärische Intervention bedarf der Autorisierung und Legitimation in Form einer klaren völker‐ und verfassungsrechtlichen Grundlage. Nationale und bündnispolitische Interessen dürfen nicht an die Stelle der primären Zuständigkeit der UN und ihrer regionalen Abmachungen treten.“ (EKD Friedensdenkschrift 2007, Ziffer 121, Seite 79) 

Wir sind uns bewusst, dass dies im Fall des Syrienkonfliktes eine formale Argumentation ist, denn hier stößt das Völkerrecht auf Grund der Intervention der Schutzmächte Syriens an seine Grenzen, da diese ein entsprechendes Mandat verhindern. Trotzdem halten wir an der Überzeugung fest, dass Gewalt keine Lösung für Konflikte ist. Sie schafft nur mehr Tote, Verletzte und treibt Menschen in die Flucht. Darum unterstützen wir die Haltung der Bundesregierung, politische Lösungen statt militärischer Interventionen voranzutreiben. Die EKD‐Friedensdenkschrift sagt dazu: „Militärische Maßnahmen müssen Bestandteil einer kohärenten Friedenspolitik unter dem Primat des Zivilen bleiben“ und bewaffnete Einsätze sollten immer mit einer begleitenden und nachträglichen Evaluierung verbunden sein (Ziffer 119 und 123, S. 78f) 

Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass chemische Kampfmittel vor einhundert Jahren wesentlich von deutschen Wissenschaftlern entwickelt und vom deutschen Militär während des Ersten Weltkrieges eingesetzt wurden. Das erinnert uns an unsere eigene Verantwortung und wir bitten die politisch Verantwortlichen unseres Landes, aus historischer Verantwortung und aus aktuellem Anlass, Waffenlieferungen in Krisengebiete zu unterbinden und das ihnen Mögliche zu tun, um auf politischem Wege Frieden im Nahen Osten zu fördern. 

Der amerikanische Präsident Donald Trump hat in seiner Rede an die Nation zum Beginn des Vergeltungsschlagens in Syrien gesagt: „Heute Abend bitte ich alle Amerikaner, ein Gebet für unsere edlen Krieger und unsere Verbündeten zu sprechen, während sie ihre Einsätze ausführen.“ Als Christinnen und Christen in einem Land, das im letzten Jahrhundert zweimal einen Weltkrieg über die Völker der Erde gebracht hat, sagen wir: es gibt keine „edlen Krieger“. Krieg tötet, verletzt, verstümmelt, zerstört und verstört Menschen an Leib und Seele. Darum beten wir für Frieden. Wir beten für die Opfer von Gewalt und Krieg. 

Wir trauen dem Wort des Propheten Jesaja; „Die Frucht der Gerechtigkeit wird Frieden sein“ (Jesaja 32, 17). Gerechter Frieden in Syrien braucht – wie in jedem anderen Land – ein starkes Recht, soziale Sicherheit, kulturelle Vielfalt und die Sicherung der menschlichen Grundbedürfnisse. Waffengewalt ist kein Mittel des gerechten Friedens.