Seelsorge bei Fragen zu Krieg und Frieden

Mit den verschiedenen Fragen zu Krieg und Frieden ist häufig ein Klärungsbedarf zur persönlichen Lebensauffassung und Lebensgestaltung verbunden. Auf die verschiedensten persönlichen Anliegen, die mit einer friedensethischen Orientierung  zusammenhängen, geht  die Seelsorge ein: klärend, begleitend, weiterhelfend.

Einige Fragen, bei denen ein seelsorgerliches Gespräch hilfreich sein kann:

Wie verbindlich ist für mich das biblische Gebot „Du sollst nicht töten?“  (2. Mose/Exodus 20, 13; vergleiche auch Matthäusevangelium 5, 21- 26)? Gilt es nur individuell oder allgemein? Darf es Tötung aus Notwehr geben? Kann das ein letztes Mittel sein, wenn alle anderen Mittel zur Verminderung oder Vermeidung von Gewalt versagten und im Augenblick Menschenleben geschützt werden müssen?

Wie gilt für mich, z. B. als Soldatin oder Soldat, dieses biblische Gebot im Blick auf die Friedenserhaltung oder auf kriegerische Gewalt in Kampfhandlungen? Kann ich mich an Kampfeinsätzen beteiligen, die als letzten Ausweg im Sinne einer „Ultima Ratio“ das Töten von Kombattanten oder Zivilisten erfordern oder zur Folge haben?

Mit wem kann ich vertraulich sprechen, wenn ich an Forschungsvorhaben oder Produktionsprozessen beteiligt bin, die Rüstungszwecken dienen, oder wenn Forschungen sowohl zu friedlichen Entwicklungen als auch zur Perfektionierung der Kriegführung  und Gewaltanwendung verwendet werden können?

Wer berät, ermutigt mich oder gibt mir oder Korrektur, wenn es aufgrund der momentanen Situation in der Familie, Nachbarschaft oder dem beruflichen Umfeld nicht gelingt, in Frieden und Solidarität miteinander auszukommen?

Wie komme ich zu Klärungen und zu einem Handeln, das ich mit meinem Gewissen verantworten kann? Wer hilft mir oder begleitet mich, dass ich mit wachem Gewissen zu einer guten Entscheidung komme, die ich mit meiner ganzen Person und im Tiefsten bejahen und verantworten kann? 

Einige Aspekte der Seelsorge in friedensethischen Fragen

Das Grundgesetz der Bundesrepublik  fordert: „Niemand darf gegen sein gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.“ (Art. 4, 3). Das Gewissen ist damit eine geschützte Instanz eines jeden Menschen.

Auf einer Gewissenentscheidung beruht sowohl die Kriegsdienstverweigerung als auch die Entscheidung für den freiwilligen Wehrdienst , sei es als Soldat oder Soldatin auf Zeit, als Berufssoldatin oder Berufssoldat,  weil damit Einsätze verbunden sein können, in denen Soldaten den Befehl zum Töten erhalten oder selbst geben müssen.

Seelsorge trägt zur Gewissensbildung bei und unterstützt und begleitet bei den praktischen Schritten, um dem eigenen Gewissen folgen zu können und diese Entscheidung, wenn nötig, auch mit Konsequenz nach außen vertreten zu können. 

In vielen  Fragen zu Frieden und Krieg in unserer Zeit sind eine sachgemäße Information und eine redlich der Vernunft folgende Positionierung erstrebenswert. Wenn Vernunftgründe gegeneinander stehen und in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert werden, melden sich diese auch im Für und Wider des Gewissens als einem „inneren Forum“ zu Wort.

Seelsorge hilft zur eigenen Klärung, zum Abwägen, bringt aber auch die biblischen Gebote und Verheißungen zur Erhaltung und Förderung des Friedens ins Gespräch. Seelsorge kann helfen, sich den Anforderungen zu stellen, die sich aus der eigenen Position ergeben, die eigenen Kräfte dafür abzuwägen und zu mobilisieren. Seelsorge kann unterstützen, auch im Widerstreit der Meinungen eine belastbare Gewissheit für den eigenen Weg zu finden.

Verantwortliche Seelsorge wird nur in Ausnahmefällen, wenn es um Gefahr für Leib und Leben geht, direkte Weisung geben, etwas zu tun oder strikt zu unterlassen. Es ist ein Ziel  die innere Zustimmung des Ratsuchenden zu gewinnen oder zu stärken. Je nach der Situation werden Seelsorgerinnen  und Seelsorger die Verbindung zu den religiösen Auffassungen und Prägungen der Ratsuchenden wieder aufleben lassen oder die Beweggründe christlichen Friedenshandelns in Vergangenheit und Gegenwart sowie die ermutigende Kraft des Glaubens ins Gespräch bringen.

Wer ist zur Seelsorge bereit? Wohin kann ich mich wenden?

Seelsorge geschieht und kann sich gezielt oder unerwartet in einem vertraulichen Gespräch mit einem anderen Menschen des Vertrauens ereignen. Seelsorge kann jeder Christenmensch  ausüben.

Pfarrerinnen, Pfarrer und Priester sowie Beraterinnen in Berater in Fachstellen zur Seelsorge, Konfliktbearbeitung und  Mediation in den Landeskirchen und in kirchlichen Institutionen haben dazu eine professionelle Ausbildung. Generell unterliegen alle Beratungsgespräche und Seelsorgegespräche der Verschwiegenheit und dem Seelsorgegeheimnis.  Das Beichtgeheimnis ist in besonderer Weise geschützt. Zu dessen unverbrüchlichen Einhaltung sind besonders Pfarrer, Pfarrerinnen und Priester, aber auch alle anderen zur Seelsorge Beauftragen verpflichtet. Das gilt auch für Seelsorgerinnen und Seelsorger in der Bundeswehr.

Da es bei persönlichen Fragen oft zugleich um spezielle Problemstellungen geht, stehen die Beauftragten für Friedensarbeit in den Evangelischen Landeskirchen für Information, Beratung bzw. Vermittlung einer Beratung zu Verfügung. Es gibt auch besondere  Arbeitsstellen für Konfliktberatung und Mediation. 

Die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) bietet und vermittelt kostenlose Beratung und Begleitung von Kriegsdienstverweigern und Kriegsdienstverweigerinnen in Deutschland bei der Antragstellung und während des Verfahrens, sowie seelsorgerliche Begleitung und Vermittlung fachkundiger Rechtsanwälte  zum Thema Wehr- und Soldatenrecht.  

Die Seelsorger und Seelsorgerinnen für Soldaten und Soldatinnen in der Bundeswehr stehen insbesondere für die persönlichen Probleme aus dem Dienstalltag zur Verfügung, aber auch für Fragen, die sich aus der Trennung des Einsatzortes vom Wohnort der Familie ergeben, namentlich bei Auslandseinsätzen. Besonders in dieser Situation ist seelsorgerliche Begleitung in persönlichen und grundsätzlichen Problemen des Wehrdienstes erfragt.

Die kirchlichen Beratungsstellen sind gern zum Gespräch bereit oder vermitteln Ratsuchende weiter.