Schießübungen für 17-jährige

Am 1. Juli rücken zum zweiten Mal junge Männer und Frauen als Rekruten und Rekrutinnen des Freiwilligen Wehrdienstes im Heimatschutz in die Kasernen ein. Dort werden sie zusammen mit anderen Wehrdienstleistenden eine dreimonatige Grundausbildung absolvieren. Bestandteil dieser Grundausbildung ist auch die Ausbildung an Handfeuerwaffen. Die komplizierte Dienstbezeichnung wird gern als „Freiwilligendienst im Heimatschutz“ abgekürzt, wodurch der Charakter des Wehrdienstes verschleiert wird.

In diesem Punkt sieht die EAK Westfalen – wie auch sonst in der schleichenden Gewöhnung an unhaltbare Zustände – eine gefährliche Lähmung der politisch gebotenen Wachsamkeit. Die Gründe, die gegen die Einführung dieses sogenannten „Freiwilligendienstes“ gemacht wurden, sind allesamt gute Gründe dafür, ihn wieder abzuschaffen. Die Gründe lassen sich in den Kritikpunkten „Etikettenschwindel“ und „Grenzüberschreitung“ zusammenfassen.

Die Bundesministerin für Verteidigung überschritt mit der Einführung dieses „Freiwilligen Wehrdienstes“ die Grenzen ihrer Kompetenz. Die Bundeswehr hat die Aufgabe der Landesverteidigung, ist zuständig für die äußere Sicherheit unseres Landes. Der „Heimatschutz“ gehört seit dieser Legislaturperiode explizit in den Aufgabenbereich des Bundesinnenministers. Auch bisher kam es vor, dass Soldaten der Bundeswehr für Arbeiten jenseits ihres regulären Auftrages eingesetzt wurden. Dies geschah und geschieht im Rahmen der Amtshilfe. Neu ist, dass für den Heimatschutz eigene Kompanien aufgestellt werden. Wir befürchten eine ähnliche Entwicklung wie bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Der Dienst der Bundeswehr im Heimatschutz könnte das Einfallstor für weiter reichende Einsätze im Inneren sein. Außerdem sieht die EAK Westfalen in dieser Variante des Freiwilligen Wehrdienstes die Grenze des pädagogisch und rechtlich Gebotenen verletzt: Hier werden 17-jährige im Gebrauch von Handfeuerwaffen ausgebildet und dafür bei 16-jährigen geworben.

Mit dem Freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz wirbt die Bundeswehr für eine über diesen Dienst hinausgehende Verpflichtung bei der Truppe. Dafür die Bezeichnung „Freiwilligendienst“ zu verwenden, ist Etikettenschwindel. Damit will die Bundeswehr das Ansehen, das die bestehenden Freiwilligendienste bei einem Großteil der Bevölkerung genießen, für sich nutzen. Die meisten Menschen verbinden die Vorstellung von Freiwilligendiensten mit zivilgesellschaftlichem Engagement. Der Freiwillige Wehrdienst im Heimatschutz hingegen ist ein gut bezahlter Schnupperkurs bei der Bundeswehr. Das dort propagierte „Jahr für Deutschland“ endet nach sieben Monaten (drei Monate Grundausbildung plus vier Monate Spezialausbildung). Die verbleibenden fünf Monate werden in den folgenden sechs Jahren abgeleistet. Statt eines sonst üblichen Taschengeldes wird ein um ein Vielfaches höherer Sold gezahlt. Das zeigt, dass dieses Modell im Kern als Einstieg in eine Berufsausbildung bei der Truppe gedacht ist. Die höhere Bezahlung geht einher mit dem Werbeversprechen „Mach, was wirklich zählt“. Mit Respekt vor dem, was in den bestehenden Freiwilligendiensten geleistet wird, hat das nichts zu tun.