Rüstungsstandort Kassel: ein Überblick

Vortrag „Rüstungsstandort Kassel: ein Überblick“ am „Studientag Rüstungspolitik: Vernichtung von Arbeitsplätzen – Vernichtung von Menschenleben“ der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden, 23. September 2015, in Kassel

Referent Michael Goldbach, Rechtsanwalt in Kassel

 

I. Einleitung

1. Kassel heute

Ja, Rüstungsstandort Kassel. Ich fang mal mit Kassel an. Es sind ja einige Auswärtige unter uns. Sie finden mit Kassel heute eine dynamische Stadt vor, die nicht mehr das Handicap hat, Zonenrand zu sein. Lange Zeit galt Kassel als die einzige Stadt der DDR, die im Westen liegt. Ende 2011 stellte hingegen die Wirtschaftswoche fest, Kassel sei die dynamischste Großstadt Deutschlands.

Menschen kommen freiwillig nach Kassel. Alle fünf Jahre gibt es die Kunstausstellung documenta, die ihre Spuren im Stadtbild hinterlassen hat. Vor dem Kulturbahnhof steht der Himmelsstürmer, am Fuldaufer steckt eine überdimensionierte Spitzhacke, und Joseph Beuys hat 7.000 Eichen hier gelassen.

Durchgängig zu sehen ist der Bergpark Wilhelmshöhe mit seinen Wasserspielen, der seit 2013 Weltkulturerbe ist. Und kürzlich wurde mit der Grimm-Welt eine neue Attraktion eröffnet, die Touristen anlocken soll und wird.

Wirtschaftlich ist die Stadt wegen ihrer zentralen Lage unter anderem für die Logistikbranche und für Kongresse interessant. Große Unternehmen in und um Kassel sind VW Baunatal, die Solartechnikfirma SMA, der Erdölkonzern Wintershall, der Kali- und Salzproduzent K+S. Im öffentlichen Sektor bietet etwa das Klinikum Kassel viele Arbeitsplätze.

Das Kassel von heute hat 200.000 Einwohner, davon über 20.000 Studenten.

2. Kassel damals

Das alte Kassel existierte bis zum 22. Oktober 1943. An diesem Datum bombten britische Flugzeuge die Stadt in Schutt und Asche. In einer Nacht starben 10.000 Menschen, 80% der Wohnhäuser wurden zerstört. Das lag auch daran, dass Kassel schon damals ein bedeutender Standort der Rüstungsindustrie war.

Ich möchte Ihnen im Folgenden die beiden wichtigsten Kasseler Rüstungsunternehmen vorstellen, nämlich Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann, kurz KMW. Ich werde Ihnen die Geschichte beider Unternehmen bis in die Gegenwart skizzieren und ihre derzeit wichtigsten Projekte vorstellen. Bitte sehen Sie mir nach, wenn ich dabei nicht die Flughöhe von Herrn Nassauer erreiche.

 

II: Unternehmensgeschichte Rheinmetall

1. Henschel

Der Schlüssel zum Verständnis von Rheinmetall: Beide Kasseler Töchter sind aus der Firma Henschel hervorgangen. Rheinmetall ist in Kassel Ex-Henschel. Die Familie Henschel ist eine der bedeutendsten Unternehmerfamilien der Stadt und hat knapp 150 Jahre lang die wirtschaftliche Entwicklung Kassels mitgeprägt.

Gründungsjahr der Firma ist 1810, der Firmengründer hieß Georg Christian Carl Henschel. Er war Glockengießer und fand seine erste Anstellung im landgräflichen Gießhaus in Kassel. Dieses Gebäude spielt bis heute eine wichtige Rolle. Es liegt am Holländischen Platz und die Uni Kassel nutzt es für Vortragsveranstaltungen. Sozusagen die gute Stube der Uni. 

Gemeinsam mit seinem Meister und Schwiegervater bekommt Henschel vom Landgrafen das Privileg zur Herstellung von Kanonen und Glocken. Napoleon kommt an die Macht, es gibt einen Streit über nicht bezahlte Rechnungen. Henschel muss das Gießhaus verlassen und macht sich selbstständig. Der Auszug aus dem Gießhaus ist die Geburtsstunde der Firma Henschel.

In der nächsten Generation tritt Carl Anton Henschel auf den Plan, der den Lokomotivbau begründete. 1832 traf er mit George Stephenson den Erfinder der Eisenbahn. 16 Jahre später baute Henschel die erste Kasseler Lok, den „Drachen“.

Den Aufstieg zur Weltfirma schafft wiederum zwei Generationen später Oskar Henschel. Dieser heiratete im Jahr 1862 Sophie Henschel geborene Caesar. Diese führte nach dem Tod Oskars als erste Frau das Unternehmen. Sie hatte nicht nur wirtschaftlich Erfolg. Wegen ihres sozialen Engagements ist sie in Kassel bis heute unvergessen. So stiftete sie das Rot-Kreuz-Krankenhaus. Sophie Henschel leitete das Unternehmen bis 1912.

In beiden Weltkriegen engagierte sich das Unternehmen militärisch. Im Ersten Weltkrieg hat es erbeutete Geschütze von englischen, russischen und anderen Truppen aufgearbeitet und für das deutsche Heer an die verschiedenen Fronten transportiert. Zwischen den Kriegen stieg Henschel zum größten Lokomotivbauer Europas auf.

Im Zweiten Weltkrieg wurde Henschel zur Rüstungsschmiede. Trotz der zunehmenden Zerstörungen gingen die Produktionszahlen von Panzern bis 1944 ständig nach oben, also noch bis nach dem verheerenden Angriff im Oktober 1943. Nach dem Wiederaufbau endete 1957 mit dem Rücktritt von Oscar Robert Henschel als Firmenchef die Familientradition.

Henschel war über Jahrzehnte der größte Arbeitgeber in Kassel. In den 1960er Jahren gab es bis zu 14.500 Henschelaner. Kaum eine Familie, die nicht irgendeine Verbindung zu Henschel hatte. Lokomotiven von Henschel gibt es heute in der ganzen Welt.

2. Nach Henschel

Das Werksgelände Mittelfeld im Kasseler Norden existiert ebenfalls noch. Heute arbeiten hier rund 5.500 Menschen in 40 Betrieben. Die größten sind neben Rheinmetall das Daimler-Lkw-Achsenwerk, Bombardier als Hersteller von Schienenfahrzeugen sowie Henschel Antriebstechnik.

Der Konzern Rheinmetall hat im Jahre 1999 die damalige Henschel Wehrtechnik GmbH erworben. Die Rheinmetall AG ist ein im MDAX gelistetes Unternehmen, welches den halben Umsatz als Zulieferer für den zivilen Automobilbau erwirtschaftet und die andere Hälfte in der Wehrtechnik verdient.

Der Konzern besteht aus vielen Tochtergesellschaften, wovon zwei Töchter ein Werk in Kassel betreiben. Die Rheinmetall Landsysteme GmbH, kurz RLS, hat ihren Firmensitz in Unterlüß / Niedersachsen und baut gepanzerte Kettenfahrzeuge.

Die andere Rheinmetall-Tochter mit Werk in Kassel ist die Rheinmetall MAN Military Vehicles, kurz RMMV. Sie ist ein Joint Venture von Rheinmetall und MAN und existiert seit 2010, Sitz ist München. Ebenso wie die Rheinmetall Landsysteme ist die RMMV eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Rheinmetall hält mit 51% eine knappe Mehrheit. RMMV baut militärisch genutzte Radfahrzeuge.

Beide Kasseler Werke befinden sich am selben Standort, dem Henschelplatz 1. Insgesamt arbeiten hier 850 Mitarbeiter. Rheinmetall setzt insgesamt knapp € 2 Mrd. im Jahr mit Rüstungsgütern um. Für RMMV strebt der Konzern mittelfristig einen Umsatz von jährlich € 1 Mrd. an.

 

III: Unternehmensgeschichte Krauss-Maffei Wegmann

1. Vergleich mit Henschel / Rheinmetall

Ganz anders die Entwicklung des Konkurrenten. Die Firma Wegmann ist jünger als Henschel. Dafür produziert die heutige Firma Krauss-Maffei Wegmann ausschließlich Rüstungsgüter. Anders als die börsennotierte Rheinmetall AG ist KMW bis heute ein Familienunternehmen, Rechtsform ist die GmbH & Co. KG.

Es gibt aber auch Gemeinsamkeiten. Wegmann hat wie der Konkurrent seine Wurzeln in der Eisenbahnherstellung, allerdings im Waggonbau. Beide begannen ihr Engagement in der Rüstungsindustrie im Ersten Weltkrieg. Bezogen auf die Produktion in Kassel handelt es sich bei beiden Wettbewerbern um mittelständische Unternehmen, deren Mitarbeiterzahl und Umsatz sich in derselben Größenordnung bewegen.

Sowohl KMW als auch RMMV haben ihren Sitz in München, obwohl dort nur die Chefetage sitzt. München ist als Stadt attraktiver und näher an einem großen Flughafen gelegen. Am Standort Kassel arbeitet verglichen mit München ein Vielfaches an Werktätigen beider Unternehmen.

Zusammen haben die Kasseler Rüstungsunternehmen praktisch ein Monopol auf militärische Landfahrzeuge in Deutschland. Mich erinnert das an die Produktion von Turnschuhen in Herzogenaurach, wo sowohl Adidas als auch Puma ihren Sitz haben.

Untereinander sind sich die Kasseler Rüstungsunternehmen spinnefeind. Kooperationen gibt es, aber eher auf Druck der Politik. Diese hat wiederum ein Interesse, beide Unternehmen im Wettbewerb zu halten. So wird aus dem Doppel-Monopol kein Einzelmonopol.

 

 

2. Wegmann & Co.

Die Geschichte von KMW beginnt 1882 in Kassel mit Peter Wegmann, also gut 70 Jahre nach der Gründung von Henschel. Damals kaufte Wegmann eine stillgelegte Wagenfabrik im Kasseler Stadtteil Rothenditmold. 25 Jahre später beschäftigt Wegmann bereits mehr als 1.000 Mitarbeiter und stellt den 16.000sten Wegmann-Wagen her.

Der Firmengründer stirbt 1912. Seither bestimmt die Kasseler Familie Bode maßgeblich die Geschicke der Firma. Die Firma wuchs mit der Bedeutung der Eisenbahn als Transportmittel. Aus Kassel kamen Schlaf- und Speisewagen für die Mitropa sowie stromlinienförmige Wagen für den Henschel-Wegmann-Zug. Später lieferte Wegmann einen Luxuszug für den persischen Schah.

In die Rüstungsproduktion stieg das Unternehmen zu Beginn des Ersten Weltkriegs ein. Es stellte leichte und schwere Feldwagen her, ab 1917 arbeitete es am „Panzerkampfwagen K“.

Mit der Wiederaufrüstung der deutschen Wehrmacht durch die Nazis engagierte sich Wegmann massiv im Rüstungsgeschäft. Einträglich war vor allem der Panzerbau, an dem Wegmann seit 1935 beteiligt war. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs hin wurden die Produktionsanlagen dann völlig zerstört. Gleichwohl bauten die Inhaber den Betrieb nach dem Krieg an alter Stelle wieder auf, die Adresse lautet bis heute August-Bode-Straße 1.

Nach der Bundeswehr-Gründung 1957 bauten die Kasseler im neuen Bereich Wehrtechnik zunächst Panzerattrappen. Die wurden auf Unimogs montiert. 1982, zum hundertjährigen Firmenjubiläum, fertigte Wegmann in der Sparte Wehrtechnik Panzertürme, Raketenwerfersysteme und Lafetten.

Die Hessische/Niedersächsische Allgemeine zitiert im Jubiläumsjahr 1982 den damaligen Kasseler Oberbürgermeister Hans Eichel, zusammen mit Henschel habe Wegmann die Stadt nachhaltig geprägt und 2.000 sichere Arbeitsplätze hier im Zonenrand geschaffen.

Die Bodes haben als Familie Einfluss in Kassel. Aus der Firma dringt jedoch nur wenig nach außen. Während Rheinmetall als Aktiengesellschaft einer Berichtspflicht unterliegt, kann sich Wegmann als Familienunternehmen abschotten und tut dies auch. Die Firmenkultur unterscheidet sich bis in die Betriebsräte hinein. Der von Wegmann gilt als besonders vorstandshörig.

3. Entwicklung ab 1999

1999 schloss Wegmann sich mit der Firma Krauss-Maffei zusammen. Krauss-Maffei war bis dahin eine Tochtergesellschaft der Mannesmann AG. Nur ein Jahr später übernahm Siemens die Anteile von Mannesmann und hielt seit dem Jahr 2000 einen 49%-Anteil an KMW. Die restlichen 51% hielt Wegmann.

Wehrtechnik war aber nicht so sehr das Ding von Siemens. Ende 2010 verkaufte Siemens deshalb seinen KMW-Anteil an Wegmann. Seitdem gehört KMW ganz den gut 20 Teilhabern des Familienunternehmens, allesamt Nachfahren der Firmengründer oder späteren Eigentümer.

KMW erwirtschaftet derzeit knapp € 1 Mrd. Umsatz im Jahr und beschäftigt in Kassel 1.500 Mitarbeiter. Die Auftragsbücher sind prall gefüllt. Für die kommenden drei Jahre gibt es Aufträge mit einem Gesamtvolumen von € 6 Mrd.

 

IV: Aktuelle Projekte von KMW

1. Der Leopard

Der Verkaufsschlager von KMW schlechthin ist der Leopard 2. Er wird seit 1979 in Serie gebaut, bisher insgesamt 3.000-mal. Der Leopard 2 gilt vielen als der beste Kampfpanzer der Welt. Nur die, die ihn nicht kriegen dürfen, nehmen ein Konkurrenzprodukt.

Der Kampfpanzer-Markt ist zurzeit in Bewegung. So hat Russland am 9. Mai 2015 seinen neu entwickelten Armata T-14 präsentiert. Auch dadurch gerät der Westen unter Modernisierungsdruck.

2. Fusion mit Nexter zu Kant

Ein Nachfolger für den Leopard 2 könnte aus einer Fusion von KMW mit dem französischen Staatsunternehmen Nexter Systems SA hervorgehen. SA steht für Société Anonyme und bedeutet Aktiengesellschaft.

Der Name des neuen Unternehmens ist vorläufig Kant, für „KMW and Nexter together“. Vielleicht stand auch der deutsche Philosoph bei der Namensgebung Pate. Sitz des neuen Unternehmens soll Amsterdam sein, sozusagen auf neutralem Boden.

Die Verbindung ist zunächst als Joint Venture auf fünf Jahre angelegt. Möglicherweise geht damit unterm Strich die Ära von KMW als reinem Familienbetrieb zu Ende. Die Tinte unter dem Vertrag ist noch nicht trocken, Vertragsschluss war am 29. Juli 2015.

Mit der Fusion kommt ein Rennen um eine Partnerschaft mit KMW zu ihrem vorläufigen Ende. Auch eine Fusion mit Rheinmetall war im Gespräch gewesen und bei manchen deutschen Politikern gewünscht.

Langfristig wollen die Eigner von KMW und Nexter nur Ankergesellschafter bleiben. Darunter versteht man üblicherweise einen Anteil von 25 Prozent. Die Hälfte der Holdinganteile ist demnach für weitere Partner reserviert.

Eine besonders heikles Thema sind in diesem Zusammenhang die restriktiven deutschen Rüstungskontrollregeln. Die französischen Ausfuhrbestimmungen sind deutlich laxer. Frage also, welche Regeln für die Firma Kant gelten.

Es gibt einen uralten Vertrag zwischen Deutschland und Frankreich für gemeinsame Rüstungsprojekte beider Staaten. 1972 unterzeichneten der deutsche Verteidigungsminister Helmut Schmidt und sein französischer Amtskollege Michel Debré ein Abkommen, das Schmidt-Debré-Abkommen. Es lässt beiden Staaten bei gemeinsamen Rüstungsprojekten in Sachen Exportgenehmigungen weitgehend freie Hand. Noch ist unklar, was das Schmidt-Debré-Abkommen für die Produkte von Kant bedeutet.

 

V: Aktuelle Projekte von Rheinmetall

Das derzeit spektakulärste Projekt ist der Export einer Panzerfabrik nach Algerien durch die Kasseler Rheinmetall-Tochter RMMV. Unter deutscher Anleitung wird eine Produktionsstätte für knapp 1.000 Füchse in dem nordalgerischen Städtchen Ain Smara errichtet.

1. Der Fuchs

Der Fuchs ist ein Radpanzer, einst für die Bundeswehr von Daimler-Benz entwickelt und von Thyssen Henschel gebaut. Mittlerweile existiert eine Vielzahl von Varianten für europäische und arabische Nutzerstaaten. Die bekannteste Variante ist der ABC Spürfuchs für die Aufklärung von radiologischen,  biologischen und chemischen Bedrohungen.

2. Panzerfabrik für Algerien

Und jetzt gleich eine ganze Fabrik. Dabei geht es um eine von der RMMV durchgeführte Weiterentwicklung zum Fuchs 2. RMMV exportiert die Fabrik, in der die Algerier als Lizenznehmer Füchse bauen. In einer Endverbleibserklärung hat das Land sich vertraglich verpflichtet, die Fahrzeuge nicht weiter zu verkaufen.

In dem Projekt geht es auch darum, deutsche Ingenieurskunst zu exportieren. Und so haben die Kasseler erst einmal hundert junge Algerier zu Maschinenschlossern ausgebildet. Praktische Probleme werfen die Bedingungen vor Ort in Algerien auf, etwa bei dem Bau der Produktionshalle.

Das Projekt Panzerfabrik ist im Übrigen Teil einer politischen Entscheidung der Bundesrepublik für eine Kooperation mit Algerien, die militärische und zivile Komponenten hat. Mit dabei sind deutsche Firmen wie Daimler-Benz, Thyssen Krupp und EADS, heute Airbus. Der zivile Teil der Zusammenarbeit umfasst ein Solarstromprogramm, das vor Ort für Beschäftigung sorgen soll. Unterm Strich dient der Deal mit Algerien auch dazu, einen Fuß in afrikanische Märkte zu kriegen.  

Politisch steht das Projekt Panzerfabrik unter Beschuss, um im Bild zu bleiben. Algerien hat ein autoritäres Regime und grenzt an instabile Länder, allen voran Libyen. Von der Möglichkeit, die Fabrik zu stoppen, hat Bundeswirtschaftsminister Gabriel trotzdem keinen Gebrauch gemacht.

Denkbar, dass er damit Schadensersatzforderungen des Herstellers vermeiden wollte. Denkbar aber auch, dass es bei der strategischen Kooperation bleiben soll, die Bundeskanzlerin Merkel 2008 noch unter Schwarz-Gelb auf den Weg gebracht hatte.

 

VI. Die rüstungskritische Szene in Kassel

Lassen Sie mich zum Schluss die rüstungskritische Szene in Kassel beleuchten. Die Friedensbewegung in Kassel nennt sich Kasseler Friedensforum und wird heute Nachmittag durch Frank Skischus vertreten sein.

Jedes Jahr Anfang Dezember finden in Kassel die „Friedenspolitischen Ratschläge“ statt. Veranstalter dieser Ratschläge ist die Arbeitsgruppe Friedensforschung an der Universität Kassel, unterstützt vom Bundesausschuss Friedensratschlag, dem Kasseler Friedensforum sowie von Friedensinitiativen aus anderen Städten.

Die christlichen Kirchen sind sozusagen naturgemäß nur mit einem Flügel friedenspolitisch aufgestellt, den anderen Flügel bildet die Hierarchie der Kirchliche Friedensarbeit bis hin zum Militärbischof. Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck hat einen Arbeitskreis Frieden gebildet, den ein Pfarrer als Friedensbeauftragter leitet.

Die Kasseler Katholiken haben sich zuletzt gegen die Lieferung von Panzern nach Saudi-Arabien eingesetzt. Die katholische Bewegung pax christi betreibt im Übrigen die hervorragend gepflegte Internetseite www.aufschrei-waffenhandel.de. Das ist kein Kasseler Projekt, aber hier finden Sie weiterführende Informationen zum Rüstungsstandort Kassel.

Unter den politischen Parteien setzen sich in Kassel besonders Linkspartei und Grüne gegen Rüstungsexporte nach Algerien ein. Auf ihren gemeinsamen Antrag hin hat letztes Jahr im Juli die Kasseler Stadtverordnetenversammlung einen Beschluss gefasst, der die Bundesregierung zum Stopp der Rüstungsexporte nach Algerien auffordert.

Von den Grünen weiß ich, dass sie nach Verbündeten suchen, die sich an anderen Rüstungsstandorten kommunalpolitisch kritisch positionieren. Wer von Ihnen zum Beispiel aus München oder aus Düsseldorf kommt, kann darauf heute Nachmittag den Co-Vorsitzenden der Kasseler Grünen Boris Mijatovic ansprechen.

Zum Ende meines kleinen Überblicks möchte ich einem hier Anwesenden besonders danken, weil er mir mit Gesprächen und Material einen Zugang zum Thema Rüstungsstandort Kassel verschafft hat. Es ist mein Freund Martin Bräutigam, der heute Nachmittag als Diplom-Physiker und Befürworter der Wehrtechnik am abschließenden Podium teilnehmen wird. Vielen Dank, Martin.

Sein Hauptargument für eine in Deutschland ansässige Wehrtechnik lässt sich hören: Sie hilft dem Staat, in dieser Hinsicht souverän zu bleiben. Ich hoffe auf eine sachorientierte und anregende Debatte. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.