Rüstung tötet auch ohne Krieg

Nach zwanzig Jahren Mitarbeit in der Arbeitsgruppe Rüstungsexporte der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) und seit 1997 Mitautor der jährlichen von dieser Arbeitsgruppe erstellten Rüstungsexportberichte der Kirchen muss ich feststellen: Deutschland bleibt in der Rangliste der Rüstungsexportländer auf dem dritten Platz in der Welt und deutsche Waffen werden weiterhin in Kriegen und Konflikten eingesetzt und töten Menschen.

Während die Kirchen die Verringerung und viele Friedensgruppen gar einen Stopp der Rüstungsexporte fordern, setzt die deutsche Politik auf eine Steigerung. Unter der Überschrift "Merkel rechtfertigt Rüstungsexporte als Friedensmittel" berichtete der SPIEGEL am 22. Oktober 2012 über eine Rede der Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einer Bundeswehrtagung in Strausberg, die Kanzlerin wolle in der Sicherheitspolitik verstärkt auf Rüstungsexporte und militärische Ausbildungshilfe für „vertrauenswürdige Partner” setzen. Es läge im deutschen Interesse, wenn Partner dazu befähigt würden, sich für die Bewahrung und Wiederherstellung von Sicherheit und Frieden in ihren Regionen wirksam einzusetzen. Da Deutschland nicht überall auf der Welt eine aktive Rolle mit Militär übernehmen könne, müsse man vertrauenswürdigen Partnern mit Waffen helfen, damit sie entsprechende Aufgaben übernehmen könnten.

Erwartungen von Industrie und Wirtschaft

Eine beträchtliche Steigerung der Rüstungsexporte erwarten auch Industrie und Wirtschaft. Das bestätigt die Studie der Agentur Horvath&Partners Managment Consultants „Wehrtechnik im Wandel - Herausforderungen für die Industrie” aus dem Jahr 2011:

- Die weltweite sicherheitspolitische Lage werde in den kommenden Jahren angespannt bleiben und die Anzahl der bewaffneten Konflikte weiter steigen.

- Die Streitkräfte sähen sich vermehrt asymmetrischen Bedrohungen ausgesetzt und müssten sich auf eine zunehmende Verlagerung der Einsatzgebiete in urbanes Gelände einstellen. Cyberwar- Szenarien und Konfliktursachen wie der Kampf um Rohstoffe, Wasser oder Nahrungsmittel rückten immer mehr in den Vordergrund.

- Die heimischen Märkte blieben für die westeuropäische Rüstungsindustrie unverändert attraktiv. Die Zukunftsmärkte lägen aber vor allen im Mittleren Osten, in Südamerika und im asiatischen Raum.

- Es werde eine Verschiebung innerhalb der Marktsegmente stattfinden. Drohnen, vernetzte Operationsführung sowie Schutz- und Kommunikationssysteme gälten als die Geschäftsfelder der Zukunft.

- Die wehrtechnische Industrie in Westeuropa glaube an ihren Technologie- und Know-how-Vorsprung gegenüber Ländern wie Russland, China, Südkorea, Brasilien, Indien oder der Türkei auf Jahre hinaus.

- Über 70 Prozent der Unternehmen rechneten mit steigenden Umsätzen in den nächsten zehn Jahren, ein Großteil davon werde zukünftig im Ausland erwirtschaftet.

Steht ein Paradigmenwechsel der deutschen Rüstungsexportpolitik bevor? Galt diese bisher doch als eher restriktiv, so ist jetzt eine Offensive für vermehrte Rüstungsexporte zu erwarten. Die Rüstungsindustrie scheint darauf vorbereitet zu sein. Für eine Umkehr zur Verringerung oder einem Aussetzen der Rüstungsexporte sind in Politik und Industrie keine Anzeichen zu erkennen.

Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel

Der dramatische Anstieg deutscher Rüstungsexporte in den letzten Jahren und erst recht die zu erwartenden Steigerungen verlangen nach entschiedenen Protesten aus der Zivilgesellschaft. Die Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel will aus der Zivilgesellschaft heraus Druck gegen die Praxis des deutschen Rüstungsexportes aufbauen und Alternativen zur Rüstungsproduktion aufzeigen. Sie strebt danach, deutsche Rüstungsexporte zukünftig möglichst ganz generell zu verbieten.

Die aktuelle und durch eine Unterschriftenaktion unterstützte politische und zentrale Forderung zielt auf eine Klarstellung von Art. 26, 2 des Grundgesetzes, der jetzt noch lautet: „Zur Kriegsführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“ Die Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel fordert folgende präzise und verschärfte Formulierung des Textes: „Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter werden grundsätzlich nicht exportiert. Das Nähere regelt das Rüstungsexportgesetz.“

Mit diesem Rüstungsexportgesetz soll erwirkt werden, dass der Export von Kriegswaffen und Rüstungsgütern in jedem Einzelfall begründet werden muss. Die Kampagne verlangt einen Genehmigungsvorbehalt für Kriegswaffen und alle Rüstungsgüter. Kein Rüstungsexport, wenn er nicht ausdrücklich genehmigt worden ist!

Zur Verdeutlichung: In Art. 26, 2 des Grundgesetzes ist zwar bereits jetzt festgeschrieben, dass zur Kriegsführung bestimmte Waffen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in den Verkehr gebracht werden dürfen. Wenn es nun ergänzend heißt, näheres regele ein Bundesgesetz, so muss man wissen, dass es zwei verschiedene Bundesgesetze gibt, die auf Initiative des damaligen Bundesverteidigungsministers Franz Josef Strauß beschlossen wurden. Das eine ist das Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG), das deutlich definiert, was Kriegswaffen sind. Diese dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Hier gilt der Genehmigungsvorbehalt: Nichts geht ohne ausdrückliche Genehmigung.

Das zweite ist das Außenwirtschaftsgesetz (AWG), das den Export von sonstigen Rüstungsgütern, Dual-Use- Gütern und Rüstungskomponenten regelt. Da das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) den unbeschränkten und freien Welthandel ermöglichen soll, erlaubt es den Export von allem, was nicht ausdrücklich verboten ist. Während für die Kriegswaffen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz all das verboten ist, was nicht ausdrücklich genehmigt wird, erlaubt das Außenwirtschaftsgesetz dagegen den Export von Rüstungsgütern, Dual-Use-Gütern und Rüstungskomponenten, wenn er nicht ausdrücklich und begründet verboten wird (Verbotsvorbehalt). Mit dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) wurde dem Export Tür und Tor geöffnet.

Mit der von der Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel vorgeschlagenen Klarstellung von Art.26, 2 des Grundgesetzes und der damit verbunden Forderung nach einem Rüstungsexportgesetz soll erwirkt werden, dass ein ausnahmsweise stattfindender Export von Kriegswaffen und allen sonstigen Rüstungsgütern in jedem Einzelfall genehmigt und begründet werden muss.

Die Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel fordert deshalb auch Transparenz in allen Rüstungsgeschäften. Wenn Rüstungsexporte ausnahmsweise genehmigt werden, sind sie öffentlich zu begründen. Die rechtlichen und ethischen Kriterien wie die Politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern und der EU-Code of Conduct on Arms Trade sind längst gegeben. Sie zielen unter anderem auf die Menschenrechtslage, die Einstufung als Krisenregion und die eventuelle Störung der Nachhaltigkeit der Entwicklung im Empfängerland. Sie sollten gesetzliche Bindekraft haben, weil der Export von Kriegswaffen und Rüstungsgütern als Mittel der Gewalt nach den gleichen strengen Kriterien zu beurteilen ist wie die Androhung oder Anwendung von Gewalt. Gewalt aber ist eines der schwersten Übel für Menschen und deren Zusammenleben.

Wer sich für eine zivile und gewaltfreie Konfliktbewältigung einsetzt, muss den weltweiten Waffenhandel begrenzen. So ist es erfreulich, dass nun auch EIRENE im Aktionsbündnis der Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel mitarbeitet.