Nordkirche: Lerngemeinschaft als friedenspolitisches Modell

Welche Folgen haben der Auftrag zum Frieden und die Sehnsucht nach Frieden für das eigene Handeln und die Alltagsarbeit in der Nordkirche? Und was bedeutet das konkret für die strategischen Herausforderungen der Zukunft? Mit diesen und weiteren Fragestellungen befassten sich die 156 Landessynodalen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) an zwei Tagen beim Schwerpunktthema „Reden über Frieden“. Nun beschloss die II. Landessynode ein Grundsatzpapier zu „Haltung und Position“ der Nordkirche.

Dort heißt es: „Die Nordkirche versteht sich als eine Kirche, die im Geschehen der Zeit lebt und wirkt. Ihr Tun und Lassen, ihr Reden und ihr Schweigen ist auch politisch, weil es zeigt, wie sich die Kirche zu den Fragen der Zeit verhält. […] Das Ringen um gemeinsame Positionen zu den Fragen der Zeit orientiert sich am biblischen Zeugnis und lässt sich in der Friedensfrage in folgenden Kategorien bestimmen: der Schutz der Schwachen, die Bewahrung und Stärkung des Rechts, die Ermöglichung und Entwicklung von Gerechtigkeit. Dabei bemüht sich die Nordkirche um die Haltung einer Lernenden. […] Sie versteht sich als Mahnerin gegen eine scheinbare und vordergründige Logik angeblicher Alternativlosigkeit, des vermeintlich Naheliegenden und der Macht des Faktischen.“

Die Nordkirche versteht unter Friedensarbeit auch, „in ihrem eigenen Bereich die Verschiedenheit von Positionen aus- und miteinander im Dialog zu halten. […] Dass Menschen unterschiedlicher Anschauung einander aushalten, beieinander bleiben und voneinander lernen wollen, bietet ein friedenspolitisch wertvolles Modell für eine Gesellschaft, die sich zunehmend in geschlossenen Meinungsblasen bewegt.“

Diese Binnensicht sei mitunter viel anstrengender und auch anspruchsvoller als die Beschäftigung mit außerkirchlichen Handelnden, erläuterte Friedemann Magaard, Vorsitzender des Ausschusses Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung (AGFB). „Wer begegnet schon gern den blinden Flecken? Wer verlässt ohne Not die eingefahrenen Muster? Es gibt viel zu tun, wenn wir den Ansprüchen, die wir an politische und gesellschaftliche Akteure formulieren, an uns selbst anwenden. Aber billiger ist es nicht zu haben.“

In dieser Grundhaltung zum Thema Frieden will sich die Nordkirche den komplexen konkreten politischen Fragen der Zeit stellen - in dem Bewusstsein, dass das Engagement für Frieden einen langen Atem braucht und akuten Krisen langwierige politische, soziale und ökonomische Entwicklungen vorausgehen. Als Beispiele wurden die dramatische Lage in Afghanistan, der jahrelange Krieg in Syrien sowie die Konflikte im Nahen Osten angeführt.

In das beschlossene Grundsatzpapier flossen außerdem die Ergebnisse weiterer Beratungen vom Freitagnachmittag ein. Folgende Handlungsfelder der Nordkirche sollen in Zukunft gestärkt werden: Erinnerungskultur, Kulturelle und religiöse Vielfalt als Bereicherung, Friedenstage, Ökumenische Partnerschaften, Folgen von kolonialer Missionsgeschichte, Rassismus-Awareness sowie Frieden für Europa.

Den Grundstock für den Prozess „Reden über Frieden“ hatte die I. Landessynode 2017 gelegt, als das Positionspapier „Gerechter Frieden“ beschlossen wurde. Zwei Jahre später bekam der Ausschuss den Auftrag, einen Beteiligungsprozess zur Friedensfrage zu initiieren - mit guter Resonanz: Kirchengemeinden und -kreise, Einrichtungen, Dienste und Werke der Nordkirche schickten Anregungen und Stellungnahmen, in welchen Handlungsfeldern der Nordkirche bereits Zeichen des Friedens gesetzt wurden und wo noch Verstärkung beziehungsweise Veränderung notwendig ist.

Pastor Friedemann Magaard: „Das beschlossene Grundsatzpapier der Nordkirche ist ein weiterer wichtiger Schritt auf unserem Weg, den wir mit Mut und Demut gehen. Frieden hängt eng mit Gerechtigkeit, Teilhabe und Wertschätzung von allen und allem zusammen. Frieden ist ein Dach, unter dem die Themen zusammenfinden.“