Mit entschiedener Zuversicht auf friedenspolitische Entwicklungen schauen

Das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren müsse Anlass sein zur kritischen Prüfung der friedenspolitischen Haltung der Kirchen und des aktuellen außen- wie rüstungspolitischen Handelns in der Welt. Dies betonte der Friedensbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Friedrich Kramer. Gerade die Deutschen sollten angesichts dieses Jahrestages an Einsichten festhalten, die Deutschland, aber auch große Teile der Welt aus diesen Kriegserfahrungen gewonnen hätten, meinte er in seinem Bericht auf der Konferenz für Friedensarbeit im Raum der EKD in der Evangelischen Akademie Loccum.

Zu diesen Einsichten gehören für Landesbischof Friedrich Kramer, dass Nationalismus und Totalitarismus ins Verderben führen, dass Krieg kein Mittel der Politik sein darf und dass nur aktive Vertrauens- und Bündnisbildung in der Außen- und Rüstungskontrollpolitik neben der Förderung ziviler Beziehungen und Freundschaften Frieden schaffen und erhalten können. Weitere wichtige Erfahrungen seien, dass eine Waffe wie die Atomwaffe, wenn sie denn erst in der Welt sei, auch eingesetzt werden könnte und dass die schlimmsten Menschheitsverbrechen wie der Holocaust im Schatten von Kriegen stattfinden, mahnte der EKD-Friedensbeauftragte in Loccum.

„Diese Einsichten verlieren in der dritten und vierten Nachkriegsgeneration nun ersichtlich an Bedeutung“, so Landesbischof Friedrich Kramer. „Wir werden in Zukunft gefragt sein, auch ohne Zeitzeuginnen und Zeitzeugen die Erinnerung an die erfolgreiche Überwindung von Hass und Gewalt lebendig zu halten und den zukünftigen Generationen zu vermitteln, wie wichtig Freiheit, Toleranz und Menschenrechte sind.“ Das sei auch Aufgabe von Kirche, so der EKD-Friedensbeauftragte.

Friedrich Kramer rief in Loccum dazu auf, mit entschiedener Zuversicht auf die aktuellen friedenspolitischen Entwicklungen zu schauen, die derzeit zu beobachten seien. Seit 2021 haben Intensität und Zahl der Kriege und gewaltsamen Konflikte weltweit zwar zugenommen. Dennoch gebe es im neuen Jahr auch Entwicklungen, die Hoffnung auf mehr Frieden in der Welt machen. Das sage er „in dem klaren Bewusstsein, dass sie höchst fragil sind“, so der Landesbischof. Doch Hoffnungszeichen nicht zu sehen und nur auf „Worst-Case-Szenarios“ zu blicken, heiße, die Realitäten radikal zu verkennen und sich kreativer Ideen für Alternativszenarios, die Friedensräume ermöglichen würden, zu verschließen, mahnte der EKD-Friedensbeauftragte.

Zu diesen Hoffnungszeichen gehören für ihn die Entwicklung in Syrien, wo es nach 53 Jahren Diktatur und 13 Jahren Bürgerkrieg gelungen sei, alle Regionen zu befreien und einen Diktator zu vertreiben. Bei aller Skepsis gegen die neuen Machthaber würden doch Signale zu sehen sein, die leicht hoffnungsvoll klingen, wie der angekündigte Umgang mit Chemiewaffen und die Zusammenarbeit mit der UN, so Landesbischof Friedrich Kramer. Und auch die seit kurzem bestehende Waffenruhe in Gaza sei ein Hoffnungszeichen, betonte der EKD-Friedensbeauftragte. 

Landesbischof Friedrich Kramer äußerte in Loccum auch die Hoffnung, dass Bewegung in den schon viel zu lange dauernden Krieg Russlands gegen die Ukraine komme. Auch wenn der wieder gewählte US-Präsident Donald Trump hier noch völlig undurchschaubar handele, sei seit seinem Wahlsieg auf allen Seiten wieder mehr von Verhandlungen die Rede, betonte der EKD-Friedensbeauftragte. 

In seinem Bericht kritisierte der EKD-Friedensbeauftragte die aktuelle außen- und sicherheitspolitische Diskussion in Deutschland, die weiterhin von Begriffen wie „Zeitenwende“ und „Kriegstüchtigkeit“ geprägt sei und so friedenspolitische Diskurse lähme. Dazu gehöre, dass immer wieder dargestellt werde, dass in fünf Jahren ein russischer Angriff auf die NATO denkbar sei, weswegen die Rüstungsausgaben erhöht, die Rüstungsindustrie ausgebaut und auch eine Wehr- oder Dienstpflicht wieder eingeführt werden müssten. Dieses Szenario sei aber auch unter Militärexperten durchaus umstritten. „Doch alle anderen politischen Folgerungen werden als naiv, wenn nicht als unverantwortlich hingestellt“, kritisierte Landesbischof Friedrich Kramer.

„Auch wenn wir die Notwendigkeit einer ausreichenden Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und der EU anerkennen, müssen wir hier als Friedensarbeiterinnen und Friedensarbeiter im Raum der Evangelischen Kirche hellhörig werden: Ein Begriff wie ,kriegstüchtig´ steht dem Friedensgebot des Grundgesetzes entgegen und muss jedes Mal aufs Neue unseren Widerspruch finden. Denn durch solche im Grunde militaristischen Töne werden Ängste geschürt und Haltungen geprägt“, machte der EKD-Friedensbeauftragte in Loccum deutlich. Und er betonte, gerade auch wieder mit Blick auf den 80. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkriegs: „Wir befinden uns in einer Zeit des rasanten Wandels der Mentalitäten und Haltungen. Wenn am 8. Mai zum 80-jährigen Gedenken der Befreiung vom Faschismus die Kirchenglocken läuten werden, lasst uns als Friedensarbeiterinnen und Friedensarbeiter im Raum dieser Kirchen höchst sensibel sein, welche Haltungen wir aus Jesu Geist fördern und stärken, und welchen wir widersprechen und Einhalt gebieten müssen!“