Friedrich Kramer: „Es ist wichtig, die Stimme zu erheben und an den Frieden zu gemahnen“
Der Ruf von Christinnen und Christen nach Frieden und Gerechtigkeit ist wieder besonders wichtig, aber auch besonders schwierig geworden. Dies betonte der Friedensbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Friedrich Kramer, bei der Kundgebung der Friedensdemonstration während des Deutschen Evangelischen Kirchentages in Nürnberg. Und mit Blick auf das Kirchentagsmotto machte Friedrich Kramer dabei klar: „Jetzt ist die Zeit – für Frieden!“
„Intensive Friedensgebete und gewaltfreie Demonstrationen für gerechten Frieden können die Welt zum Guten verändern“, unterstrich der EKD-Friedensbeauftragte und verwies auf die friedliche Revolution 1989 in der DDR, aber auch viele andere entsprechende Beispiele überall in der Welt. Doch die, die heute zum Frieden raten würden, hätten gerade wenig Freude. „Europaweit erleben wir, dass Menschen hart angegangen und lächerlich gemacht werden, die nicht auf militärische Lösungen vertrauen, sondern Verhandlungen fordern, weil sie die unzähligen Toten und die Zerstörungen nicht hinnehmen wollen“, so der Landesbischof. Dennoch sei es wichtig, die Stimme zu erheben und an den Frieden zu gemahnen. Friedrich Kramer: „Das war schon immer eine gewichtige und herausfordernde Aufgabe.“
Scharf kritisierte der EKD-Friedensbeauftragte den brutalen, völkerrechtswidrigen Krieg der russischen Regierung gegen die Ukraine. „Immer mehr erweist sich die russische Regierung als ein autoritäres Regime mit Großreich-Fantasien, das nicht nur die ukrainischen, sondern auch die eigenen Soldatinnen und Soldaten opfert und menschenverachtende Kriegsverbrechen zulässt. Das ist klar zu verurteilen und macht Angst, den Menschen in der Ukraine, aber auch in ihren Nachbarländern und bei uns“, so Landesbischof Friedrich Kramer.
Es sei das gute Recht der Ukraine, sich zivil und militärisch zu wehren und weltweit nach Unterstützung zu rufen. Und er könne nachvollziehen, dass viele in ihrer Verzweiflung nach Waffen rufen. Diese Rufe seien auch aus der Evangelischen Kirche in Deutschland zu hören, so der EKD-Friedensbeauftragte, auch wenn dies kontrovers diskutiert werde. „Einig sind wir uns hingegen darin, dass Waffen letztlich keinen Frieden schaffen. Denn auch diejenigen in der EKD, die Waffenlieferungen befürworten, wissen, dass man darüber hinaus Bedingungen schaffen muss, die der Ukraine und Russland zukünftig einen gerechten Frieden ermöglichen“, betont der Landesbischof.
Fünf Forderungen seien nun wichtig, machte der EKD-Friedensbeauftragte in Nürnberg klar. „Jetzt ist die Zeit für Waffenstillstand und Friedensverhandlungen“, so Landesbischof Friedrich Kramer. Dies beziehe sich auf alle gewaltsamen Konflikte, im Sudan, im Jemen, in Syrien, in der Ukraine. „Und das richtet sich zuallererst an die Aggressoren, die ihre politischen Ziele mit Gewalt durchsetzen wollen“, betonte der EKD-Friedensbeauftragte. Den Angegriffenen könne nicht vorgeschrieben werden, sich gewaltfrei zur Wehr zu setzen. „Aber die vielen erfolgreichen Mittel zivilen Widerstands sollten wir nicht geringschätzen“, gab er zu bedenken. Bei Verhandlungen ginge es nicht um einen Diktatfrieden, sondern darum, dass beide Seiten ihre Interessen und Bedenken auf den Tisch legen und nach einem Kompromiss suchen würden.
Es sei aber auch die Zeit, die Rüstungsspirale und atomare Bedrohung zu stoppen, forderte der EKD-Friedensbeauftragte und bedauerte, dass beim G7-Gipfel in Hiroshima keine neuen nuklearen Abrüstungsverhandlungen angestoßen worden seien. „Wir appellieren an unsere Politikerinnen und Politiker, dass sie sich mit aller Macht für die Wiederaufnahme von Abrüstungsverhandlungen einsetzen und Deutschland endlich auch den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet“, so Landesbischof Friedrich Kramer.
„Jetzt ist die Zeit für Krisenprävention und zivile Konfliktbearbeitung“, machte der EKD-Friedensbeauftragte ebenso deutlich. Frieden sei immer ein Prozess. Daran müssen Zivilgesellschaft und Politik immer arbeiten. „Dazu brauchen wir Friedensdienste mit qualifizierten Fachkräften, die in gewaltfreies Reden und Handeln einüben können, in Methoden der zivilen Konflikttransformation und der sozialen Verteidigung“, zeigte sich Friedrich Kramer überzeugt.
Dabei sei man keineswegs naiv und wisse, dass es das Böse in der Welt gebe, dass Situationen eintreten würden, in denen Menschen oder ein ganzes Land vor einem Aggressor geschützt werden müssen, machte der Landesbischof deutlich. „Aber es ist ein Irrglaube, dass in diesen Fällen ein hochgerüsteter Abwehrkampf die Rettung bringt“, gab er auch zu bedenken. Denn das laufe immer Gefahr, zu eskalieren. „Krieg ist eine Bestie, die keiner kontrollieren kann“, mahnte Friedrich Kramer und betonte: „Jetzt ist die Zeit, Sicherheit neu zu denken.“
Und es sei die Zeit, das Klima und die Umwelt zu schützen, denn jeder Krieg zerstöre massiv die Umwelt, so der EKD-Friedensbeauftragte. Es brauche Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, um diese Schäden zu heilen. „Frieden und Klimagerechtigkeit hängen unmittelbar zusammen“, betonte der Landesbischof. Wenn jetzt alle Mittel in Waffen und Aufrüstung gesteckt würden, bleibe für die dringlichen Entwicklungs- und Umweltprojekte im globalen Süden zu wenig Geld übrig. „Dann riskieren wir massive soziale Konflikte, dort und bei uns, weil sich die Fluchtursachen einmal mehr verschärfen“, mahnte Friedrich Kramer.
Darum seien Christinnen und Christen gefordert, humanitäre Hilfe zu leisten, regelmäßig und intensiv um Frieden zu beten, dem schematischen Freund-Feind-Denken zu widerstehen und selektive Wahrheiten zu entlarven, betonte der EKD-Friedensbeauftragte in Nürnberg. „Lasst uns das alle tun“, so Landesbischof Friedrich Kramer. Es gelte, so wie Dietrich Bonhoeffer das betonte, zu beten und das Gerechte zu tun und auf Gottes Zeit zu warten. „Sie wird eine Zeit der Freude sein und sie wird kommen. Daran glauben wir fest und freuen wir uns“, betonte der EKD-Friedensbeauftragte.