Friedensarbeit ruft zum Schweigen der Waffen und zu Friedensverhandlungen auf
Christinnen und Christen müssten sich mit aller Kraft, mit tatkräftigem Engagement und mit intensivem Gebet für einen gerechten Frieden in der Welt einsetzen und dürften nicht hinnehmen, dass Menschen in Kriegen sterben und zur Flucht gezwungen würden. Dies machte der Friedensbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche (EKD), Landesbischof Friedrich Kramer, deutlich. In diesem Ziel seien sich Christinnen und Christen in der weltweiten Ökumene einig, doch über den Weg dahin würde es Uneinigkeit geben, so Friedrich Kramer vor der Konferenz für Friedensarbeit im Raum der EKD, die sich in Erfurt zu ihrer Jahrestagung traf.
Der EKD-Friedensbeauftragte nannte es dabei „unerträglich“, dass auch nach fast zwölf Monaten mitten in Europa immer noch ein imperialer Angriffskrieg tobe, dem immer mehr Menschen zum Opfer fallen würden. Auch wenn er die Ausübung und die Beförderung von Gewalt für unvereinbar mit der Nachfolge Christi halte, so sehe er aber auch, dass viele Christinnen und Christen dies in Kauf nehmen würden, weil sie den Menschen in der Ukraine helfen wollten und Gewalt als ultima ratio zulässig sei. Diesem Dilemma müssten sich Christinnen und Christen stellen. Doch Landesbischof Friedrich Kramer machte in Erfurt auch deutlich: „Wir sind nicht im Krieg mit Russland. Und ich halte es für gefährlich, sich in einen Krieg hineinzureden.“ Seiner Ansicht nach müsse alles getan werden, um zu einem Schweigen der Waffen und zu Friedensverhandlungen zu kommen.
Mit der Lieferung von schweren Kampfpanzern durch den Westen sieht Landesbischof Friedrich Kramer eine neue Eskalationsstufe mit unwägbaren Folgen erreicht. „Deutschland und die NATO werden damit klar zu relevanten Faktoren dieses Krieges, ohne allerdings konkrete Kriegsziele bestimmt zu haben“, mahnt der EKD-Friedensbeauftragte und sieht hier die Gefahr einer unkontrollierbaren Entgrenzung des Krieges. „Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass wir als Evangelische Kirche in Deutschland diese Diskussion intern wie öffentlich führen und eine differenzierte ethische Argumentation einklagen“, fordert der Landesbischof.
Der EKD-Friedensbeauftragte zeigte sich in Erfurt aber auch davon überzeugt, dass die Kirchen in diesem Krieg, ebenso in anderen Konflikten in der Welt eine Vermittlerrolle spielen könnten. „In Karlsruhe hat die weltweite Ökumene in ihrer Abschlusserklärung betont, dass Krieg nicht mit Gottes Natur und seinem Willen für die Menschheit vereinbar ist und gegen die grundlegenden christlichen und ökumenischen Prinzipien verstoße“, betonte Landesbischof Friedrich Kramer. Und er fügt hinzu: „Darum ist es richtig und wichtig, dass die Vertreterinnen und Vertreter der christlichen Kirchen in Karlsruhe die Kirchenleitungen in Russland wie auch in der Ukraine aufgefordert haben, ihre Stimmen zu erheben, um gegen die anhaltenden Tötungen, Zerstörungen, die Vertreibung von Menschen in der Ukraine klar Stellung zu beziehen.“
Bei der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Karlsruhe hätten die Vertreterinnen und Vertreter der Kirchen aber auch die Regierungen der Welt zu größeren Investitionen in die Suche nach und die Förderung von Frieden sowie zur Stärkung von Maßnahmen zur friedlichen Konfliktbewältigung und von Versöhnungsprozessen aufgerufen. „Dies ist auch eine Aufforderung an uns. In diesem Sinne müssen wir uns dafür einsetzen, dass wegen der höheren Verteidigungsausgaben nicht weniger Geld für Armutsbekämpfung, soziale Sicherung, Gesundheit, Bildung und Klimaschutz zur Verfügung steht“, unterstrich der EKD-Friedensbeauftragte in Erfurt.
Welche Folgen der Krieg in der Ukraine, aber auch die Konflikte in der Welt für die kirchliche Friedensethik hätten, damit werde sich die Friedenswerkstatt beschäftigen, die im vergangenen Jahr gebildet wurde und der neben Vertreterinnen und Vertreter der Konferenz für Friedensarbeit, der konfessionellen Bünde der EKD, der Synode und des Rats der EKD auch sicherheitspolitische Fachleute angehören.
„Hier wird es einen umfassenden Konsultationsprozess zu aktuellen friedensethischen Fragen geben, am Ende soll ein neuer friedensethischer Grundlagentext erarbeitet werden“, kündigte der EKD-Friedensbeauftragte in Erfurt an. Und auch dieses Papier solle dann von einer breiten Öffentlichkeit diskutiert werden. „Aus den ersten Diskussionen wissen wir, dass unsere Positionen stark variieren. Trotzdem ist das eine konstruktive und fruchtbare Auseinandersetzung, im Geist des Friedens auch über den Krieg und die Reaktionen darauf zu streiten, den Dialog zu suchen und gemeinsam zu ringen. Als Kirche können und müssen wir ein Vorbild dafür sein, wie mit dieser Vielstimmigkeit bis hin zu gegensätzlichen Sichtweisen konstruktiv umgegangen werden kann“, betonte Landesbischof Friedrich Kramer.
Die „Konferenz für Friedensarbeit im Raum der EKD“ trat im Januar 2009 zum ersten Mal zu ihrer jährlichen Tagung zusammen. Sie vernetzt die Arbeit aller relevanten Akteure aus der evangelischen Friedensarbeit und ermöglicht so eine breite Diskussion friedenspolitischer Entwicklungen und Strategien sowie die Abstimmung gemeinsamer Initiativen und Projekte. Die Konferenz will dabei Impulse an die leitenden Gremien der EKD und ihrer Gliedkirchen sowie für die Arbeit ihrer Mitglieder geben. Geleitet wird die Konferenz für Friedensarbeit im Raum der EKD vom EKD-Friedensbeauftragten. Die aktuelle Tagung findet im Augustinerkloster in Erfurt statt.