Evangelische Friedensarbeit: Nicht der Kriegslogik verfallen
Die Evangelische Friedensarbeit hat vor einer zunehmenden Kriegslogik in Deutschland gewarnt. Zum Amtsantritt des neuen Verteidigungsministers Boris Pistorius fordert die Evangelische Friedensarbeit, stattdessen den Blick auf eine zukünftige neue europäische Friedensordnung zu richten. Dazu gehöre auch die Frage, wie Russland in diese Ordnung künftig eingebunden werden könne.
„Bei allem berechtigten Entsetzen über den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands und angesichts der erforderlichen Unterstützung der Ukraine gerät die notwendige Perspektive aus dem Blick, dass Russland zwangsläufig Teil einer neuen europäischen Friedensordnung sein wird und zukünftig, auch mit Blick auf die Schuld Deutschlands im Zweiten Weltkrieg gegenüber den Völkern der Sowjetunion, neue, verstärkte Bemühungen um Völkerverständigung auch mit Russland erforderlich sein werden, selbst wenn diese derzeit kaum möglich erscheinen“, betont der Friedensbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Landesbischof Friedrich Kramer.
Stattdessen rücke nach Ansicht der Evangelischen Friedensarbeit immer stärker die Kriegslogik in den Vordergrund. „Es ist im Interesse der Rüstungsindustrie, dass vorhandene Waffen verbraucht und neue unter realen Bedingungen des Schlachtfeldes getestet werden. Der Zynismus ist kaum zu überbieten, dass dieser Industriezweig durch neue lukrative Aufträge und enorme Gewinne vom Krieg zu profitieren scheint“, beklagt Christine Busch, die Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF).
Die AGDF-Vorsitzende kritisiert in diesem Zusammenhang die deutsche Praxis der Rüstungsexporte, die immer großzügiger werde, was beispielsweise Lieferungen an Saudi-Arabien trotz dessen Beteiligung am Jemen-Krieg betreffe. „Das Rüstungsexportkontrollgesetz soll nach den am 13. Oktober vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegten Eckpunkten löchrig gestrickt werden, so dass neue Rüstungspartnerschaften und Exportinteressen der Industrie nicht beeinträchtigt werden, auch mit dem Ziel, dass, wie die ehemalige Bundesverteidigungsministerin es ausdrückte, deutsche Waffen für die Bundeswehr gut bezahlbar bleiben“, mahnt Christine Busch. Damit die Türkei als NATO-Partner wohlgesonnen bleibe, werde zudem großzügig über deren völkerrechtswidrige Militäreinsätze in vorwiegend von Kurdinnen und Kurden besiedelten Gebieten in Syrien und im Irak hinweg geschaut. Christine Busch: „So sinkt die moralische Glaubwürdigkeit einer wertebasierten Außenpolitik Deutschlands und seiner westlichen Partner immer weiter.“
Die Evangelische Friedensarbeit teilt die Einschätzung des neuen Bundesverteidigungsministers Boris Pistorius, dass Deutschland – indirekt – am Krieg in der Ukraine beteiligt ist. „Daraus ergibt sich eine große Verantwortung Deutschlands dazu beizutragen, dass der Krieg nicht weiter eskaliert, sondern ein Weg hin zu Friedensverhandlungen beschritten wird“, unterstreicht Jens Lattke, Vorstandsmitglied der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK). „In Kriegen kann es keine Sieger geben.“
„Es muss alles getan werden, damit bald wieder Frieden in Europa, in der Ukraine herrscht. Deutschland sollte alles dafür tun, dass Wege hin zu einem Waffenstillstand und Friedensverhandlungen eröffnet werden“, mahnt Landesbischof Friedrich Kramer. Dazu würde auch gehören, weiter Gesprächsmöglichkeiten über die Vereinten Nationen oder die OSZE auszuloten, „damit dieses schreckliche Sterben auf den Schlachtfeldern in der Ukraine ein Ende findet“, so der EKD-Friedensbeauftragte.