EAK besucht „spannendsten Ort“ der Berlin-Brandenburger Kirche
Für die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz ist sie derzeit der spannendste Ort der Landeskirche, wie deren Friedensbeauftragter Jan Kingreen es ausdrückt. Für viele Friedensbewegte ist sie einer der umstrittensten Orte überhaupt. Die Garnisonkirche in Potsdam. Genauer gesagt, ihr wieder aufgebauter Turm, der seit wenigen Tagen für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Bei ihrer Jahrestagung besuchte die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) bei ihrem landeskirchlichen Abend den Turm, um sich zu informieren, aber auch, um das Gespräch zu suchen.
„Wir wollen hier einen Ort schaffen für Demokratiebildung und Friedensarbeit, für die Auseinandersetzung mit der Geschichte, der eigenen, aber auch der Geschichte der Garnisonkirche. Und dabei die antidemokratische und militärische Tradition dieses Ortes nicht verschweigen“, macht Jan Kingreen deutlich.
Es ist in der Tat eine bewegte Geschichte, die diesen Ort prägt. Der preußische König Friedrich Wilhelm I., der „Soldatenkönig“, ließ die Kirche Anfang des 18. Jahrhunderts im Kontext des Ausbaus der Stadt als Residenz errichten. Sie wurde die Kirche der Potsdamer Garnison, sowohl lutherisch wie auch reformiert, und sie wurde zur Hofgarnisonkirche. Nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 wurden hier Fahnen der besiegten Armeen als Trophäen ausgestellt, sie wurde zu einem Symbol eines deutschnationalen, monarchistischen, reaktionären und militaristischen Preußentums.
Dies blieb die Kirche auch in der Weimarer Zeit, sie entwickelte sich zu einer Wallfahrtsstätte für Gegner der jungen Republik. Und die Nationalsozialisten nutzten 1933 die Kirche als symbolischen Ort, um diese antidemokratischen deutschnationalen, oft auch adeligen Gegner der Weimarer Republik abzuholen und die Verbindung von Nationalsozialismus mit Monarchie und Preußentum durch einen Staatsakt in Potsdam in der Garnisonkirche zu symbolisieren.
Auf diesen „Tag von Potsdam“ folgte im April 1945 die „Nacht von Potsdam“, als bei einem britischen Luftangriff auf die Stadt große Teile der Kirche zerstört wurden und schließlich nur noch der Turm und eine Außenwand des Seitenschiffs stehen blieb. Die Garnisonkirche war kein prägender Ort des Widerstands in der NS-Zeit, sie war allerdings der religiöse Ort eines Infanterieregiments, in dem sich viele Widerstandskämpfer befanden, wobei unbekannt ist, ob die Kirche hierfür eine Rolle spielte.
In der jungen DDR traf sich in der Turmkapelle eine junge Gemeinde, eher friedensbewegt und demokratie-interessiert. Doch mit der Entscheidung der SED-Spitze in Ost-Berlin, die Reste der Garnisonkirche zu sprengen, endete 1968 dieses Kapitel. Dort, wo das Kirchenschiff stand, wurde ein Datenrechenzentrum gebaut.
Schon vor dem Mauerfall gab es Bestrebungen im Westen, die Garnisonkirche wieder aufzubauen. Ein dem Rechtsextremismus nahestehender Oberst der Bundeswehr sammelte Millionen dafür. Nach der Wende gründete die evangelische Landeskirche eine Stiftung für den Wiederaufbau, um nicht ihm die Initiative zu überlassen. Aufgrund der reaktionären Forderungen des Bundeswehrobristen wurde auf dessen Geld verzichtet. 43 Millionen Euro kostete der Wiederaufbau des Turms, 24 Millionen kamen über Bundesmittel in die Kassen, fünf Millionen steuerten EKBO und EKD hinzu, dazu kamen viele Spenden und auch ein Darlehen. Begleitet wurde der Wiederaufbau des Turms von zahlreichen Protesten, weil viele hier befürchteten, dieser Ort könne zu einem neuen Symbolort für Rechtsextreme werden.
„Hier verdichten sich 300 Jahre deutscher Geschichte wie unter einem Brennglas“, meint Jan Kingreen mit Blick auf die Historie der Garnisonkirche. Darum sei es wichtig, dass hier ein Ort entstehe, der die Demokratiebildung und die Friedensarbeit in den Mittelpunkt stelle. „Dafür eignen sich auch die Geschichte des Wiederaufbaus und der Streit“, ist der Friedensbeauftragte der Landeskirche überzeugt.
Angesprochen darauf, wie verhindert werden könne, dass Rechtsextreme diesen symbolischen Ort für ihre Vorstellungen nutzen, unterstrich Jan Kingreen, dass eine Nutzung des Turms für rechtsextreme Zwecke durch die Hausordnung ausgeschlossen sei, auch am Turm selbst könnten keine Veranstaltungen ohne Zustimmung stattfinden. Und alle Nutzer der Räume im Turm seien verpflichtet, gegen Diskriminierung, Ausgrenzung, Rassismus und Antisemitismus einzutreten und sich für eine vielfältige Gesellschaft einzusetzen. Auch geschichtsrevisionistische Veranstaltungen seien in den Räumen im Turm nicht erlaubt.
Darum sei auch die Ausstellung zur Geschichte der Garnisonkirche im Turm ein Ort mit einem kritischen Blick auf dieses Gotteshaus und seine Tradition. „Dazu haben wir hier regelmäßig Veranstaltungen zu den Themen Krieg und Frieden sowie Demokratie. Und wir sind eine Nagelkreuzgemeinde“, betont der Pfarrer. Seine Idee: Hier soll der Diskurs ermöglicht werden. „Wir wollen hier Räume schaffen dafür und ins Gespräch kommen. Auch mit den Gegnern dieser Kirche“, so Jan Kingreen.
Die EAK-Mitglieder zeigten sich durchaus beeindruckt von dem Projekt, dennoch blieben bei vielen auch Zweifel und Skepsis, ob dafür der Wiederaufbau eines Teils der Kirche notwendig gewesen sei oder ob dies nicht auch an einem anderen Ort in Potsdam möglich wäre. „Schwerter zu Pflugscharen“, dieses Wort des Propheten Micha, das zu einem Symbol der Friedensbewegung in der DDR wurde, solle auch die Friedensarbeit im Turm der Garnisonkirche prägen, war der Wunsch von Julika Koch von der Nordkirche. Sie überreichte einen entsprechenden Aufkleber an Jan Kingreen. Und gemeinsam schloss der Besuch der EAK in Potsdam mit einer Andacht in der Nagelkreuzkapelle und mit Luthers „Verleih uns Frieden gnädiglich“.