Das Leitbild des gerechten Friedens

I. Gerechter Friede als Leitbild

Das Leitbild des gerechten Friedens bietet die thematisch geeignete Struktur für das Ziel auch der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR), Kirche des Friedens zu werden. Die EKiR hat in dem konziliaren Dreischritt „sehen, urteilen, handeln“ schon wichtige Herausforderungen dieses Leitbildes aufgegriffen. Akteure waren Gemeinden Kirchenkreise, die GMÖ-Regionen, die Landeskirche sowie in ihr ansässige Initiativen, Gruppen und ökumenische Netze Im Folgenden (II-V) thematisiere ich ausgewählte theologische, ethische und friedenspolitische Herausforderungen, die für die künftige Friedensarbeit der EKiR von leitendem Interesse sind. Sicher nicht alle können behandelt werden. Viele schon angenommene Aufgaben sind nicht genannt. Damit die thematische Struktur wirksam werden kann, müssen Funktionen und Instrumente (VI) zur künftigen Durchführung der tatsächlich ausgewählten Aufgaben geplant und organisiert werden.

Das Leitbild des gerechten Friedens hat sich aus dem konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung entwickelt. Die EKiR hat sich in ihrer Kirchenordnung (Artikel 1, Absatz 6) verpflichtet: „Sie tritt ein … für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung…“. Der konziliare Prozess wurde konkretisiert durch die Dekade zur Überwindung von Gewalt (2001 – 2010). Denn direkte, strukturelle und kulturelle Gewalt hatten sich als die stärkste Bedrohung des umfassenden kirchenreformerischen Prozesses erwiesen. Theologisch und friedenspolitisch führte der konziliare Prozess zu dem ökumeneweit mehrheitlich akzeptierten Leitbild des gerechten Friedens[1]. Die Formulierung dieses Leitbildes schloss die Dekade ab. Das war der zentrale Gegenstand der Internationalen ökumenischen Friedenskonvokation (IöFK) des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) im Mai 2011 in Kingston/Jamaika. Der dort vorgelegte „Ökumenische Aufruf zum gerechten  Frieden“ und das Begleitdokument dazu, beides Referenzpapiere für die X. Vollversammlung des ÖRK 2013 in Busan/ Republik Korea, definieren den gerechten Frieden. Auszüge:

Nr. 11 Im Bewusstsein der Grenzen von Sprache und Verstehen schlagen wir vor, gerechten Frieden als einen kollektiven und dynamischen, doch zugleich fest verankerten Prozess zu verstehen, der darauf ausgerichtet ist, dass Menschen frei von Angst und Not leben können, dass sie Feindschaft, Diskriminierung und Unterdrückung überwinden und die Voraussetzungen schaffen können für gerechte Beziehungen, die den Erfahrungen der am stärksten Gefährdeten Vorrang einräumen und die Integrität der Schöpfung achten.“

„Nr. 26 Gerechter Friede versteht sich ganzheitlich. Er ist nicht nur die Abwesenheit von Konflikten und Krieg, sondern ein Zustand des Wohlergehens und der Harmonie, in dem alle Beziehungen zwischen Gott, der Menschheit und der Schöpfung in guter Weise geordnet sind. Gerechter Friede ist mit der Herrschaft Gottes verbunden, um die wie bitten, wenn wir beten. „Dein Reich komme … wie im Himmel, so auf Erden“. [2]

Gemäß dem „Aufruf“ ist der gerechte Friede in folgenden Kontexten zu gestalten:

  1. Frieden in der Gemeinschaft – damit alle Menschen frei von Angst leben können
  2. Frieden mit der Erde – damit Leben erhalten bleibt
  3. Frieden in der Wirtschaft – damit alle in Würde leben können
  4. Frieden zwischen den Völkern – damit Menschenleben geschützt werden.

Der nach vorne offene Prozess des Leitbildes des gerechten Friedens kann scheitern oder Erfolg haben. In jedem Anwendungsfall bedarf es der Konkretisierung bei Analyse, Beurteilung und Handeln. um ihn in der Realität zu verankern. Abstrakte Ableitungen sind nicht wirksam. So kann es uns bei Berücksichtigung unserer beschränkten Fähigkeiten gelingen, um mit dem selbstkritischen Paul Oestreicher zu reden, „im Frieden eine gerechtere Welt zu bauen.“[3]  

Die X. Vollversammlung des ÖRK 2013 beschloss zur Implementierung des Leitbildes einen Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens“. Sie lud die Kirchen ein, ihn bis zur nächsten Vollversammlung praktisch und spirituell zu gehen. Schmerzpunkte und Kraftorte sollen an der Strecke liegen. Dabei können sich Menschen, Gruppen und Kirchen verändern. Auch gesellschaftliche Bewegung über die Kirchen hinaus kann entstehen. Eine „Kirche des Friedens“ taucht am Horizont auf.

Aus der Einladung des ÖRK zu dem Pilgerweg[4]:

„Durch die Teilhabe an Gottes Gabe der Einheit und Gottes Mission der Gerechtigkeit und des Friedens (missio Dei) wollen wir auf Gottes Willen für diese Welt antworten, indem wir Gemeinschaften der Gerechtigkeit und des Friedens werden und das Zusammensein dieser Gemeinschaften feiern.

Indem sie erklärten, „Wir wollen den Weg gemeinsam fortsetzen“ und alle Menschen guten Willens aufriefen, „sich der Pilgerreise anzuschließen“, reagierten die Delegierten der Vollversammlung in Busan auf eine neue Art und Weise auf die heutigen, kontextuellen Herausforderungen für das Zeugnis und das eigentliche Wesen der Kirchen, auf die Bedürfnisse der Menschen und der Schöpfung, die sich nach Gerechtigkeit und Frieden sehnen, und auf die Wahrnehmung vieler junger Menschen, die eifrig nach Zeichen der Hoffnung Ausschau halten.

Eine solche Verlagerung von einem statischen hin zu einem dynamischeren Verständnis von Einheit kann eine Herausforderung sein. Verschiedene theologische Traditionen und Kulturen verstehen und praktizieren das Konzept eines „Pilgerwegs“ unterschiedlich. Mit der Entscheidung, die Bezeichnung „Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens“ zu wählen, und nicht „zu Gerechtigkeit und Frieden“ oder „für Gerechtigkeit und Frieden“ hat die Vollversammlung in Busan schon begonnen, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Das Wort „Pilgerweg“ wurde gewählt, um auszudrücken, dass es sich um einen Weg mit einer tiefen spirituellen Bedeutung und mit hochtheologischen Konnotationen und Auswirkungen handelt. Als „Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens“ ist es weder ein Weg hin zu einem konkreten Ort auf der Landkarte, noch eine einfache Form des Aktivismus. Es ist sich vielmehr ein verwandelnder Weg, zu dem Gott aufgerufen hat, in Erwartung des letztlichen Ziels für die Welt, das der dreieinige Gott bewirkt. Die Bewegung der Liebe, die Teil des Wesens des dreieinigen Gottes ist, wird in der Verheißung von Gerechtigkeit und Frieden offenbar. Sie sind Zeichen des kommenden Reiches Gottes, das bereits im Hier und Jetzt sichtbar ist, wenn es Versöhnung und Heilung gibt.“

II.  Frieden in der Gemeinschaft – damit alle Menschen frei von Angst leben können

Krisen und Konflikte in Deutschland, Europa und insbesondere im Nahen Osten legen eine Intensivierung des interreligiösen Dialoges nahe, weil friedensschädliche religiöse fundamentalistische Strömungen die politische und friedensfördernde Wirkung beschränken. Dazu gehört aktuell die Beschäftigung mit den Friedenspotenzialen des Islam. Nach der Umfrage „Religionsmonitor“ der Bertelsmann-Stiftung 2014 empfinden 57 % der Menschen in Deutschland Angst vor dem Islam (2012: 53 %). In NRW, wo jeder dritte Muslim in Deutschland lebt, fühlen sich 46 % bedroht, in Thüringen und Sachsen, wo nur wenige Muslime leben, dagegen 70 %. Die Muslime fühlen sich durch die wachsende Ablehnung der Mehrheitsbevölkerung ausgegrenzt.[5]

Gefördert wird das Gefühl der Bedrohung durch das menschen- und kulturverachtende Handeln des „Islamischen Staates“ im Nordirak, Syrien und anderswo, durch dschihadistische Gewalt in Deutschland und Europa, u.a. gegen das Satire-Magazin „Charlie Hebdo“ in Paris. Kämpfer  und Attentäter in europäischen Ländern rekrutieren sich heute aus der einheimischen Bevölkerung. PEGIDA-Demonstrationen offenbaren die Islamfeindlichkeit von Teilen der Bevölkerung. Die bei uns lebenden Muslime orientieren sich in ihren Einstellungen und Lebensweisen jedoch ganz überwiegend an den Werten der Bundesrepublik. Christenmenschen müssen sich ihrerseits mit dem christlichen Fundamentalismus und ihrer eigenen Gewalteschichte auseinandersetzen.

Im Einzelnen stehen folgende Herausforderungen zur Auswahl, um zerstörte Gemeinschaft wiederaufzubauen:

  • Interreligiöser Dialog, insbesondere mit dem Islam

Die Kenntnis des Islam und die Auseinandersetzung mit ihm sind zu fördern, insbesondere den Teilen des Islam, die islamisch-religiös begründete Gewalt kritisieren. Das sind z.B. die über 120 islamischen Gelehrten in ihrem „Offenen Brief an Dr. Ibrahim ` Awwäd al Badri und an die Kämpfer und Anhänger des selbsternannten ‚Islamischen Staates’“ vom 27.9.2014 (www. Madrasah.de/at) u.a. mit der Aussage, der Islam verbiete die Tötung von Unschuldigen. Der islamische Theologe  Abdel-Hakim Ourghi (Freiburg) fordert, „mithilfe einer rationalen Lesart der islamischen Gewalt“ zu klären, wie islamischer Monotheismus und politisch motivierte Gewalt historisch zusammenhängen. „Das Erinnern an das Phänomen der Gewalt im Islam kann so zur Grundlage für einen Prozess kritisch-reflektierender Aufklärung werden, die in einen Diskurs über die Verpflichtung auf ein friedfertiges Miteinander der Religionen münden sollte“ (Süddeutsche Zeitung, 19.1.2015).

Konkret meint Ourghi die Phase der Entwicklung des Islam ab 624, als der Prophet nach seiner Flucht aus Mekka in Medina den Glauben mit dem Schwert zu verbreiten begann. Ähnlich argumentiert der Theologe Mouhanad Khorchide (Universität Münster) für eine liberale Lesart des Islam.  Auch die (sunnitische) Al-Azhar Universität in Kairo arbeitet an einer zeitgebundenen Interpretation des Islam – gegen eine buchstabengetreue Auslegung, so ihr Scheich Aschraf Saad (Generalanzeiger Bonn 12.1.2015).

  • Förderung der Friedenspädagogik

z.B. durch Veranstaltungen im Hackhauser Hof und der Rezeption der empirischen Forschung von Erica Chenoweth und Maria J. Stephan zum vergleichsweisen Erfolg gewaltförmiger und gewaltfreier Aufstände zwischen 1900 und 2006 in dem Buch „Why Civil Resistance Works. The Strategic Logic of Nonviolent Conflict“ (2011)[6],[7]

  • Friedensbildung an Schulen durch Kurse für Referenten/ Referentinnen
  • Migration, Asyl, Flüchtlinge (Fortbildung zur Willkommenskultur für Multiplikatoren, Runde Tische Flucht und Migration)
  • Geschlechterverhältnis
  • Medien und Medienmissbrauch
  • Partnerschaften der Gemeinden und Kirchenkreise.

III. Frieden mit der Erde – damit Leben erhalten bleibt

Der Klimawandel als eine globale Krise fordert zum globalen Lernen heraus. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) rief 2011 in seinem Hauptgutachten „Welt im Wandel: Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“[8] zu einem offenen wissenschaftlichen und gesellschaftlich-politischen Suchprozess auf. Er mutet den einzelnen Bürgern, gesellschaftlichen Gruppen und Trägern öffentlicher Verantwortung erhebliche Lern- und Umlern-Anforderungen zu. Sie sind  auch leistbar. Der WGBU fordert nicht weniger als einen Paradigmenwechsel von der fossilen zur postfossilen Gesellschaft. Die Wissenschaftler halten es für möglich, den Anstieg der durchschnittlichen Temperatur der durch die Nutzung fossiler Energieträger und den dadurch verursachten CO² - Emissionen auf 2 Grad zu begrenzen.

Über 30 Kirchen, kirchliche Werke und Organisationen, darunter die EKiR, haben sich in dem ökumenischen Prozess „Umkehr zum Leben – den Wandel gestalten“  zusammengeschlossen, um die „Große Transformation“ unter Christenmenschen voranzubringen. Eine Umkehr ist nötig. Denn: „Unser Entwicklungs- und Wirtschaftsmodell, das auf ständiges Wirtschaftswachstum setzt, ist nicht zukunftsfähig. Der Klimawandel schreitet beängstigend voran. Die Ressourcenknappheit wird spürbarer. Die Ernährungs- und Finanzkrise sind nicht überwunden. Und soziale Ungleichheit nimmt zu.“[9] 

Konrad Raiser hat in seinem Vortrag „Die Klimakrise als spirituelle Krise“ [10] am 20.2.2013 in der Evangelischen Hochschule Freiburg die Voraussetzung für die Bewältigung der Krise diskutiert. Er weist darauf hin, die nunmehr nötige Transformation übersteige die Reichweite der industriellen Revolution. Sie sei nur vergleichbar mit der neolithischen Revolution vor ca. 11.000 Jahren, als die Jäger- und Sammlerkulturen durch sesshafte Stammesgesellschaften abgelöst wurden. Zur Klimakrise habe auch der von unserer „christlichen Denktradition geprägte Anthropozentrismus in Verbindung mit dem von Allmacht und Herrschaft bestimmten Bild Gottes“ geführt.

Entscheidend für die zur Umkehr befähigende „transformative Friedensethik und Friedenstheologie“ sei es zu „erkennen, dass Gottes Mission bereits mit dem Akt der Schöpfung“ beginne. Die Mission Gottes sei auf das Leben der ganzen Schöpfung und nicht allein auf die Erlösung des Menschen ausgerichtet. .Die transformative Friedensethik und Friedenstheologie, die in dem Schöpfungsakt Gottes gründet, „verleiht unserem Leben seine tiefste Bedeutung. Auf unserem Weg des Lebens treibt sie uns an, motiviert und aktiviert uns.“ „Missionarische Friedensethik und Friedenstheologie … leistet Widerstand gegen alle Leben zerstörenden Werte und Systeme, wo immer sie in unserer Wirtschaft, unserer Politik und selbst in unseren Kirchen am Werk sind, und versucht, diese zu verwandeln. Die missionarische Friedensethik und Friedenstheologie treibt uns an, Gottes Ökonomie der Lebens und nicht dem Mammon zu dienen ….“[11]

Im Einzelnen stehen folgende Herausforderungen zur Auswahl, um zerstörte Erde wieder aufzubauen:

  • Mitwirkung im ökumenischen  Prozess „Umkehr zum Leben – den Wandel gestalten“
  • Klimawandel
  • Lebensstil, Konsumismus
  • Pilgerweg 2015 als geistlicher Beitrag zur Pariser Klimakonferenz

IV. Frieden in der Wirtschaft – damit alle in Würde leben können

Wirtschaftliche Ungerechtigkeit in Zeiten der Globalisierung ist in der Ökumene unter dem Stichwort „Wirtschaften für das Leben“ seit 2003 (Lutherischer Weltbund in Winnipeg) schon vor der Weltfinanzkrise 2008 heftig und kritisch diskutiert worden, sehr prägnant vom Reformierten Weltbund 2004 in dem Papier „Bekenntnis des Glaubens angesichts wirtschaftlicher Ungerechtigkeit und ökologischer Zerstörung“.[12]

Im Begleitdokument zum Aufruf „Gerechter Friede“ werden unterschiedliche Situationen zum Frieden in der Wirtschaft betrachtet, theologische und ethische Fragen beurteilt und mögliche Konsequenzen für das Leben und das Selbstverständnis der Kirchen gezogen. [13] 

Gemeinsam verabschiedeten VertreterInnen des ÖRK, der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WGRK) und des Rates für Weltmission 2012 in Sao Paulo/Brasilien die Erklärung „Transformation des Internationalen Finanzwesens für eine Wirtschaft im Dienst des Lebens“ [14] als Entwurf für eine alternative globale Finanz- und Wirtschaftsarchitektur. Als Kriterien dafür wurden genannt: Überwindung der Gier, soziale Inklusion, Geschlechtergerechtigkeit und ökologische Gerechtigkeit, Hoffnung, Friedensethik und Friedenstheologie und Ökonomie. Als Sofort- und mittelfristige Maßnahmen wurden z.B. aufgeführt: Alternative Indikatoren für wirtschaftliches Wohl, Regulierung des Finanzsektors, Finanztransaktionssteuer, Sicherung des Zugangs zu grundlegenden Finanzdiensten für arme und marginalisierte Gruppen, Anlage- und Nachhaltigkeitspolitik, Steuerprogression, Beseitigung von Steuerhinterziehung und –Umgehung.

Die Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland beschloss 2008 das Projekt „Wirtschaften für das Leben“ (Beschluss 68). . Bearbeitet wurden theologische und ethische Fragen, insbesondere zu den Anfragen der Kirchen des Südens nach einem gemeinsamen Bekenntnis bzw. der Klärung des eigenen Bekenntnisses im processus confessionis und die ökumenische Auseinandersetzung um das Konzept der „Transformation“. Im Jahre 2014 wurde das Projekt von der Landessynode beendet (Beschluss 18).[15]

Inhaltlich verband die Synode die wirtschaftlichen Probleme der Globalisierung mit den globalen Umweltveränderungen unter dem Stichwort „Große Transformation“ (siehe Punkt III). Die Aufgabe der Klärung des eigenen Bekenntnisses mündete in den Text „Auf dem Weg zu einem Leben in Fülle“, der die Barmer Theologische Erklärung von 1934 zu ihrem 80. Jahrestag als theologische Zeitansage würdigt.

Im Einzelnen stehen folgende Herausforderungen zur Auswahl, um zerstörte ökonomische Verhältnisse wiederaufzubauen:

  • ethisches Investment
  • Kapitalismuskritik
  • Solidarische Ökonomie
  • Erlassjahr
  • Clean Cloths
  • Themenfeld Frieden – Entwicklung – Sicherheit
  • Konzept zur Einführung des „Grünen Hahn“

V. Frieden zwischen den Völkern – damit Menschenleben geschützt werden

Die Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung  (AKUF) der Universität Hamburg stellte fest, dass 2013 dreißig Kriege und bewaffnete Konflikte geführt wurden, vier weniger als 2012. 2014 traten zwei neue Kriege auf. 1,5 Mrd. Menschen auf dieser Erde leben in fragilen und von Gewalt geprägten Ländern leben.[16] Über 50 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Ursachen dafür sind nicht nur Krieg und bewaffnete Konflikte, sondern auch Klimaschäden, wirtschaftliche Not und Elend, Unbildung, Pandemien wie Ebola. Mehr Menschen müssen aus anderen Gründen als durch Krieg und bewaffnete Konflikte sterben.

Wir lernen: Das Verständnis von Krieg hat sich gewandelt. Wir müssen neue Formen von Krieg und bewaffneten Konflikten in unser Denken einführen. Das klassische Verständnis von Krieg als eines militärischen Kampfes der Armeen von völkerrechtlichen Subjekten (Staaten), das dem Gewaltverbot des Art. 2 Abs. 4 der Charta der Vereinten Nationen unterliegt und sich aus dem westfälischen Frieden von 1648 ableitet, ist nicht mehr vollständig aktuell. Zu unterscheiden sind nach AKUF Antiregime-Kriege, Autonomie- und Sezessionskriege, zwischenstaatliche Kriege und Dekolonisationskriege und sonstige Kriege[17].

Am Bespiel des Krieges in der Ukraine müssen wir uns mit der schon bekannten Form des hybriden Krieges befassen, also einer Kriegführung unterhalb des staatlich erklärten, offenen Einsatzes von Gewaltmitteln durch irreguläre, informationstechnische sowie mediale Kriegsführung, neuerdings ausgeführt auch durch Cyberangriffe (frühere Beispiele: USA mit Contra-Rebellen in Nicaragua, Mudschaheddin in Afghanistan und Computerwürmern gegen Irans Atomanlagen).

Das ist ein Anlass, die christlichen Traditionen zum Umgang mit Gewalt auf ihre praktische und spirituelle Kraft zu prüfen. Die christlichen Traditionen, auf Gewalt zu reagieren, sind

  • der unbedingte Pazifismus,
  • die Tradition des legitimierten oder begrenzten Gewalteinsatzes,
  • die Tradition der „heiligen Gewalt“ (fundamentale Gewalt).

Den Anforderungen des gerechten Friedens können Christenmenschen gerecht werden als grundsätzliche Pazifisten oder solche, die Pazifismus argumentativ oder aus Verantwortung heraus begründen. Die „heilige Gewalt“ führt nicht zum gerechten Frieden.  Ein grundsätzlicher, persönlich begründeter Pazifismus, der auf aktives Tun drängt, und solcher aus Argumentation oder Verantwortung schließen sich zwar gegenseitig aus. Sie können nicht zusammengeführt werden (Aporie). Aber in Zusammenarbeit können sie Stärke und Wirksamkeit entfalten, weil sie auf dasselbe Ziel hin gerichtet sind[18].

In der EKiR sollten wir unsere Kräfte aus grundsätzlichem Pazifismus und argumentativ begründeten Pazifismus im Sinne einer prima ratio für Gewaltfreiheit bündeln und nicht gegeneinander ausspielen. Pazifistisch inspirierte Politik muss am konkreten Fall entwickelt werden. Individuell begrenzte, abstrakte und idealistische Positionierungen zeigen politische Hilflosigkeit an. Gewaltfreiheit ist mehr als Anti-Militarismus. Gewaltfreiheit muss politisch gedacht werden.[19]

Im Einzelnen stehen folgende Herausforderungen zur Auswahl, um zerstörten Frieden wieder aufzubauen:

  • Fortentwicklung der Friedensethik der EKD (z.B. zur „rechtserhaltenden Gewalt“)
  • Zukunft des Konzeptes der Responsibility to protect (Schutzverantwortung)
  • Idee des just policing.
  • kritische Begleitung der Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung (Russland- und Ukraine-Krise, neue Entspannungspolitik mit dem Ziel gemeinsamer Sicherheit)
  • Abschaffung der Atomwaffen, Entfernung der Atomwaffen aus Deutschland (Büchel)
  • Umgang mit dem IS, Boko Haram usw.
  • Rüstungsexporte und Wirtschafts-, Außen- und Sicherheitspolitik, Kampagne gegen Kleinwaffen, militärisch – industrieller Komplex
  • Erhaltung der Voraussetzungen eines liberalen Staates (Schutz des Gewaltmonopols von demokratischen Staaten) ,
  • Erneuerung des UN-Systems
  • Förderung der zivilen Krisenprävention und der zivilen Bearbeitung von Konflikten.

Fußnoten

[1] Evangelische Kirche im Rheinland (Hrsg.), Ein gerechter Friede ist möglich –Argumentationshilfe zur Friedensarbeit, Düsseldorf , 2005

[2] Konrad Raiser, Ulrich Schmitthenner (Hg.), Ein ökumenischer Aufruf zum Gerechten Frieden. Begleitdokument des Ökumenischen Rates der Kirchen. Mit Anhang, LIT-Verlag, 2. Auflage, 2013, S. 9 ff 

[3] Paul Oestreicher, Über die Unmöglichkeit des gerechten Friedens, in: Ines-Jaqueline Werkner, Dirk Rademacher (Hg.), Menschen geschützt – gerechten Frieden verloren? Kontroversen um die internationale Schutzverantwortung in der christlichen Friedensethik, LIT-Verlag, 2013, S. 78/79.

[4] http://www.oikoumene.org/de/was-wir-tun/pilgerweg-der-gerechtigkeit-und-des-friedens?set_language=de (Zugriff 26.2.2015)

[5] www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen (Zugriff 9.2.2015)

[6] http://belfercenter.ksg.harvard.edu/files/IS3301_pp007-044_Stephan_Chenoweth.pdf), siehe auch

[7] Susanne Luithlen, Unwirksam und hilflos? Zivile Konfliktbearbeitung als Handlungsprinzip in eskalierten Gewaltkonflikten, ZFD impuls, Band 6, ForumZFD, Köln, 2014, S. 11

[8] http://www.wbgu.de/hauptgutachten/hg-2011-transformation/ (Zugriff 28.2.2015)

[9] Broschüre „Umkehr zum  Leben – Den Wandel gestalten. Ökumenischer Prozess für eine zukunftsfähige sozial und klimagerechte Welt, Koordination Deutschland, Werkstatt Ökonomie Heidelberg, Januar 2013

[10] http://woek.de/web/cms/front_content.php?idcat=258 (Zugriff 28.2.2015)

[11] http://www.emw-d.de/fix/files/Gemeinsam_fuer_das_Leben_-_Mission_Evangelisation_wandelnde_Kontexte.pdf (Zugriff 28.2.2015) Absatz 29/30

[12] Vgl. die von Kairos Europa e.V., Heidelberg, veröffentlichten Textsammlungen „Wirtschaft(en) im Dienst des Lebens, Von Winnipeg 2003 über Accra 2004 nach Porto Alegre 2006“,Januar 2005, und Wirtschaft(en) im Dienst des Lebens‚ Alternative Globalisierung im Dienst von Menschen und Erde- AGAPE-Hintergrunddokument zur 9. Vollversammlung des ÖRK in Porto Alegre 2006, April 2005

[13] Konrad Raiser, Ulrich Schmitthenner (Hg.), Ein ökumenischer Aufruf zum Gerechten Frieden. Begleitdokument des Ökumenischen Rates der Kirchen. Mit Anhang, LIT-Verlag, 2. Auflage, 2013, S.78 ff 

[14] http://wcrc.ch/de/die-sao-paulo-erklarung/ (Zugriff 28.2.2015)

[15] http://www.ekir.de/www/downloads/DS_18_Wirtschaften_fuer_das_Leben.pdf (Zugriff 28.2.2015)

[16] Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Entwicklung für Frieden und Sicherheit, BMZ-Strategiepapier 4/2013, S. 7

[17] www.wiso.uni-hamburg.de/fachbereiche/sozialwissenschaften/akuf/...

[18] Evangelische Kirche im Rheinland (Hrsg.), Ein gerechter Friede ist möglich – Argumentationshilfe zur Friedensarbeit, Düsseldorf, 2005, S.9 ff

[19] Joachim Garstecki, Gewaltfreiheit politisch denken, Anstöße zur Friedensarbeit in Ost und West 1981 – 2012, herausgegeben von Heinz-Günther Stobbe, LIT, 2013, S. 35