Bundeswehr plant neue Militärjustiz

Anlässlich der Abstimmung des Entwurfs eines „Gesetzes für einen Gerichtsstand bei besonderer Auslandsverwendung der Bundeswehr“ am 11. Mai 2012 im Bundesrat (Drs. 174/12 v. 30.03. 2012, Top 32 der Sitzung) unterstreicht der Vorstand der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz e.V. die bereits geäußerten Bedenken gegen dieses Gesetzesvorhaben:

Mit dem am 28. März 2012 vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf eines „Gesetzes für einen Gerichtsstand bei besonderer Auslandsverwendung der Bundeswehr“ [1] soll ein neuer bundesweit zuständiger Gerichtsstand geschaffen werden. Ziel sei es, bei den Richtern und Staatsanwälten „Erfahrung zu bündeln“: „In Zukunft werden bei Straftaten von Soldaten nur noch die Juristen entscheiden,die sich mit den Abläufen von Auslandseinsätzen und Auslandsermittlungen auskennen.“ Damit würden „langwierige Zuständigkeitsprobleme“ beendet, so die Bundesministerin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,die als bayerische Bundestagsabgeordnete der FDP gegenwärtig das Bundesministerium für Justiz leitet.

Bedenken von juristischen Fachverbänden

Drei juristische Fachverbände kommen in eingehenden Stellungnahmen zu einer gänzlich anderen Bewertung dieses Sachverhalts: Die Neue Richtervereinigunglehnt einen „neuen Gerichtsstand“ ab, der Deutsche Richterbund sieht dafür „keinen Bedarf“ und der Deutsche Anwaltverein bewertet das Gesetzesvorhaben als „unnötigen Aktionismus“.[2]

Der Vorsitzende der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz, Ludwig Baumann, und der Vorsitzende ihres wissenschaftlichen Beirats, Prof. Dr. Manfred Messerschmidt, äußerten in einem Schreiben an die Vorsitzenden aller Bundestagsfraktionen „Sorge und Unverständnis“ überdie beabsichtigte Einführung einer Sondergerichtsbarkeit für Militärangehörige. „Angesichts der Verbrechen, die in der NS-Zeit von der Wehrmachtjustiz begangen worden sind, wäre sie (=die Einführung) u.E. ein Beispiel für mangelndes Lernen des Gesetzgebers aus der Geschichte: Es würde die sehr späte gesetzliche Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz relativieren und damit auch zugleich die zivile Gerichtsbarkeit desavouieren.“ Mitte Dezember 2011 hatte bereits die Mitgliederversammlung der Bundesvereinigung nach eingehender Beratung appelliert, „eine neue Militärgerichtsbarkeit in Deutschland zu verhindern.“

Reaktionen der Politik

Diesem Appell voraus ging das Votum des Senatspräsidenten und Bremer Bürgermeisters Jens Böhrnsen (SPD), der anlässlich eines Empfangs versichert hatte, „es wird mit uns in Deutschland keine neue ‚Sondergerichtsbarkeit‘ mehr geben.“[3]

Vorstand, Mitglieder und Freunde der Bundesvereinigung sehen der Abstimmung über dieses Gesetzesvorhaben mit skeptischer Erwartung entgegen: Wird sie doch als ein Signal gedeutet werden können für die weitere parlamentarische Beratung durch den Deutschen Bundestag, der als Gesetzgeber in letzter Instanz darüber befindet, ob das jahrzehntelange Bemühen um einen deutschen Wiedereinstieg in die Militärjustiz [4] 2012 zu einem so fragwürdigen wie bedenklichen Abschluss kommen oder erneut klar und deutlich zurückgewiesen wird.

Anmerkungen:

1 Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justizvom 28. März 2012, der Referentenentwurf des BMJ (der als Bundestagsdrucksache (am 16.04.2012) noch nicht vorliegt und alle weiteren zitierten Dokumente sind auf der Website www.bv-opfer-ns-militaerjustiz.denachlesbar in den Rubriken >Stellungnahmen<, siehe auch >Presseberichte<
2 Dokumente im Wortlaut nachlesbar auf der Seite: http://www.bv-opfer-ns-militaerjustiz.de/index.php?page=stellungnahmen
3 http://www.senatspressestelle.bremen.de/sixcms/detail.php?id=46858
4 Rolf Surmann, Militärjustiz: Aus alt mach neu? Blätter für deutsche und internationale Politik, Heft 4/2012, S. 20-23; im web unter: http://www.bv-opfer-ns-militaerjustiz.de/uploads/Dateien/Stellungnahmen/surm1204.pdf g Opfer der NS-Militärjustiz e.V., Bremen; web-Redakteur http://www.bv-opfer-ns-militaerjustiz.de/