BITTGOTTESDIENST FÜR DEN FRIEDEN 2015

25 Jahre ist es her, dass eine Hoffnung in aller Munde war: „Friedensdividende“ nannte man das damals . Gemeint war die Umwidmung der horrenden Ressourcen, die während des Kalten Krieges in militärische und atomare Aufrüstung geflossen waren. Hunger und ökologische Zerstörung sollten ein Ende haben, anstelle von Soldatinnen und Soldaten sollten Friedensarbeiterinnen und Friedensarbeiter in die Welt gesandt werden und das Ringen um Interessen – so dachte man damals – sollte endlich friedlich im Rahmen von gestärkten und wirklich demokratischen „Vereinten Nationen“ geschehen. Die Jüngeren unter uns werden heute die Naivitä ihrer Eltern belächeln; wie konnten sie damals nur glauben, dass Träume tatsächlich das Material für Wirklichkeit sein könnten? Ja: Eine GRENZE war es, die man am 19. August 1989 mit einer Blechschere nahe der ungarischen Stadt Sopron während eines Picknicks durchschnitten und damit den Todesstreifen vom Nordkap bis Aşgabat zahnlos gemacht hatte. Eine GRENZerfahrung war es, als in Berlin eine Mauer fiel und in Rumänien ein Diktatorenehepaar mit dem Hubschrauber vom Dach des Präsidentenpalastes fliehen musste. Und die Grenzerfahrung heute? Ich brauche nicht zu wiederholen, was Ihnen die Nachrichtenkanäle in Echtzeit präsentieren: ...dass die Außengrenze Deutschlands – nun mehr ohne Innengrenze – weit hinaus verlegt worden ist ins Mittelmeer. Aber auch die Bilder, die bisher nicht denkbare Grausamkeiten des Daaisch – bei uns bekannt als sogenannter „Islamischer Staat“ (IS) – gegen Menschen und Kulturerbe medial aufbereitet in unsere Wohnzimmer tragen, zeugen von einer Grenze: wo 1916 im Geheimen Franzosen und Engländer ihre Einflusssphären mitten auf den arabischen Ölfeldern abGRENZten, wütet heute die Gewalt. Gott mutet uns die GRENZerfahrungen offenbar zu, die positiven wie die negativen, die persönlichen wie die politischen. Und wenn diese Grenzerfahrungen sich – wie in diesem Jahr 2015 – manchmal zur Bedrohungserfahrung verdichten, wandelt sich die Friedensdekade von einem jährlich wiederkehrenden thematischen Angebot zu DEM Ort, wo wir als Christinnen und Christen diese verdichteten Grenzerfahrungen vor Gott bringen – individuell, aber auch und gerade in der Gemeinde. Wo sonst wäre der Raum, der Resonanzboden und die Vertraulichkeit für die sorgsame Bildung des Gewissens, wenn nicht im Gebet und im Gespräch. Wo sonst könnte die Entscheidung reifen, in einem Rüstungsbetrieb zu arbeiten oder nicht, sich um Flüchtlinge zu sorgen, als Soldat in einer Armee zu kämpfen oder den Kriegsdienst zu verweigern? 2015 – was für ein Jahr! Ich danke an dieser Stelle allen, die die Ökumenische FriedensDekade vor bereiten oder durchführen und an ihr teilnehmen. Ich grüße Sie herzlich mit dem Gruß des großen GRENZüberschreiters des 13. Jahrhunderts, des Giovanni Berdone, später Franciscus de Assisi: Pace e Bene – Frieden und Gutes!