Zweifel am Bundeswehreinsatz in Mali wachsen

Essen, Berlin (epd). Die Zukunft der Bundeswehrmission in Mali wird immer ungewisser. Nach Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) äußerte nun auch Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) Zweifel an dem Einsatz in dem westafrikanischen Krisenland. „Wir müssen sehr genau und sehr zeitnah prüfen, wie unser Engagement dort weiterhin aussehen kann“, sagte sie den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Montag). „Es ist keineswegs selbstverständlich, dass wir uns weiter in Mali engagieren.“ Derweil rechtfertigte die EU die Fortsetzung ihrer Ausbildungsmission in Mali.

Etwa 1.000 deutsche Soldaten beteiligen sich an der UN-Mission Minusma, die unter anderem den Schutz der Bevölkerung zum Ziel hat. Rund 100 weitere Soldaten sind im Rahmen der EU-Ausbildungsmission EUTM in Mali stationiert. Die Mandate für beide Einsätze müssen bis Ende Mai verlängert werden. Von einem möglichen Abzug der Bundeswehr wären auch 57 malische Ortskräfte des Verteidigungsministeriums und 16 lokale Beschäftigte des Auswärtigen Amtes betroffen.

Seit einem Putsch 2020 sind die politischen Rahmenbedingungen der beiden Einsätze zunehmend komplizierter geworden. Zuletzt wurde die malische Übergangsregierung international kritisiert, nachdem sie angekündigt hatte, die für Februar vorgesehenen Wahlen um bis zu fünf Jahre zu verschieben. Berichte über die Präsenz russischer Söldner in Mali sorgen ebenfalls für Unmut. Gleichzeitig wendet sich die malische Übergangsregierung von den europäischen Militärmächten im Land ab. Der französische Botschafter wurde nach Kritik ausgewiesen, einem Bundeswehr-Airbus wurden die Überflugrechte verweigert.

Es sei nicht mehr sicher, dass die Bundeswehr im Land erwünscht sei, sagte Lambrecht. Unterstützung bleibe aus. So erschwerten Auflagen der Behörden, dass Aufklärungsdrohnen fliegen dürften, die für die deutschen Soldaten einen erheblichen Schutz bedeuteten. Die Bundesregierung stimme sich derzeit umfassend und intensiv mit den Verbündeten ab und werde dem Bundestag einen entsprechenden Vorschlag machen, wie es mit dem Bundeswehrmandat weitergehen soll. „Aufgrund der aktuellen Lage muss ich aber sehr infrage stellen, ob wir uns weiter engagieren können“, sagte Lambrecht. Vergangene Woche hatte bereits Außenministerin Baerbock Zweifel an dem Einsatz geäußert.

Die EU rechtfertigte unterdessen die Fortsetzung ihrer Militärmission EUTM, bei der malische Sicherheitskräfte ausgebildet werden. Die Europäische Union wolle den Kampf gegen den Terrorismus in der Sahelregion „zusammen mit den betroffenen Ländern“ weiterführen, erklärte eine Sprecherin in Brüssel. Zugleich sei die EU dabei, die Missionen zu bewerten, „und wir werden zu einem späteren Zeitpunkt sehen, was geschehen wird“. Am Freitag hatte die EU Einreisesperren und das Einfrieren von Vermögen als Sanktionen gegen fünf führende Vertreter des malischen Regimes verhängt, darunter Ministerpräsident Choguel Maïga.

Hintergrund:

Es ist ein riskanter Einsatz, der politisch immer heikler wird: Etwa 1.100 deutsche Soldatinnen und Soldaten sind in Mali für die Blauhelme und eine EU-Ausbildungsmission im Einsatz. Weil die Militärregierung die für Februar angekündigten Wahlen zuletzt um bis zu fünf Jahre verschoben hat und sich von westlichen Verbündeten wie Frankreich und Dänemark abwendet, wird der Einsatz in Deutschland zunehmend kritisch diskutiert. Dabei agiert die Bundeswehr in Mali innerhalb eines komplexen Geflechts internationaler Militärmissionen. Ein Überblick:

*MINUSMA: Um das Land zu stabilisieren, beschloss der UN-Sicherheitsrat 2013 die Entsendung von Blauhelmsoldaten nach Mali. Nach einem Militärputsch im Jahr 2012 hatten mehrere bewaffnete Gruppen, darunter Islamisten, Teile des Nordens übernommen. Zwar konnten sie zunächst vor allem mit Hilfe französischer Truppen zurückgedrängt werden, doch Gewalt, Instabilität und Terror halten an. Ziel der UN-Mission ist unter anderem der Schutz der Zivilbevölkerung und die Überwachung eines Friedensabkommens, das einige Rebellengruppen und die Regierung 2015 unterzeichnet hatten.

Insgesamt sind etwa 13.000 Blauhelmsoldaten in Mali stationiert. Mit 260 getöteten Soldaten ist Minusma der derzeit gefährlichste Friedenseinsatz der Vereinten Nationen. Nach zwei weiteren Militärputschen in den vergangenen eineinhalb Jahren sind die politischen Rahmenbedingungen der Mission noch komplizierter geworden.

*EUTM: Ebenfalls im Jahr 2013 beschloss die EU die Gründung einer Ausbildungsmission für die malischen Sicherheitskräfte. Vor allem dieser Einsatz gilt als ineffektiv, weil die malische Armee immer noch in einem schlechten Zustand ist und nicht für Sicherheit im Land sorgen kann. Nach der jüngsten Machtergreifung des Militärs vom Mai 2021 geriet der Einsatz international in die Kritik, weil unklar war, inwiefern die Putschisten von der Ausbildung profitiert hatten.

*BUNDESWEHR: Die Bundeswehr ist mit etwa 1.100 Soldaten an Minusma und EUTM beteiligt. Nach dem Abzug aus Afghanistan gilt Mali als das gefährlichste Einsatzland deutscher Soldatinnen und Soldaten. Bei einem Attentat im Juni vergangenen Jahres wurden zwölf deutsche Blauhelme verletzt. Von einem möglichen Abzug der deutschen Soldatinnen und Soldaten wären auch 57 malische Ortskräfte (Stand: November 2021) betroffen.

*BARKHANE: Barkhane ist eine Militärmission Frankreichs in der Sahel-Region. Die Mission mit etwa 4.800 Soldaten (Stand: Dezember 2021) wurde 2014 ins Leben gerufen und folgte auf die Operation Serval. Bei Barkhane handelt es sich um einen Kampfeinsatz, bei dem französische Soldatinnen und Soldaten gegen islamistische Gruppen in der Region vorgehen. Außer Mali umfassen die Einsatzländer die ehemaligen französischen Kolonien Mauretanien, Niger, Tschad und Burkina Faso.

Wegen zunehmender Konflikte mit der Militärregierung wird auch in Frankreich über einen Abzug der Truppen aus Mali diskutiert. Nach Einschätzung des Leiters des Regionalprogramms Sahel der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, Ulf Laessing, würde ein solcher Schritt dschihadistischen Gruppen in Mali weitere Rückzugsräume eröffnen und damit auch den Blauhelmeinsatz Minusma erschweren.

*TAKUBA: Im März 2020 erklärte ein Bündnis europäischer Staaten die Gründung einer Eingreiftruppe von Spezialkräften, um die Operation Barkhane zu unterstützen. Daran beteiligt sind neben Frankreich unter anderen Estland und Tschechien. Die bis zu 800 Soldaten der Takuba-Mission sind vor allem in der Region Liptako aktiv, die sich über Mali, Burkina Faso und Niger erstreckt. Ende Januar gab Dänemark den Abzug seiner Truppen bekannt. Zuvor hatte die malische Regierung erklärt, diese seien ohne Einladung im Land.

*RUSSISCHE SÖLDNER: Auch Söldner des russischen Wagner-Konzerns sollen inzwischen in Mali stationiert sein. Beobachter gehen von 300 bis 500 Kämpfern der Kreml-nahen Truppe aus. Die malische Regierung spricht von Ausbildern. Die Präsenz der Söldner, die unter anderem auch in der Zentralafrikanischen Republik zum Einsatz kommen, ist ein Zeichen dafür, dass die malische Regierung sich zunehmend von der immer unbeliebter werdenden ehemaligen Kolonialmacht Frankreich entfernt. Ein Abzug des Westens aus Mali würde auch den Spielraum der russischen Söldner vergrößern.