Wo Deutschland die Menschenrechte besser schützen muss

Berlin (epd). Das Deutsche Institut für Menschenrechte sieht im Umgang mit Klimaprotesten und propalästinensischen Demonstrationen die Versammlungsfreiheit gefährdet. Institutsdirektorin Beate Rudolf äußerte am Montag in Berlin ihre Sorge über „die hasserfüllte öffentliche Auseinandersetzung und übermäßige staatliche Reaktionen“ auf friedliche Sitzblockaden der Klimabewegung. Zugleich bezeichnete sie lang andauernde Verbote propalästinensischer Proteste als „hoch problematisch“. Vorschläge aus der Politik, die Versammlungsfreiheit für Ausländerinnen und Ausländer abzuschaffen, kritisierte Rudolf bei der Vorstellung des Menschenrechtsberichts 2023 scharf.

Das Institut sieht nach eigenen Angaben eine „besorgniserregende Einschränkung der Versammlungsfreiheit“. Friedliche Versammlungen müssten hingenommen werden, auch wenn dabei der Verkehr gestört werde, heißt es mit Blick auf Aktionen von sogenannten Klima-Klebern der Aktivistengruppe „Letzte Generation“. Die von Bayern und anderen Bundesländern verhängte Präventivhaft sei nur als letztes Mittel zur Verhinderung von Gewaltakten zulässig. „Eine Präventivhaft gegen Menschen, die die Allgemeinheit stören, aber friedlich ihre Versammlungsfreiheit ausüben, verstößt gegen Menschenrechte“, sagte Rudolf.

Mit Blick auf Demonstrationen propalästinensischer Gruppen warnte sie vor einem Generalverdacht. Es sei sehr schnell zu Verboten gegriffen worden, kritisierte sie. Die Bekämpfung von Antisemitismus dürfe zudem nicht Rassismus befeuern.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte wird vom Bundestag finanziert.

Nachfolgend ein Überblick:

ASYLSUCHENDE: Deutliche Kritik gibt es an der aktuellen Debatte über den Umgang mit Flüchtlingen und Migranten. Ein Verstoß gegen Deutschlands grund- und menschenrechtliche Verpflichtungen wäre es nach Bewertung von Institutsdirektorin Beate Rudolf, wenn Sozialleistungen für Asylsuchende auf null gesenkt würden. Solche Vorschläge nannte sie „inakzeptabel“ und betonte: „Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.“

GEWALT GEGEN FRAUEN: Betroffene von häuslicher Gewalt erhalten nicht genügend Schutz. So fehlten laut Jahresbericht bundesweit rund 15.000 Familienplätze in Frauenhäusern, während die Zahl der Anzeigen steigt. Nachbesserungen sind den Angaben nach auch im Asyl- und Aufenthaltsrecht nötig, vor allem, wenn das Aufenthaltsrecht einer Frau von dem des gewalttätigen Ehemanns abhängt. Das Menschenrechtsinstitut ruft die Bundestagsabgeordneten auf, diese Schutzlücken im aktuellen Gesetzgebungsverfahren zum zweiten Migrationspaket zu schließen.

POLIZEI: Die Bundes- und Landespolizeien gehen laut Bericht zu lax mit sensiblen Daten zu Hautfarbe, vermeintlicher ethnischer Herkunft oder Sprache um. Da auch die polizeiliche Datenverarbeitung dem Verbot rassistischer Diskriminierung unterliegt, dürften solche Daten nur in absoluten Ausnahmefällen verarbeitet werden und seien besonders zu schützen. Bund und Länder werden aufgerufen, im Datenschutzrecht und Polizeirecht genaue Voraussetzungen für die Verarbeitung sensibler Daten zu schaffen.

VERSAMMLUNGEN: Bei Protesten der Klimaschutzbewegung „Letzte Generation“ muss das Recht auf Versammlungsfreiheit gewahrt bleiben. So fallen auch Sitzblockaden laut Bericht unter den Schutz der Versammlungsfreiheit, selbst wenn der Verkehr gestört wird. Präventivhaft ist nur zur Verhinderung schwerwiegender Gewalt verhältnismäßig. Der Bericht verweist darauf, dass dieses Instrument eingeführt wurde, um terroristische Anschläge zu verhindern. Vorschläge, die Versammlungsfreiheit für Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit abzuschaffen, stehen laut Rudolf indes „im eklatanten Widerspruch“ zum Grundgesetz und zur Europäischen Menschenrechtskonvention.

WAHLALTER: Die Bundesregierung wird aufgerufen, einen Gesetzentwurf zurHinweis: Absenkung des Wahlalters bei Bundestagswahlen auf 16 vorzulegen. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP heißt es: „Wir wollen das Grundgesetz ändern, um das aktive Wahlalter für die Wahl zum Deutschen Bundestag auf 16 Jahre zu senken.“

WOHNRAUM: Es gibt zu wenige bezahlbare, barrierefreie Wohnungen. In den kommenden Jahren soll die Versorgungslücke Prognosen zufolge auf mehr als zwei Millionen Wohnungen anwachsen. Das Menschenrechtsinstitut empfiehlt, dass Bund und Länder bei der sozialen Wohnraumförderung nur noch barrierefreie Wohnungen bezuschussen. Bei Neubauprojekten sollten Länder ferner sicherstellen, dass Mindestzahl für barrierefreie Wohnungen nicht unterlaufen werde.