"Widerlich und abscheulich"

Chemnitz/Dresden (epd). "Da läuft etwas sehr verkehrt in Sachsen": Nach neuer Hetze gegen Flüchtlinge in Sachsen brachte die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), am Sonntag auf den Punkt, was viele Politiker in Bund und Ländern empfanden. Die versuchte Blockade einer Flüchtlingsunterkunft in Clausnitz und die unverhohlene Schadenfreude von Schaulustigen über den vermutlich absichtlich gelegten Brand eines Asylheims in Bautzen lösten Empörung und Fassungslosigkeit aus. 

Wer unverhohlen Beifall klatsche, wenn Häuser brennen, handele "abscheulich und widerlich", twitterte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sieht in Sachsen "Schwellen des Anstands und Rechts überschritten". Auch Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) bezeichnete die Vorfälle in Clausnitz und Bautzen als "widerlich und abscheulich": "Das sind keine Menschen, die sowas tun. Das sind Verbrecher", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montagsausgaben). 

Sein Bundesland geriet am Wochenende nicht zum ersten Mal in den Mittelpunkt der Debatte um fremdenfeindliche Straftaten. Wiederholt hatten in Sachsen Flüchtlingsunterkünfte gebrannt. Neu ist diesmal der offene Jubel darüber. Wie die Polizei mitteilte, kommentierten Anwohner während der Löscharbeiten in der Nacht zum Sonntag "das Brandgeschehen mit abfälligen Bemerkungen und unverhohlener Freude". Drei Personen versuchten, die Arbeit der Feuerwehr zu behindern. Nach ersten Erkenntnissen geht die Polizei von Brandstiftung aus. Wie sie am Nachmittag mitteilte, wurden Brandbeschleuniger in dem Gebäude entdeckt.

Dieses Verhalten nur wenige Tage nach den Schlagzeilen über einen Mob, der im mittelsächsischen Clausnitz den Einzug von Flüchtlingen in eine Unterkunft zu verhindern versuchte, ließen CDU-Vize-Chef Armin Laschet nach eigenen Angaben "erschaudern". "In Bautzen und Clausnitz ist die Integration mancher Deutscher in unsere Leitkultur, die für Humanität, Respekt und Anstand steht, gescheitert", sagte Laschet der "Welt".

Bei allem Entsetzen fühlen sich in Sachsen aber auch die bestätigt, die seit langem kritisieren, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit seien "hausgemacht", wie es SPD-Vertreter am Wochenende erneut formulierten. Bestätigt sehen sie sich unter anderem durch das Verhalten der Chemnitzer Polizei, die wegen des Einsatzes in Clausnitz am Wochenende selbst in die Kritik geriet. 

Im Internet kursierte ein Video, das zeigt, wie ein Polizist gewaltsam einen Flüchtlingsjungen vom Bus in das Haus bringt. Der Chemnitzer Polizeipräsident Uwe Reißmann wies die Kritik zurück und erhob stattdessen Vorwürfe gegen die Flüchtlinge selbst, die wegen der angespannten Situation in Clausnitz mehr als zwei Stunden im Bus ausharren mussten, bevor sie sicher in die Unterkunft gelangen konnten. Die Asylsuchenden hätten mit Gestikulieren aus dem Bus die Stimmung verschärft, sagte er am Samstag. "Einfacher Zwang" zur Räumung des Busses sei notwendig geworden. Er sprach auch von Ermittlungen gegen Flüchtlinge.

Staatsministerin Özoguz äußerte sich empört: "Ein Mob brüllt ausländerfeindliche Parolen und verhindert die Fahrt eines Busses mit Flüchtlingen zur Unterkunft und die Polizei kündigt Ermittlungen gegen die Flüchtlinge im Bus an." Die Grünen in Berlin wollen das Thema auf die Tagesordnung des Bundestags bringen. Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann teilte mit, dass sie eine Aktuelle Stunde beantragen wolle.

Für Empörung sorgten zudem Berichte, wonach der Leiter des Asylheims in Clausnitz AfD-Mitglied ist. Der sächsische Linksfraktionsvorsitzende Rico Gebhardt forderte, es müsse sorgfältiger geprüft werden, mit wem die staatliche Verwaltung bei der Flüchtlingsunterbringung zusammenarbeitet. Auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck forderte in diesem Punkt Aufklärung.