Welternährungsprogramm errichtet Luftbrücke nach Afghanistan

Berlin, Genf (epd). Angesichts der humanitären Notlage in Afghanistan plant das Welternährungsprogramm (WFP) eine Luftbrücke zur Versorgung bedürftiger Menschen. Die Flugzeuge sollen zwischen der pakistanischen Hauptstadt Islamabad und Kabul pendeln, wie WFP-Exekutivdirektor David Beasley in der Nacht auf Donnerstag mitteilte. In Berlin drang das Hilfswerk „Brot für die Welt“ darauf, über humanitäre Zugänge nach Afghanistan zu verhandeln. Man dürfe das Land nicht im Stich lassen, sagte Präsidentin Dagmar Priun.

Am Donnerstag gingen die Flüge aus Kabul weiter, mit denen die westlichen Staaten eigene Staatsbürger, Ortskräfte und von den Taliban bedrohte Menschen aus dem Land holen. Die Bundeswehr sieht zugleich dem Ende dieser Evakuierungsoperation entgegen.

„Sobald die Evakuierungen beendet sind, bleiben wir mit einer riesigen humanitären Notlage zurück“, sagte der Notfalldirektor der WHO, Richard Brennan, dem arabischen Sender Al-Dschasira. „Alle humanitären Organisationen haben in den vergangenen Wochen Schwierigkeiten gehabt, Hilfsgüter in das Land zu bekommen.“ Laut UN sind mehr als 18 Millionen Afghaninnen und Afghanen auf Nothilfe angewiesen, etwa eine Million Kinder schwebt in der Gefahr, in nächster Zeit zu verhungern.

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) forderte mehr Geld für die Versorgung der Vertriebenen. Mit 24 Millionen US-Dollar wolle man die Hilfe aufstocken, unter anderem für die Hunderttausenden Menschen, die in den vergangenen zwei Monaten zur Flucht gezwungen wurden. Am wichtigsten seien Unterkünfte, Wasser, Gesundheitsversorgung und Lebensmittel.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie drang derweil auf einen „starken Beitrag“ Deutschlands bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus Afghanistan. „Wenn wir der Erzählung treu bleiben wollen, dass unsere Freiheit und Sicherheit am Hindukusch verteidigt wird, dann müssen wir dort gerade jetzt auch die Menschenwürde verteidigen“, sagte er der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (Donnerstag). Auch das Bündnis zur Unterstützung von Flüchtlingen, Seebrücke, forderte eine weitere Aufnahme von gefährdeten Afghaninnen und Afghanen. „Deutschland trägt Verantwortung für diese Menschen und muss dieser gerecht werden“, erklärte es.

Am Donnerstag versuchten die westlichen Staaten nach Worten von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) „fieberhaft“ weiter, Menschen über Militärflüge aus dem Land zu bringen. Gleichzeitig wachse sowohl für die Menschen am Flughafen als auch für die Soldatinnen und Soldaten die Gefahr durch Terroranschläge. Konkrete und ernst zu nehmende Drohungen gibt es nach ihren Worten vom IS. „Wir befinden uns jetzt in der sicherlich hektischsten, in der gefährlichsten, in der sensibelsten Phase“, sagte Kramp-Karrenbauer.

Die Sicherheitslage schränke die Möglichkeiten für Evakuierungen weiter ein. An Menschen in Kabul ging den Angaben zufolge vom Auswärtigen Amt die Warnung, nicht mehr an den Flughafen zu kommen, unter anderem weil es zu gefährlich ist. Das Zeitfenster für die Operation schließe sich, sagte Kramp-Karrenbauer, ohne einen konkreten Zeitpunkt zu nennen. Die USA, die derzeit den militärischen Teil des Kabuler Flughafens kontrollieren, wollen bis Dienstag das Land verlassen. Das bestimmt auch über den Abzug der anderen Nationen.

Am Donnerstagmorgen wurden noch einmal rund 150 Menschen per Bundeswehrflug aus dem Land gebracht. Die deutschen Streitkräfte brachten damit seit Montag vergangener Woche mehr als 5.200 Menschen aus dem Land. Alle Staaten gemeinsam evakuierten laut US-Regierung etwa 95.700 Menschen.

Die Journalisten-Organisation „Reporter ohne Grenzen“ kritisierte unterdessen die Ausweisung von Journalisten aus Afghanistan durch das US-Militär. Der Organisation sei sehr wohl bewusst, dass die Lage am Flughafen Kabul chaotisch sei, „dennoch muss es für Medienschaffende möglich sein, über das Geschehen vor Ort zu berichten“, sagte eine Sprecherin dem epd. Am Mittwochnachmittag hatte unter anderem der stellvertretende Chefredakteur der „Bild“-Zeitung, Paul Ronzheimer, auf Twitter mitgeteilt, dass das US-Militär ihn und zehn weitere internationale Journalisten „unter Androhung von Militärpolizei“ gezwungen habe, ein Flugzeug nach Doha (Katar) zu nehmen.