Was der Krieg hinterlässt
Essen (epd). Starr ist sein Blick, soweit man die Augen unter dem Helm überhaupt erkennen kann. Das Gewehr hält der Soldat der US-Marine fest in der Hand. Der Betrachter des Fotos kann erahnen, dass der Mann, der im Vietnamkrieg vom Kriegsfotografen Don McCullin abgelichtet wurde, Schreckliches erlebt haben muss. Die Grausamkeiten selbst sind auf dem Bild aber nicht zu sehen. Genau darin liegt die Aussagekraft der neuen Ausstellung "Conflict, Time, Photography" im Essener Folkwang Museum: Sie zeigt Bilder über den Krieg, ohne die Brutalität in allen Einzelheiten darzustellen.
Fotografien
Von Freitag an bis zum 5. Juli sind in dem Essener Museum Bilder von 35 Fotografen von Kriegen und Konflikten rund um den Globus zu sehen. Entgegen der üblichen Bilder mitten aus dem Krieg gehe es "um die Spuren, die der Krieg hinterlassen hat, um die Nachwirkungen, die Erinnerungen und nicht zuletzt um die Verletzungen, die Menschen, Häuser und Landschaften erlitten haben", sagte der stellvertretende Museumsdirektor Hans-Jürgen Lechtreck bei der Vorstellung der Schau.
Folgen von Kriegen
Gezeigt werden Bilder, die unmittelbar nach einem Kampf oder aber Tage, Monate oder Jahrzehnte später aufgenommen wurden. Die ältesten stammen aus dem Jahr 1855, vom damaligen Krimkrieg, die jüngsten Aufnahmen sind 2013 in Westflandern an Orten entstanden, an denen fahnenflüchtige Soldaten im Ersten Weltkrieg erschossen wurden.
Ethik des Kriegsjournalismus
Schon im Krimkrieg (1853-1856) stellte sich die Frage, wie es Fotografen im Krieg mit der Wahrheit halten. Denn es bestehen bis heute Zweifel, ob es wirklich so viele Kanonenkugeln waren, die vor der russischen Stellung in Sewastopol gelegen haben - oder ob das Foto manipuliert wurde.
Um die wirklichen Folgen des Irakkrieges deutlich zu machen, reiste die französische Fotografin Sophie Ristelhueber 1991 in die Golfregion. Ihre Bilder, auf einer großen Leinwand zusammengestellt, deuten mit Einschusslöchern, Gefechtsgräben und brennenden Ölfeldern das Ausmaß an Schaden an, den der Krieg hinterlassen hat. Die fatalen Folgen der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki haben japanische Fotografen zum Thema gemacht und ihre Eindrücke von traumatisierten Menschen und zerstörter Landschaft ins Bild gesetzt.
An den Bürgerkrieg im Libanon in den 70er Jahren erinnern die gezeigten Fotos zahlreicher Automotoren. Der Konflikt wurde vor allem mit Autobomben geführt. In Nordirland herrschte während der jahrzehntelangen Unruhen Angst und Schrecken, wie die Bilder von Gesichtern der Menschen aus damaliger Zeit zum Ausdruck bringen.
Die Ausstellung war bereits in der Londoner Tate Modern Galerie zu sehen. Für die Schau im Folkwang Museum wurde die Präsentation um Fotos erweitert, die die Zerstörungen nach dem Zweiten Weltkrieg in Essen und umliegenden Städten zeigen. Fotografen aus der ganzen Welt reisten damals an, um die Industrielandschaft, die in Schutt und Asche lag, festzuhalten.
Persönliche Schicksale
Der damalige Essener Lokalreporter Willy van Heekern gehörte zu den Fotografen, die nicht nur die zerstörten Industrieanlagen ablichtete, sondern auch an dem persönlichen Schicksal der Menschen interessiert war. Besonders eindrucksvoll sind Fotos aus einer Wohnung, in der Bomben keinen Stein auf dem anderen gelassen haben. "Uns kommt es mit der Ausstellung darauf an zu zeigen, wie aus individueller Geschichte eine Gesamthistorie wird", sagte der stellvertretende Museumsleiter Lechtreck.
Von Köln ist auf den Fotos kaum etwas wiederzuerkennen, alles scheint in Schutt und Asche gelegt worden zu sein. Dass der Krieg aber den Überlebenden nicht alle Lebensfreude genommen hat, lässt sich an einer Fotografie aus dem Jahre 1949 ausmachen: Damals wurde mitten in Trümmern wieder Karneval gefeiert.
Autor: Theo Körner