Waffenruhe macht Hoffnung auf Frieden in Äthiopien

Seit zwei Jahren bekämpfen sich die äthiopische Zentralregierung und Rebellen. Hunderttausende Menschen mussten fliehen, Millionen von Frauen, Männern und Kinder sind auf Hilfe angewiesen. Nun sollen die Waffen vorerst schweigen.

Nairobi/Pretoria (epd). Nach knapp zwei Jahren Bürgerkrieg in Äthiopien gibt es Hoffnung auf Frieden. Bei Gesprächen in Südafrika einigten sich Gesandte der äthiopischen Regierung und der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) auf eine sofortige Waffenruhe, wie die Vermittler der Afrikanischen Union am Mittwochabend bekannt gaben. International wurde die Einigung begrüßt. Die Vereinten Nationen, die EU und auch die Bundesregierung äußerten sich hoffnungsvoll. Offen ist, ob die eritreischen Truppen, die an der Seite der Zentralregierung kämpfen, aus der nördlichen Tigray-Region abziehen.

Nach tagelangen Verhandlungen, aus denen zunächst nichts nach außen drang, hatten sich die Zentralregierung und die TPLF am Mittwoch darauf geeinigt, gemeinsam Voraussetzungen für einen anhaltenden Frieden zu schaffen. Dazu gehören die Wiederherstellung von grundlegenden Dienstleistungen wie Telefonnetz und Internet-Zugang, aber auch das Versprechen, Vorfälle aus dem Krieg zu verfolgen. Die Parteien sichern außerdem zu, Zivilisten zu schützen, und verurteilen ausdrücklich jede Form von sexueller Gewalt, vor allem gegen Frauen und Mädchen. Für Tigray soll demnach wieder die äthiopische Verfassung gelten.

UN-Generalsekretär António Guterres bezeichnete das Abkommen als „kritischen ersten Schritt“ und mahnte zugleich weitere Verhandlungen „im Geiste der Versöhnung“ an. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mahnte alle Konfliktparteien an, unmittelbar Zugang für humanitäre Hilfe in Tigray zu ermöglichen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mahnte eine rasche Umsetzung an.

Der Krieg in der nördlichen Krisenregion begann im November 2020. Hintergrund war ein Streit um die Macht zwischen der Zentralregierung unter Premierminister und Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed und der lange in Tigray regierenden TPLF. Die Regierungstruppen werden aktiv aus dem Nachbarland Eritrea unterstützt. Auch paramilitärische Einheiten aus anderen äthiopischen Regionen sind an dem Konflikt beteiligt. Der Krieg weitete sich mit der Zeit auf weitere Regionen des Vielvölkerstaates Äthiopien aus und führte zu einer humanitären Katastrophe.

Der Konfliktforscher Gerrit Kurtz bezeichnete die Einigung vom Mittwoch als „substanzielles Abkommen“, das viele Beobachter nach den Verzögerungen bei den Verhandlungen so nicht erwartet hätten. Zugleich komme es nun auf die Umsetzung an, sagte der Äthiopien-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dabei sei vor allem die Präsenz eritreischer Truppen in der umkämpften Tigray-Region eine Herausforderung. Zwar gebe es in dem Abkommen Hinweise, dass der Einsatz von externen Kräften verboten sei. „Aber der Abzug der eritreischen Truppen wird nicht explizit erwähnt.“

Auf lange Sicht brauche es einen politischen Dialog und Friedensverhandlungen, sagte Kurtz. Dabei müssten auch die Menschenrechtsverbrechen, die allen Konfliktparteien vorgeworfen werden, aufgearbeitet werden. „Das ist jetzt erst mal nur ein Waffenstillstand, das ist noch kein Friedensvertrag“, betonte der Experte.

Der Bürgerkrieg in Äthiopien zählt zu den tödlichsten Konflikten der Welt. Laut Schätzungen der Denkfabrik „International Crisis Group“ wurden Zehntausende Menschen getötet. Millionen von Menschen haben nicht genug zu essen, Hunderttausende Menschen sind nach UN-Angaben auf der Flucht. Laut Amnesty International wurde Vergewaltigung als Kriegswaffe eingesetzt. Eine Expertengruppe der Vereinten Nationen kam zu dem Schluss, dass auch Hunger eine Kriegsstrategie der Regierung war. Die Zentralregierung in Addis Abeba hat immer wieder Hilfslieferungen in die Region blockiert.