Vom Kiffer zum Konvertiten

Bremen (epd). Polizei und ein privater Sicherheitsdienst beobachten die Gäste, die in den bald voll besetzten Saal der "Strandlust" strömen. In dem Hotel direkt an der Weser in Bremen-Vegesack herrscht an diesem Montagabend Ausnahmezustand. Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat zu einer Lesung mit Dominic Schmitz (29) eingeladen. Der junge Mann aus dem nordrhein-westfälischen Mönchengladbach ist gekommen, um über seinen ganz persönlichen Kampf zu berichten. Denn bis vor wenigen Jahren missionierte der einst überzeugte Salafist für seinen muslimischen Glauben und hetzte gegen die "Ungläubigen".

Damit war Schmitz einer von bundesweit mehr als 8.500 Menschen, die die Bundesregierung dieser radikalen Gruppierung des Islam zurechnet. Eine Zahl, die stetig steigt: 2011 waren es 3.800, zwei Jahre später 5.500. Auch Bremen gilt mit etwa 360 Anhängern als Salafisten-Hochburg. Im Bundesdurchschnitt sind etwa zehn Prozent von ihnen Konvertiten mit deutschen Wurzeln. Wie der einstmals katholische Junge vom Niederrhein, der sich fortan Musa Almani nannte. 

Vor elf Jahren ging Schmitz noch im weißen wallenden Gewand, mit Bart und Gebetskappe oder Turban durch die Straßen seiner Heimatstadt Mönchengladbach. Damals glaubte er noch, "dass der schlechteste Muslim immer noch besser sei als der beste Ungläubige".

In den Strudel der Salafisten geriet Schmitz mit 17 Jahren - durch einen muslimischen Freund, der nach einem Urlaub in Marokko als Strenggläubiger zurückkam. In Gesprächen sei der Freund immer wieder auf den Glauben zurückgekommen und dass er sich unendlich glücklich fühle, den einzig wahren Herrn gefunden zu haben.

Der Freund hinterließ Eindruck, da er weg war "von den Drogen, vom Alkohol, vom Partyleben, von der Abzieherei hin zu einem gottgefälligen Leben". Auch die anderen Salafisten, die der junge Deutsche kennenlernte, prägten ihn. "Diese Männer nahmen mich ernst, hörten mir zu", erinnert sich Schmitz. "Die redeten von Gott, als würden sie abends mit ihm Teetrinken. Sie kamen mir erleuchtet vor, und das wollte ich auch sein. Wissen wollte ich nicht - nur glauben."

Der kiffende Jugendliche, der nach der Trennung seiner Eltern ab seinem fünften Lebensjahr mit Problemen zu kämpfen hatte, spürte Halt und Hoffnung - "und das Gefühl, etwas zu bedeuten". Zu seinen neuen Vorbildern zählten nun Menschen wie Sven Lau und Pierre Vogel, beide ebenfalls Konvertiten und extremistische Prediger. Schmitz sagt, er habe ein Leben führen wollen, wie der Religionsstifter Mohammed es gelebt haben soll: spartanisch, enthaltsam, freigebig. Der junge Mann ging auf Pilgerfahrt nach Mekka, missionierte auf der Straße und auf der Videoplattform YouTube, teilte die Welt in Schwarz und Weiß. 

Doch die Zweifel wuchsen. Er habe irgendwann gespürt, auf welch tönernen Füßen diese einfachen Argumentationsketten standen, sagt Schmitz: "Denken ausschalten, null Kompromisse, den Propheten 1:1 in all seinen Handlungen kopieren." Aber damals sei er einsam gewesen und schnell zu begeistern, schwach und unsicher.

Irgendwann brachte er den Mut auf, Dinge zu hinterfragen, bestärkt durch einzelne Menschen außerhalb der salafistischen Szene, die ihn so nahmen, wie er war. Zum anderen war es die persönliche Freiheit und die Freiheit der Gedanken, die er zunehmend vermisste. Doch der Weg raus aus dem Salafismus war lang: "Der Einstieg hat drei Monate gedauert, der Ausstieg mehr als drei Jahre."

Dominic Schmitz alias Musa Almani gab seinen muslimischen Glauben nicht auf, aber seine extreme Gesinnung. In seinem Buch "Ich war ein Salafist" beschreibt er seinen Weg zum Salafismus und seine Abkehr davon. Auf seinem YouTube-Kanal "MusaAlmani" muss er sich dafür heute etwa als Heuchler und "Supermarktmuslim" beschimpfen lassen. 

Noch sind Aussteiger aus der Salafisten-Szene eine Seltenheit. Zumal solche, die sich wie Schmitz aus eigener Kraft aus einem extremistischen Netzwerk lösen. Damit Jugendliche gar nicht erst in den Salafismus abtauchen, kommt es nach Einschätzung von Schmitz vor allem auf das Elternhaus an. "Liebe und Interesse zeigen, das Selbstwertgefühl der Kinder stärken." Heute ist für Schmitz klar: "Wer glücklich ist, stark und selbstsicher, braucht keine Ideologie, die ihm sagt, dass du besser bist als andere."