Vereinte Nationen laden zum ersten Humanitären Weltgipfel nach Istanbul

Genf (epd). Kaum ein Tag vergeht ohne neue Schreckensmeldung: von den Kriegen in Syrien, Irak und Südsudan über Erdbeben und Stürme wie in Nepal oder den Philippinen bis hin zu den Dürren in vielen Teilen Afrikas. Rund 125 Millionen Opfer der Konflikte und Naturkatastrophen brauchen jeden Tag Hilfe zum Überleben. Niemals zuvor seit dem Ende des Ende des Zweiten Weltkriegs war laut UN die Not auf dem Globus so groß: "Wir sind Zeuge der größten humanitären Krise unseres Zeitalters", warnt UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. 

Angesichts der Not lädt Ban für Montag und Dienstag zu einem zweitägigen Gipfel nach Istanbul. Es wird der erste "Humanitäre Weltgipfel" in der mehr als 70-jährigen Geschichte der Vereinten Nationen. Besondere Aufmerksamkeit dürfte dem Gastland Türkei und Präsident Recep Tayyip Erdogan zuteilwerden: Einerseits nimmt die Türkei eine Vorbildfunktion ein. Kein anderer Staat beherbergt mehr Flüchtlinge als die Türkei. Andererseits führt Ankara einen harten Feldzug gegen kurdische Separatisten, die pauschal als Terroristen gebrandmarkt werden - und musste sich deshalb auch von hochrangigen UN-Funktionären harsche Kritik anhören.

Istanbul wird ein riesiger Workshop der humanitären Fragen. Die mehr als 5.000 Teilnehmer, darunter eine Reihe von Staats- und Regierungschefs wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), sollen über alle Facetten der Krise beraten. "Das reicht von der Einhaltung des humanitären Völkerrechts und der humanitären Prinzipien über Vertreibung, die Vorsorge bei Naturkatastrophen bis hin zur Rolle lokaler Akteure, insbesondere Frauen und junge Leute", sagt Organisationschef Antoine Gérard. 

Die Vereinten Nationen wollen die anwesenden Staatenlenker darauf verpflichten, eine "Agenda der Humanität" in das Zentrum ihrer Politik zu rücken. Vor allem sollen die Politiker alles daran setzen, alte Konflikte zu beenden und neue erst nicht entstehen zu lassen.

Ein anderes Thema soll ebenfalls zur Sprache kommen: das Geld - und die mangelnde Spendenbereitschaft der Reichen. Im vergangenen Jahr brauchten die Vereinten Nationen und ihre Partner knapp 20 Milliarden US-Dollar, um die Opfer von Gewalt und Naturkatastrophen mit Lebensmitteln, Wasser, Medikamenten, Zelten und anderen Hilfsgütern zu versorgen. Allerdings kamen 2015 nur rund zehn Milliarden US-Dollar in die Kassen der Helfer. 

Deutschland will in Istanbul für eine stabile Finanzierung werben: "Deutschland macht sich seit langem für einen Paradigmenwechsel in der humanitären Hilfe stark", erklärt die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler. "Weg von bloßer Reaktion auf eingetretene Katastrophen hin zu vorausschauendem Agieren und längerfristiger Planung und Mittelbereitstellung." Konkret sollen die Geberländer finanzielle Zusagen über einen längeren Zeitraum machen.

Deutschland trägt seit Jahren zur Linderung der Not in großem Umfang bei. Die Bundesrepublik steuerte 2014 rund 1,2 Milliarden US-Dollar für humanitäre Hilfe bei und war somit der viertgrößte Geber. Die Nummer eins waren 2014 die USA mit sechs Milliarden US-Dollar, gefolgt von den EU-Institutionen und Großbritannien mit jeweils 2,3 Milliarden US-Dollar.

Auch die Hilfsorganisationen wollen in Istanbul Vorschläge auf den Tisch legen und für neue Strategien werben. So fordert etwa die Diakonie Katastrophenhilfe, vermehrt auf Bargeldtransfers als Instrument zu setzen. Diese Transfers stärkten die Würde und Handlungsfähigkeit der Betroffenen, sie seien bedarfsgerechter und flexibler als Hilfsgüterlieferungen. "Vorgepackte Hilfspakete entsprechen der Kultur und den Standards der Helfer, nicht unbedingt denen der Hilfeempfänger", unterstreicht die Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe, Cornelia Füllkrug-Weitzel. Die Betroffenen würden damit zu passiven Empfängern, kritisiert die Theologin.