Unions-Politiker fordern Pflichtjahr für alle Schulabgänger

Berlin/Essen (epd). Die von CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer ins Gespräch gebrachte mögliche Wiedereinführung einer Dienst- oder Wehrpflicht stößt in der Union auf Zustimmung. In einer gemeinsamen Initiative forderten die Junge Union (JU) und die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Union (MIT) die Einführung eines "verpflichtenden Gesellschaftsjahres" für alle Schulabgänger aus, wie die "Bild am Sonntag" berichtete. Die Mehrheit der Deutschen befürwortet einer Umfrage zufolge eine Wiederaufnahme der seit sieben Jahren ausgesetzten Wehrpflicht.

Dem Vorschlag von JU und MIT zufolge sollen Schulabgänger selbst entscheiden, ob sie das Pflichtjahr bei der Bundeswehr oder in einer sozialen Einrichtung absolvieren. "Wir leben in einem wunderbaren, einem wohlhabenden Land", sagte JU-Chef Paul Ziemiak der Zeitung. "Ein Gesellschaftsjahr gibt die Möglichkeit, etwas zurückzugeben und gleichzeitig den Zusammenhalt im Land zu stärken."

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Thomas Strobl unterstützte den Vorschlag. Es gehe ihm dabei nicht nur um die Bundeswehr und sicherheitspolitische Fragen, sagte Strobl den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). Junge Menschen sollten die Möglichkeit bekommen, ihren Dienst auch in sozialen, ökologischen oder kulturellen Einrichtungen zu leisten, in Deutschland oder in anderen Ländern. "Das könnte für viele junge Frauen und Männer unheimlich gewinnbringend sein - ein Abenteuer, eine Schule des Lebens." Auch der Reservistenverband der Bundeswehr begrüßte die Idee.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach signalisierte ebenfalls Unterstützung. "Ich finde den Gedanken grundsätzlich nicht falsch", sagte er. "Weil die Union damals die Wehrpflicht überstürzt abgeschafft hat und damit auch der Zivildienst wegfiel, fehlen in vielen sozialen Einrichtungen diese Kräfte." Ablehnend äußerte sich dagegen der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner. Statt einen "Zwangsdienst" einzuführen, solle freiwilliges Engagement stärker gefördert werden, sagte er dem Berliner "Tagesspiegel" (Montag). Stegner warf der Union vor, sie wolle den Personalnotstand in der Pflege und bei der Bundeswehr "auf dem Rücken den jungen Generation" bekämpfen.

Skeptisch zeigte sich auch der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD). "Eine allgemeine Dienstpflicht für Männer und Frauen ist verfassungsrechtlich im Moment nicht möglich. Das fällt unter das Verbot der Zwangsarbeit." Nur über das Wiederaufleben der Wehrpflicht könne man junge Frauen und Männer erfassen, die entweder ein Jahr Dienst bei der Bundeswehr oder ersatzweise in sozialen Einrichtungen ableisten. 

Die Linkspartei sprach sich ebenfalls gegen den Vorstoß aus. "Einen Pflichtdienst oder ein Pflichtjahr lehne ich ab, insbesondere wenn es darum geht, personelle Notstände in der Bundeswehr, in der Pflege oder in sozialen Bereichen zu verringern", sagte der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch der "Welt" (Montag). "Pflichtdienste sind vergangenes Jahrhundert."

Kritisch äußerte sich auch der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband. Die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht "wäre mit enormen Verfassungshürden verbunden und würde auch internationales Recht bis hin zu den Menschenrechten berühren", sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Montag). Statt solche "Gespensterdebatten" zu führen, müsse der Bundesfreiwilligendienst attraktiver gemacht werden.

In einer Umfrage des Online-Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der Funke Mediengruppe sprachen sich 55,6 Prozent von insgesamt 5.046 Befragten für eine Wiederaufnahme der Wehrpflicht aus. 39,6 Prozent antworteten ablehnend: 27 Prozent der Befragten wollen "auf keinen Fall" eine Wiedereinführung, 12,6 Prozent antworteten mit "eher nein". 

Die Wehrpflicht war zum 1. Juli 2011 ausgesetzt worden. Sie besteht zwar weiter, seitdem werden aber keine Wehrpflichtigen mehr zum Dienst an der Waffe eingezogen.