UN: Lage in Aleppo schlimmste auf der Welt

Genf/New York (epd). Die humanitäre Lage in der umkämpften syrischen Stadt Aleppo ist den UN zufolge schlimmer als irgendwo sonst auf der Welt. Die mehr als 400.000 Flüchtlinge im Westen Aleppos bräuchten umgehend Hilfe, sagte der UN-Berater für die humanitäre Lage in Syrien, Jan Egeland, am Donnerstag in Genf. Alleine in den vergangenen Tagen seien 27.000 neue Schutzsuchende aus dem Ostteil der Stadt hinzugekommen.

In dem von Rebellen kontrollierten Gebiet sei die Lage noch schlimmer. Eine zur Versorgung der Menschen dringend benötigte Feuerpause kommt wegen eines angekündigten Vetos Russlands im Sicherheitsrat nicht zustande. Der UN-Nothilfekoordinator Stephen O'Brien warnte, Ost-Aleppo könne zu einem "riesigen Friedhof" werden. Egeland erklärte, Russland habe angeboten, vier humanitäre Korridore in den Osten der Stadt zu öffnen. Über die Details werde zur Stunde verhandelt.

Es sei entscheidend, so viele Menschenleben wie möglich zu retten, noch während nach einer politischen Lösung gesucht werde, sagte der UN-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura. Er kündigte an, mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und seinem designierten Nachfolger António Guterres in New York über die nächsten Schritte zu beraten. Am kommenden Donnerstag solle sich dann der Sicherheitsrat erneut mit der Lage in Aleppo beschäftigen.

Dort hatte Russland am Mittwoch (Ortszeit) angekündigt, eine Feuerpause aus humanitären Gründen für Aleppo zu blockieren. Eine entsprechende Initiative Frankreichs und Großbritanniens werde er ablehnen, teilte der Botschafter der Vetomacht bei den UN, Witali Tschurkin, mit. Er forderte stattdessen eine Gesamtlösung für den Konflikt in Syrien. Die US-Botschafterin bei den UN, Samantha Power, bezichtigte Russland offen der Lüge. Das Land trage die Schuld für die Eskalation der Kämpfe im Osten Aleppos.

Egeland erklärte in Genf, Nahrungsmittel für 150.000 Menschen könnten binnen einer Stunde in Ost-Aleppo sein, sollten die entsprechenden Garantien gegeben werden. Das gleiche gelte für dringend benötigte medizinische Güter. Derzeit würden Operationen im Osten Aleppos in Kellern und ohne Betäubung durchgeführt. Mindestens 400 Menschen müssten aus medizinischen Gründen dringend evakuiert werden.

Amnesty International forderte am Donnerstag eine Sondersitzung der UN-Generalversammlung zur Lage in Syrien. Es werde täglich klarer, dass der UN-Sicherheitsrat versagt habe, sagte die Direktorin des UN-Büros der Menschenrechtsorganisation, Sherine Tadros. Die Untätigkeit der letzten fünf Jahre, die beinahe 500.000 Tote zur Folge gehabt habe, sei eine Schande für das Gremium.

Die Hilfsorganisation CARE forderte ein umgehendes Ende der Angriffe auf Zivilisten in Aleppo. Ihr gingen die Worte aus, um das abscheuliche Vorgehen gegen die Bevölkerung zu beschreiben, sagte die zuständige Länderdirektorin der Organisation, Christina Northey. Der Wahnsinn müsse nach fast 100 Tagen russisch-syrischer Belagerung endlich ein Ende haben.

Die Truppen des syrischen Regimes haben in den vergangenen Tagen mit russischer Luftunterstützung nach UN-Schätzungen 40 Prozent der Rebellenhochburg Ost-Aleppo erobert. Beide Seiten zielen auf die vollständige Eroberung. In Syriens Bürgerkrieg kämpfen das Regime von Machthaber Baschar al-Assad, Rebellengruppen und Terrormilizen um die Macht. Hunderttausende Menschen kamen seit Beginn der Kämpfe 2011 ums Leben. Millionen Syrer sind auf der Flucht.