Umfrage: Ukrainische Wehrpflichtige erhalten keine Ersatzpässe
Die Ukraine versucht seit Langem, wehrpflichtige Männer im Ausland zur Rückkehr zu bewegen. Läuft ihr Reisepass ab, müssen sie zurück in die Ukraine und dort die Wehrpflicht antreten. Die Bundesländer halten das für zumutbar.
Berlin, Düsseldorf (epd). Ukrainische Männer im wehrfähigen Alter, die keinen gültigen Reisepass besitzen, erhalten in Deutschland in der Regel keine Ersatzreiseausweise. In einer Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den zuständigen Ministerien bestätigten die Bundesländer, dass es wehrpflichtigen Männern zumutbar sei, zur Passbeschaffung in die Ukraine zu reisen und der Wehrpflicht nachzukommen.
„Die hessischen Ausländerbehörden wenden konsequent Bundesrecht an, indem sie ukrainischen Männern im wehrfähigen Alter grundsätzlich keine deutschen Ersatzreiseausweise ausstellen“, heißt es etwa aus dem hessischen Innenministerium. Die Passhoheit liege bei den Heimatstaaten.
Der Großteil der Bundesländer verwies wie Hessen auf das geltende Bundesrecht. So kann laut Aufenthaltsverordnung einem Ausländer, der über keinen gültigen Pass verfügt, nur dann ein Ersatzpapier ausgestellt werden, wenn er heimische Reisepapiere nicht auf zumutbare Weise erlangen kann. Die Erfüllung der Wehrpflicht ist demnach in der Regel zumutbar.
„Allein die Vermutung, dass der Antragssteller tatsächlich zum Wehrdienst einberufen wird“, reiche dem Innenministerium Sachsen-Anhalt zufolge nicht aus, um eine Passbeschaffung im Heimatland als „unzumutbar“ einzustufen. Über Ausnahmen entscheiden die Ausländerbehörden der Länder im Einzelfall. Mögliche Ausnahmen in Sachsen-Anhalt sind beispielsweise die notwendige Behandlung einer Krankheit oder die Betreuung von engen Familienangehörigen in Deutschland.
Im Saarland kann dem Innenministerium zufolge bei Deutschverheirateten oder bei einer vorliegenden Einbürgerungszusicherung anders entschieden werden. Ob die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Passersatzes vorliegen, müsse von den Ausländerbehörden „unter sorgfältiger Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalles entschieden werden“, sagte eine Sprecherin des Flucht- und Integrationsministeriums für Nordrhein-Westfalen. Damit teile NRW die Einschätzung des Bundesinnenministeriums.
Für wehrpflichtige Ukrainer gibt es den 16 Bundesländern zufolge keine Ausnahmeregelungen. „Eine Unterscheidung zwischen ukrainischen Staatsangehörigen und anderen Staatsangehörigen erfolgt dabei auch in der Frage der Wehrpflicht nicht“, teilte etwa die Berliner Senatsverwaltung für Inneres mit. Auch in Brandenburg gibt es nach Angaben des Innenministeriums keine Sonderregelungen für wehrpflichtige Ukrainer.
Ohne gültigen Pass können die Ukrainer nicht reisen. Für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis und den Leistungsbezug haben abgelaufene Pässe jedoch laut dem Integrationsministerium Schleswig-Holstein sowie des Flucht- und Integrationsministeriums für NRW keine „nachteiligen Folgen“. Das bestätigte auch das Bundesinnenministerium. Ukrainerinnen und Ukrainer genießen nach der EU-Massenzustrom-Richtlinie bis zum 4. März 2025 ein Aufenthaltsrecht in Deutschland. Die Regelung gewährt sofortigen Schutz und Zugang zu Rechten in der EU, einschließlich Aufenthaltsrecht, Zugang zum Arbeitsmarkt, Unterkunft, Sozialhilfe, medizinischer und sonstiger Unterstützung.
Seit einigen Monaten versucht die Ukraine, den Druck auf Männer im Wehralter zu erhöhen, die im Ausland leben und sie zur Rückkehr zu bewegen. So erhielten diese seit April dieses Jahres von Auslandsbotschaften keine neuen Dokumente mehr. Seit Juni gibt es laut der ukrainischen Botschaft in Berlin die Möglichkeit für wehrpflichtige Männer konsularische Dienstleistungen im Ausland in Anspruch zu nehmen, wenn sie sich mittels einer App beim ukrainischen Verteidigungsministeriums registrieren. Derzeit halten sich laut Angaben des Bundesinnenministeriums 268.176 ukrainische Männer im wehrfähigen Alter in Deutschland auf.