Ukraine-Krieg: Kirchenpräsident warnt vor einfachen Antworten

Dessau-Roßlau (epd). Der Kirchenpräsident der Evangelischen Landeskirche Anhalts, Joachim Liebig, hat mit Blick auf den Krieg in der Ukraine vor einseitigen friedensethischen Aussagen gewarnt. „Ein radikal pazifistisches Votum birgt ebenso schuldhaftes Versagen in sich, wie das Zugeständnis letztlich militärischer Gewalt zur Selbstverteidigung“, erklärte Liebig am Freitag in Dessau-Roßlau im Bericht des Landeskirchenrates an die Synode.

Eine differenzierte Sicht auf existenzielle Probleme der Gegenwart sei eine typische Diskussionsform innerhalb des Protestantismus und „keinesfalls Ausdruck von Schwäche“. Der Krieg in der Ukraine stelle „tiefe Anfragen auch an uns Christenmenschen und die Grundlagen unserer Friedensethik“, so Liebig in seinem Bericht weiter. Innerhalb des Protestantismus gebe es Perspektiven von der Beibehaltung bisheriger Linien protestantischer Friedensethik bis hin zu Forderungen nach einer völligen Neuorientierung.

Liebig betonte, die evangelische Friedensethik sei biblisch begründet, beantworte aber nicht die Frage nach einem legitimen Selbstverteidigungsrecht: „Wer gerade in diesen Zeiten einfache Schwarz-Weiß-Lösungen fordert und anbietet, wird unter keinen Umständen einer sehr komplexen Situation gerecht.“

Vom Friedensbeauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), dem mitteldeutschen Landesbischof Friedrich Kramer, könne nur erwartet werden, eine biblisch begründete Friedensethik vorzulegen, die dann an den Realitäten zu überprüfen sei.

Innerhalb der EKD und der 20 Landeskirchen gibt es unterschiedliche Postionen zu Waffenlieferungen an die Ukraine. Während neben anderen die EKD-Ratsvorsitzende und westfälische Präses Annette Kurschus Waffenlieferungen befürwortet und das mit dem Recht der Ukrainer auf Selbstverteidigung begründet, lehnt der EKD-Friedensbeauftragte Kramer, Bischof der mitteldeutschen Kirche, die Lieferung von Waffen ab. Er befürchtet dadurch eine weitere Eskalation. Wer die Gegenposition unter leitenden Protestanten vertritt, erhofft sich gerade durch Waffenlieferungen einen Weg zu Verhandlungslösungen im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine.