Todesstrafen-Debatte in der Türkei belastet Beziehungen mit Europa

Brüssel/Berlin (epd). Eine Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei nach dem gescheiterten Militärputsch würde das Land in einen neuen Konflikt mit Deutschland, der Europäischen Union und dem Europarat stürzen. Das haben führende Vertreter der Bundesregierung und der beiden großen paneuropäischen Staatengemeinschaften am Montag klargemacht.

"Ein Land, das die Todesstrafe hat, kann nicht Mitglied der Europäischen Union sein", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. "Die Einführung der Todesstrafe in der Türkei würde folglich das Ende der Beitrittsverhandlungen bedeuten." Einzelne Äußerungen zu dem Thema vom Wochenende seien "besorgniserregend", sagte Seibert.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) forderte am Rande eines EU-Außenrates in Brüssel, die Türkei solle bei dem Thema "hinter ihre selbstgewählten Ansprüche nicht zurückfallen". Die Abschaffung der Todesstrafe in der Türkei sei ein wichtiger Schritt gewesen sei, "um die Beitrittsverhandlungen mit der EU überhaupt aufzunehmen".

"Die Europäische Union hält ihre entschlossene prinzipielle Position gegen die Todesstrafe aufrecht", sagte der Chefsprecher der EU-Kommission, Margaritis Schinas, in Brüssel. "Kein Land kann ein EU-Mitgliedstaat werden, wenn es diese Strafe einführt", unterstrich die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini.

Mitglied des Europarates ist die Türkei bereits. Allerdings wäre auch dieser Status durch die Todesstrafe gefährdet. Generalsekretär Thorbjørn Jagland sagte: "Kein Mitgliedsstaat des Europarates darf die Todesstrafe anwenden." Dies sei eine Verpflichtung unter dem Statut der Organisation, urteilte Jagdland gegenüber dem "Tagesspiegel" vom Montag und verwies auf die Zusatzprotokolle zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK).

Die EMRK von 1950 ist die Konvention der Europaratsmitglieder zum Schutz der Menschenrechte, zwei Zusatzprotokolle aus den Jahren 1983 und 2002 verbieten die Todesstrafe. Der 1949 gegründete und in Straßburg ansässige Europarat ist mit 47 Mitgliedern die andere große paneuropäische Staatengemeinschaft neben der Europäischen Union.

Die Türkei hat seit 1984 keine Todesurteile mehr vollstreckt. 2004 wurde die Todesstrafe aus dem Gesetz gestrichen. Nach dem gescheiterten Putsch hatten am Wochenende mehrere Parlamentsabgeordnete die Wiedereinführung der Todesstrafe gefordert. Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach sich dafür aus, darüber Gespräche zu führen.

Das harte Vorgehen der türkischen Führung im Gefolge des Putsches könnte auch die Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise beeinflussen. Der EU-Türkei-Flüchtlingspakt vom März hatte der Türkei unter anderem eine beschleunigte Befreiung der Türken vom Visumszwang bei EU-Reisen in Aussicht gestellt. Seit Monaten aber streiten beide Seiten um eine Voraussetzung für die Visabefreiung: Die EU erwartet, dass Ankara zunächst Antiterror-Gesetze entschärft, die aus ihrer Sicht zur Unterdrückung der Opposition missbraucht werden.

Auf diesen Punkt angesprochen, zeigte sich Steinmeier skeptisch: "Ich vermute, dass die Bereitschaft, an das Strafrecht und an die Terror-Paragraphen heranzugehen, eher kleiner geworden ist." Unterdessen erklärte EU-Kommissionssprecher Schinas, die weitere Umsetzung des Flüchtlingspakts hänge vom Willen beider Seiten ab. Die EU werde ihren Teil weiterhin erfüllen "und wir erwarten und hoffen, dass die Türkei weiterhin dasselbe tut".