Theologin: Gewaltfreie Konfliktlösung hat nichts mit Naivität zu tun

Freiburg (epd). Die evangelische Theologin Karen Hinrichs kritisiert, dass Begriffe wie Frieden und gewaltfreie Konfliktlösung in Deutschland oft mit Naivität verbunden werden. Tatsächlich würden schon jetzt im Alltag "rund 99 Prozent unserer Konflikte auf friedlichem Weg" gelöst, sagte die Direktorin des Friedensinstituts Freiburg dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das Institut an der Evangelischen Hochschule wird am Freitag (24. Januar) mit einem Festakt eröffnet.

"Das Institut steht für interdisziplinäre und praxisrelevante Forschung und Lehre und will zu einer Kultur der Gewaltfreiheit und des Friedens beitragen", sagte Hinrichs. Konflikte ohne Waffen, aber auch ohne Hass und Abwertung oder Diskriminierung seiner Gegner zu lösen, sei eine Art der Streitkultur. Heute gebe es in fast allen Schulen Streitschlichter-Trainings. Auch im kommunalen wie im kirchlichen Bereich gebe es bewährte Verfahren bei der Vermittlung in Konflikten.  

Dass "Frieden" und "gewaltfreie Konfliktlösung" als naiv abgetan werde, habe in Deutschland eine lange Tradition. "Pazifisten galten als Vaterlandsverräter und wurden schon immer von der Obrigkeit abgewertet. Kriegsdienstverweigerer wurden in der Nazizeit erschossen oder in den KZs umgebracht", sagte Hinrichts. Dies sei heute zum Glück anders. Auch in der sozialen und der pädagogischen Arbeit versuche man, auch indirekte, versteckte Formen der Gewalt oder Diskriminierung in der Gesellschaft wahrzunehmen und dafür zu sensibilisieren.

Das Interview im Wortlaut:

epd: Was waren die Gründe für die Einrichtung eines eigenen Friedensinstituts durch die Evangelische Landeskirche in Baden?

Hinrichs: Die Landeskirche setzt seit vielen Jahren einen Schwerpunkt bei den Themen Frieden, Gerechtigkeit sowie Umweltschutz- und Klimaschutz. Jetzt will sie durch das Friedensinstitut dazu beitragen, dass die Angebote für die Praxis weiter entwickelt werden - für Studierende, aber auch für andere Multiplikatoren. Das Institut steht für interdisziplinäre und praxisrelevante Forschung und Lehre und will zu einer Kultur der Gewaltfreiheit und des Friedens beitragen. 

Konflikte ohne Waffen, aber auch ohne Hass und Abwertung oder Diskriminierung seiner Gegner zu lösen, ist eine Art der Streitkultur. Konflikte wird es immer geben, sie gehören zum menschlichen Leben dazu. Man kann Konflikte als Chance begreifen, etwas besser zu machen. Auch in den pädagogischen Arbeitsfeldern geht es um eine gute Streitkultur. Wir fangen aber keineswegs bei Null an, denn anders als vor 35 Jahren gibt es heute in fast allen Schulen Streitschlichter-Trainings. Auch im kommunalen wie im kirchlichen Bereich gibt es bewährte Verfahren bei der Vermittlung in Konflikten.  

epd: Warum reagieren viele Menschen mit Ablehnung, wenn sie das Wort Frieden hören?

Hinrichs: Viele Menschen verknüpfen die Begriffe "Frieden" und "gewaltfreie Konfliktlösung" sofort mit Naivität. Dieser Gedanke ist besonders stark in Deutschland vorhanden und hat eine lange Tradition. Pazifisten galten als Vaterlandsverräter und wurden schon immer von der Obrigkeit abgewertet. Kriegsdienstverweigerer wurden in der Nazizeit erschossen oder in den KZs umgebracht. In unserer Gesellschaft ist es heute zum Glück anders. Wir lösen doch im normalen Alltag rund 99 Prozent unserer Konflikte auf friedlichem Weg. Und wir versuchen in der sozialen wie in der pädagogischen Arbeit, auch indirekte, versteckte Formen der Gewalt oder Diskriminierung in unserer Gesellschaft wahrzunehmen und dafür zu sensibilisieren.  

epd: Das Institut richtet sich vor allem an Studierende, ist künftig auch ein eigener Studiengang geplant?

Hinrichs: Die Evangelische Hochschule hat auch bisher Lehrveranstaltungen zu Themen wie Gewaltprävention oder Konfliktbearbeitung angeboten. Das soll nun intensiviert und aufeinander bezogen werden. Mittelfristig wird eine Zusatzqualifikation im Bereich Friedenspädagogik/Friedensarbeit studiert werden können. 

In einer zweiten Phase wird es dann zusätzlich Angebote für Berufstätige und weitere Interessierte geben. Wir werden bei wissenschaftlichen Fachtagen mit Fachleuten aus Wissenschaft und Politik unterschiedliche Perspektiven zu den Themen Frieden und Gerechtigkeit miteinander ins Gespräch bringen. Auf diese Weise kann das Friedensinstitut auch in die Öffentlichkeit wirken.