Seehofer verbietet Betätigung der islamistischen Hisbollah

Berlin/Düsseldorf (epd). Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat ein Betätigungsverbot gegen die islamistische Hisbollah in Deutschland verfügt. Das gab das Ministerium am Donnerstag in Berlin bekannt. Seit den frühen Morgenstunden gab es demnach Razzien gegen Moscheevereine unter anderem in Berlin, Bremen, Münster, Recklinghausen und Dortmund. Die Vereine stünden wegen ihrer "finanziellen und propagandistischen Unterstützung" der Hisbollah im Verdacht, "Teil der Terrororganisation zu sein", die "offen zur gewaltsamer Vernichtung des Staates Israel" aufrufe und dessen Existenzrecht infrage stelle. 

Die schiitische Hisbollah (Arabisch für "Partei Gottes") wird vom Iran unterstützt und ist im Libanon wichtige Stütze der derzeitigen Regierung. Sie bezeichnet sich dort als Organisation des Widerstands gegen Israel. In der libanesischen Bevölkerung punktet die Hisbollah vor allem mit sozialen Projekten. In Syrien kämpfen ihre Milizen an der Seite der Truppen von Präsident Baschar al-Assad.

Seehofer stützt sich bei dem Betätigungsverbot auf das Vereinsgesetz. Die Hisbollah richtet sich der Begründung zufolge "in elementarer Weise gegen den Gedanken der Völkerverständigung - unabhängig davon, ob sie als politische, soziale oder militärische Struktur in Erscheinung tritt". Selbst unter Berücksichtigung eines möglichen religiösen Charakters "erweisen sich die Beeinträchtigung des Gedankens der Völkerverständigung und die gegen Strafgesetze gerichtete Tätigkeit insgesamt als so schwerwiegend, dass sie ein Betätigungsverbot rechtfertigen", heißt es. Da es sich bei der Hisbollah um eine ausländische Vereinigung handele, sei es aber "nicht möglich, die Organisation an sich zu verbieten und aufzulösen".

Verboten ist es aber, Kennzeichen der Hisbollah "öffentlich, in einer Versammlung oder beispielsweise in Schriften sowie Ton- und Bildträgern zu verwenden". Das bekannteste Symbol ist die gelb-grüne Fahne, auf der in arabischer Schrift der Name Hisbollah geschrieben steht. Aus einem der Buchstaben reckt sich eine Faust empor, die ein Sturmgewehr hält. Darüber stehen Worte aus der Koransure "Der Tisch": "Siehe, das ist die Partei Gottes; sie sind die Obsiegenden." Das bei den Vereinen gefundene Hisbollah-Vermögen soll "beschlagnahmt und zugunsten des Bundes eingezogen" werden.

Die Razzien betrafen laut Ministerium vier Vereine. In Berlin wurden laut Innensenatsverwaltung die Räume des Al-Irschad-Moscheevereins durchsucht. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" gab es ferner eine Razzia im Imam-Mahdi-Zentrum in Münster. Bei einer Busfahrt zu einer antiisraelischen Demonstration hätten Mitglieder des Vereins gesungen: "Ihr Ratten von Juden, wir werden zurückkehren, um Rache zu nehmen." In Bremen sei die Al-Mustafa-Gemeinschaft durchsucht worden. Seehofers Beamten liegen laut Bericht zudem Hinweise vor, dass die Hisbollah von Deutschland aus mögliche Anschläge vorbereite. 

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) begrüßte das Betätigungsverbot für die schiitisch-islamistische Hisbollah. Deren Mitglieder seien "nichts anderes als widerwärtige Israel- und Judenhasser", erklärte Reul am Donnerstag in Düsseldorf. "Jeder, der das Existenzrecht Israels infrage stellt, muss wissen: Er legt sich nicht nur mit Israel an, sondern auch mit Deutschland."

Der Zentralrat der Juden begrüßte ebenfalls das Verbot. Zentralratspräsident Josef Schuster forderte zugleich, im Rahmen der kommenden EU-Ratspräsidentschaft solle sich Deutschland für ein Verbot durch die EU einsetzen. Die Hisbollah wird unter anderem in den USA als ausländische Terrororganisation gelistet, auf der EU-Terroristenliste ist indes lediglich der militärische Flügel genannt.

Die schiitisch-islamistische Hisbollah formierte sich 1982 in dem damaligen Bürgerkriegsland Libanon. Dort verbreiteten Anhänger der Organisation unter dem Eindruck der Islamischen Revolution im Iran (1979) die Lehre Ayatollah Khomeinis und kämpften nach eigenen Worten für das Ziel, Amerikaner, Franzosen und deren Verbündete aus dem Libanon zu vertreiben. Selbstmordanschläge mit Autobomben wurden ihnen zugerechnet. Mit Schulen, Kliniken und Wohltätigkeitsaktionen gewann die Hisbollah zugleich die Sympathien vieler in Armut lebenden Schiiten.

Seit den 1990er Jahren machte die Hisbollah einen Transformationsprozess durch: Sie wandelte sich von einer Untergrundorganisation zu einer politischen Partei, die im Libanon - wo die Macht im Staat nach Konfessionen aufgeteilt ist - mit Christen sowie mit muslimischen Sunniten und Drusen zusammenarbeiten konnte. Zur Organisation gehörte weiterhin ein mächtiger bewaffneter Flügel. 

Nach dem vierwöchigen Libanonkrieg im Sommer 2006 feierte sie ihren "göttlichen Sieg" und sich selbst als die einzige Kraft der Arabischen Welt, die Israel bezwingen könne. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah wurde zu einem von Arabern am meisten bewunderten politischen Führern. Gleichzeitig agierte die Organisation zunehmend als Staat im Staate, was den Libanon immer wieder in schwere Krisen stürzte.

Als 2011 der syrische Bürgerkrieg ausbrach und Präsident Baschar al-Assad die Entmachtung drohte, eilte die Hisbollah zu Hilfe und schickte Milizen ins Land. Über Syrien geht eine wichtige Verbindungsroute vom Iran in den Libanon, Zehntausende Raketen sollen darüber zur Hisbollah gelangt sein. 

Nach Einschätzung der Bundesregierung wird Deutschland von den rund 1.000 Anhängern der Hisbollah vor allem als Rückzugsraum genutzt. Der Verfassungsschutz schließt aber terroristische Aktionen gegen Israel auch außerhalb des Nahen Ostens nicht aus. Seit 2008 gilt hierzulande ein Betätigungsverbot gegen den Hisbollah-Sender "Al Manar TV". 2014 wurde der Verein "Waisenkinderprojekt Libanon" verboten, der Gelder für die "Märtyrer"-Stiftung der Hisbollah sammelte, die wiederum Hinterbliebene von Kämpfern versorgt.