Schenken stiftet Frieden

Frankfurt a.M. (epd). Wenn Kunst Versöhnung und Glück stiftet, hat sie wohl das höchste Ziel erreicht. So startet die Schau "Peace" (Frieden) in der Frankfurter Kunsthalle Schirn, die an diesem Samstag öffnet, mit einer Arbeit des taiwanesischen Künstlers Lee Mingwei. Frieden geht nur, wenn Menschen in Beziehung zueinander treten und Freundlichkeit weitergeben, sagt Mingwei. Daher können die Besucher der neuen Schirn-Ausstellung gleich zu Beginn in mobile Kabinen treten und mit bereitgelegten Mitteln einen Brief schreiben.

"Das Briefeschreiben ist ein Prozess der Selbsterforschung", erläutert Mingwei. "Ich muss Frieden in mir selbst finden und kann Dankbarkeit und Vergebung an andere weitergeben." Die Briefe können verschlossen oder offen für andere Besucher, nur für einen selbst oder adressiert an eine Person an die Wände gesteckt werden, wie der Künstler erklärt. 

Die Kunsthalle verschickt am Ende die adressierten Briefe. Und diese zeigen auch Wirkung. So habe ihm 16 Jahre nach der ersten Ausstellung dieser Art in New York eine Frau in London offenbart, dass sie damals ihrem Freund einen wütenden Abschiedsbrief schreiben wollte, erzählt Mingwei. Im Schreiben aber habe sie zur Vergebung gefunden, und der Adressat sei so bewegt gewesen, dass sie anschließend heirateten.

Auch in der zweiten Arbeit von Mingwei geht es um Schenken, diesmal aber nur um das Empfangen: Während der Ausstellung werden in fünf Frankfurter Museen Sängerinnen und Sänger der Musikhochschule Besuchern anbieten, ihnen persönlich ein Lied von Franz Schubert zu singen. 

Die Schau in der Schirn mit Kunstwerken von zwölf internationalen Künstlern verstehe Frieden nicht als Abwesenheit von Krieg, erklärt Kurator Matthias Ulrich. Es gehe um soziale Prozesse wie sprechen und schenken sowie um Beziehungen zwischen allen Akteuren des Ökosystems, zwischen Menschen, Tieren, Pflanzen und der unbelebten Natur. 

Wie die Sakralisierung eines Tieres erscheint der Gedenkraum des französischen Künstlers und Schriftstellers Michel Houellebecq für seinen verstorbenen Hund Clément. An den holzvertäfelten Wänden zeigen Zeichnungen, Aquarelle und Fotos den Corgi, eine langgestreckte Vitrine stellt Hunde-, Tier und Menschenpuppen, Fotos und einen Pass von Clément aus. Dazu läuft eine Diaschau mit Hundebildern zu Musik und einer Lesung von Houellebecqs "Die Möglichkeit einer Insel". Auf einem der Fotos liegt der Corgi mit geschlossenen Augen auf einem Kissen mit dem Schriftzug "Forget" (Vergiss) gebettet, darunter die Zeile: "Il faut quelque seconds pour effacer un monde." (Es braucht einige Sekunden, um eine Welt auszulöschen).

Die Frage nach dem, was wertvoll ist, wirft auch der thailändische Künstler Surasi Kusolwong auf. Dazu regt er die Besucher zum Mitmachen an: In einem Raum voller bunter Wollknäuel aus Abfällen der Textilproduktion hat er sechs eigens gefertigte Goldketten versteckt. Der Finder darf sie behalten. Darüber hinaus hat der Künstler weitere Ketten in der Stadt versteckt. Die Stadt bezieht auch der belgische Künstler Jan de Cock ein: Seine Skulpturen aus Baumaterial, meist ein Podest mit einem spindelförmigen Betonstück darauf, sind außer in der Ausstellung auch im öffentlichen Raum aufgestellt.

Auf politische Bedingungen des Friedens macht die mexikanische Künstlerin Minerva Cuevas aufmerksam. Ihr Wandgemälde imitiert das Logo der "Evian"-Mineralwasserflasche, ersetzt den Markennamen aber durch das Wort "égalité" (Gleichheit) und stellt darunter die Worte: "Une Condition Naturelle" (eine natürliche Bedingung). Daneben leuchten passend die Buchstaben des deutschen Künstlers Ulay von der Wand "Whose water is it?" (Wessen Wasser ist es?). 

Die Schau solle der Frage nachgehen, "wie geht Frieden eigentlich?", sagt Schirn-Direktor Philipp Demandt. "Vielleicht gibt die Ausstellung weniger Antworten als Fragen, die die Besucher selbst beantworten müssen." Demandt gibt dennoch eine Antwort, wie für ihn persönlich Frieden geht. Er zitiert aus der Bergpredigt Jesu (Matthäus 7,12): "Ich versuche mich schlicht an die Regel zu halten, den anderen Menschen so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden will."