Scharfe Kritik am "Manifest für Frieden"

In der Debatte um ein "Manifest für Frieden" zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine wird der Tonfall schärfer. Am Dienstag kritisierte der Politologe Münkler die Initiatorinnen Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht vehement.

Köln (epd). Der Politologe Herfried Münkler hat das von der Publizistin Alice Schwarzer und der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht initiierte „Manifest für Frieden“ scharf verurteilt. In dem Text wird Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, „die Eskalation der Waffenlieferungen zu stoppen“ und sich umgehend für einen Waffenstillstand sowie Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine einzusetzen. Münkler sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Dienstag), das Manifest „ist beschönigend, verlogen und geht gewissermaßen eine Komplizenschaft mit dem Aggressor ein“.

Münkler kritisierte, auch in der Beschreibung des Kriegsgeschehens sei das Manifest verlogen. Er nannte als ein Beispiel die Formulierung zu Beginn des Manifests „Frauen wurden vergewaltigt“. „Als ob unklar wäre, wer diese abscheulichen Verbrechen begangen hat“, kritisierte der Berliner Politologe. Das Manifest sage eben nicht klar, dass die russische Armee in die Ukraine eingefallen sei.

Der emeritierte Professor der Berliner Humboldt-Universität hielt den Initiatorinnen außerdem vor, mit ihrem Manifest die gesamte Idee des Pazifismus und das Grundanliegen der Friedensbewegung bloßzustellen. Die Idee des Pazifismus, wie sie seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts in internationale Vertragssysteme überführt worden sei, beruhe auf dem Verbot des Angriffskriegs, erklärte Münkler. Die Verteidigung gegen einen Aggressor bleibe selbstverständlich zulässig. „Das Manifest aber nivelliert fortgesetzt die Kategorien von Angriff und Verteidigung. Pazifismus ist dann nichts anderes als Unterwerfungsbereitschaft“, betonte er.

Münkler widersprach auch der schlichten Alternative „Krieg oder Diplomatie“, wie das Manifest sie aufmache. Im Ukraine-Krieg wurde und werde verhandelt, etwa beim Abkommen über Getreidelieferungen.

Zu den Erstunterzeichnenden des Friedensaufrufs gehören neben den Initiatorinnen und der früheren Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, unter anderem der Journalist Franz Alt, der Schauspieler Henry Hübchen, die Schauspielerinnen Hanna Schygulla, Jutta Speidel und Katharina Thalbach, der Sozialmediziner und ehemalige Bundespräsidentschaftskandidat Gerhard Trabert, der CSU-Politiker Peter Gauweiler, der SPD-Politiker Günter Verheugen, die Grünen-Politikerin Antje Vollmer, der Dirigent Justus Frantz und der Sänger Reinhard Mey.

Auch der frühere Bundeswehr-General Erich Vad ist einer der Erstunterzeichner der Petition, die vor der Gefahr eines dritten Weltkriegs warnt, sollten der Ukraine weiter schwere Waffen und etwa Kampfjets geliefert werden. Vad erneuerte diese Warnung am Dienstag. „Es kann in dieser Lage keine militärische Lösung herbeigeführt werden“, sagte er im NDR Info-Radio: „Es ist zwar sinnvoll, die Ukraine zu stabilisieren, aber im Moment eskalieren wir weiter, ohne die Situation zu ändern.“

Der frühere Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, sprach sich hingegen im RBB24 Inforadio dafür aus, beim Thema Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine nichts auszuschließen: „Wir sollten möglichst alles vermeiden, was der russischen Seite zusätzliche Sicherheit für die eigene Planung bietet.“ Ob man schlussendlich Kampfflugzeuge liefere oder sich an Lieferungen beteilige, „ist eine zweite Frage“.