Politologe: Autonome Waffensysteme verantwortungsvoll nutzen
München (epd). Der Politologe Frank Sauer hält autonome Waffensysteme auch in der Bundeswehr für unumgänglich. Es komme aber darauf an, sie verantwortungsvoll zu nutzen, sagte der Forschungsleiter des Metis Instituts für Strategie und Vorausschau der Münchner Bundeswehr-Universität dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Es brauche eine „Triade von Vorhersehbarkeit, Administrierbarkeit und Zurechenbarkeit“, sagte Sauer. Ein Operator, der Funktionen an eine Maschine überträgt, müsse das in möglichst genauer Kenntnis der Lage tun. Er müsse die Waffe bei Bedarf jederzeit wieder kontrollieren können. Und er müsse die Verantwortung übernehmen, falls dann doch etwas mit dem Kriegsvölkerrecht Unvereinbares passiere.
„Loitering munitions, bisweilen auch Kamikaze-Drohnen genannt, haben inzwischen einen festen Platz auf dem Gefechtsfeld“, erklärte Sauer. Eine internationale Einhegung solcher Systeme sei nicht gelungen. Soldaten ohne sie jetzt noch in den Krieg zu schicken, wäre unverantwortlich. Eine Fernsteuerung dieser Drohnen durch Menschen werde oft durch militärische Störsignale behindert, sagte Sauer. Es sei auch nicht praktikabel, sich nur auf die Abwehr feindlicher autonomer Systeme zu beschränken.
Eine internationale Kontrolle von autonomen Waffensystemen sei künftig aber nicht chancenlos. Versuche einer Kontrolle könnten aber nicht auf ethischen Argumenten gründen. „Wir sehen ja, was Russland sich darum schert“, sagte Sauer. Allerdings seien nicht nur Russland oder China unwillig, sich in die Entwicklung dieser Systeme hineinreden zu lassen. Auch bei manch westlichen Mächten treffe man auf Unverständnis, wenn man ethisch gegen ein System argumentiere, das militärisch effektiver sei als jeder Mensch.
Ein erfolgversprechenderer Hebel für eine Rüstungskontrolle sei die Sorge um die Sicherheit, erklärte der Politologe. Szenarien, in denen Kriege aus dem Nichts heraus entstünden, von Maschinen ausgelöst, machten allen Mächten gleichermaßen Sorge. „Rüstungskontrolle mache ich nicht mit einem Freund, sondern mit meinem Feind“, sagte Sauer. „Damit wir beide überleben und uns nicht aus Versehen gegenseitig in die Luft sprengen.“
Das Interview im Wortlaut:
epd: Herr Sauer, die Rolle von Drohnen im Ukrainekrieg ist kaum zu überschätzen. Neben ferngesteuerten Drohnen sind dort auch Systeme im Einsatz, die vollkommen autonom funktionieren. Sieht so der Krieg der Zukunft aus?
Frank Sauer: Loitering munitions, bisweilen auch Kamikaze-Drohnen genannt, haben inzwischen einen festen Platz auf dem Gefechtsfeld. Eine internationale Einhegung solcher Systeme ist nicht gelungen. Soldaten ohne sie jetzt noch in den Krieg zu schicken, wäre unverantwortlich. Deswegen ist mein Punkt, dass wir Künstliche Intelligenz in Waffensystemen nutzen müssen, auch loitering munitions - aber eben in verantwortungsvoller Weise.
epd: Wie wäre das möglich?
Sauer: Es braucht die Triade von Vorhersehbarkeit, Administrierbarkeit und Zurechenbarkeit. Ein Operator, der Funktionen an eine Maschine überträgt, muss das in möglichst genauer Kenntnis der Lage tun. Er muss also zum Beispiel wissen, ob ein gegnerisches Ziel, das er bekämpfen will, auf dem Dach einer Kaserne oder eines Krankenhauses steht. Er muss vorhersehen können, was passiert, wenn er das Waffensystem aktiviert. Und er muss die Waffe bei Bedarf jederzeit wieder kontrollieren können. Sollte dann doch etwas mit dem Kriegsvölkerrecht Unvereinbares passieren, dann muss er auch die Verantwortung dafür übernehmen.
epd: Aber wieso muss man denn überhaupt die Kontrolle an die Maschine abgeben? Könnte man Drohnen nicht weiterhin fernsteuern? Oder könnte man sich nicht einfach darauf beschränken, gegnerische „loitering munitions“ abzuwehren, indem man die eigene Flugabwehr stärkt?
Sauer: Das ist beides leider nicht praktikabel. In der Ukraine beispielsweise setzen beide Seiten elektronische Kampfführung ein. Störsignale unterbrechen dabei die Fernverbindung zwischen System und Mensch. Autonome Systeme machen diese Fernsteuerung überflüssig. Was die Drohnenabwehr angeht: Die brauchen wir unbedingt auch. Aber allein mit Abwehr lässt sich kein Krieg führen. Nur mit Offensivoperationen ist die Befreiung von Territorium möglich. Auch das führt das Beispiel Ukraine uns schmerzhaft vor Augen.