Oberkirchenrat: "Der Preis von Kriegen ist zu hoch"

Karlsruhe (epd). Eine Alternative zur militärischen Sicherheitspolitik Deutschlands hat die badische evangelische Landeskirche entwickelt. Die Situation in Afghanistan und Syrien zeige, dass die traditionelle Militärpolitik nicht zum Frieden beitrage, sondern kriegerische Auseinandersetzungen und Gewalt fortsetze, sagte Oberkirchenrat Christoph Schneider-Harpprecht am Samstag in Karlsruhe. Dagegen sei eine gewaltfreie Kooperation das wirksamere Mittel der Politik. Bei einem Studientag wurde das Dokument "Sicherheit neu denken - von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik" vorgestellt, das friedliche Methoden künftiger deutscher Sicherheitspolitik beschreibt. 

Auch wenn es utopisch klinge, massiven politischen Widerstand und erhebliche Anfeindungen bedeute, lohne es sich eine zivile Sicherheitspolitik umzusetzen. Der Preis von Kriegen und militärischen Interventionen sei einfach zu hoch, sagte Schneider-Harpprecht: Niemand könne die vielen getöteten Zivilisten und Soldaten, die Traumatisierungen, die massenhafte Flucht und Vertreibung sowie die Zerstörung von Wirtschaft und Infrastruktur vor seinem Gewissen verantworten. 

Das Konzept sehe etwa gerechte Außenbeziehungen, eine nachhaltige Entwicklung der EU-Anrainerstaaten, eine widerstandsfähige Demokratie und die Konversion der Bundeswehr und Rüstungsindustrie vor, sagte der Theologe. Zudem sei Deutschland Teil der internationalen Sicherheitsarchitektur als Mitglied der Europäischen Union, Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), der Nato und der Vereinten Nationen. 

Der frühere Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Martin Schindehütte, bezeichnete das Dokument als das "Konkreteste und Visionärste", was er als Beschreibung einer politischen Perspektive aus dem kirchlichen Raum kenne. Das Papier sei eine Vision mit genau beschriebenen Schritten und sollte ein Ausgangspunkt für die friedenspolitische Debatte in Kirche und Gesellschaft sein.

"Wir müssen eine breite Bewegung in der Bevölkerung auslösen", sagte der Bischof. Die Kirchen in Deutschland seien Teil eines Pilgerwegs zum gerechten Frieden, der die christlichen Kirchen weltweit bewege. Das Konzept müsse in den ökumenischen Prozess und die Diskussion der Kirchen weltweit eingebracht werden. 

Der Bundeswehroffizier und Militärhistoriker Matthias Rogg befürwortete die Weiterentwicklung der Friedensdienste sowie den Ausbau der internationalen Polizeikräfte und der Justiz. "Recht, Gerechtigkeit und Frieden gehören zusammen", sage Rogg, der auch Mitglied der Kammer für öffentliche Verantwortung der EKD ist. Das Potenzial militärischer Interventionen werde überschätzt. Konfliktsituationen ließen sich nur gemeinsam mit Diplomatie, Wirtschaft und Polizei lösen. 

Zum Bedrohungsszenario für Deutschland sagte er: "Die größte Bedrohung sind heute Cyberattacken." Dies könnten etwa Angriffe auf das Stromnetz sein, sagte Rogg.