Not in Cabo Delgado: Auf der Flucht vor dem Terror in Nordmosambik

Maputo/Pemba (epd). So wie Sepo Abdala geht es vielen. "Ich bin hier angekommen mit nichts als meiner Kleidung auf dem Leib", sagt der 35-Jährige einem Unicef-Helfer in Cabo Delgado. Andere schleppen immerhin noch eine Matratze mit. Die kostbare Unterlage balancieren sie auf dem Kopf vom Boot durch die Dünung. Manche Frauen pressen einen Säugling an sich. "Mehr als ein Baby wurde seit Beginn der Massenflucht im September auf einem schlingernden Boot geboren", sagt Joaquím Guinart, Projektkoordinator von "Ärzte ohne Grenzen" in der Provinz im Norden Mosambiks.

"An manchen Tage kamen 40 oder 50 Boote an", erklärt Guinart, der seit August mithilft, die Not in Cabo Delgado zu lindern. Mehr als 100.000 Flüchtlinge sind es inzwischen in der Provinzhauptstadt Pemba und Umgebung. Die Menschen kamen zu Fuß oder per Boot, die Bevölkerung der Stadt schwoll auf diese Weise um ein Drittel an. Für viele der verzweifelten Menschen fehlt es nun am Nötigsten. Krankheiten drohen, nicht zuletzt Corona.

Insgesamt 425.000 Menschen sind nach Informationen der Behörden vor Terror und Gewalt in Cabo Delgado auf der Flucht, ein Sechstel der Bevölkerung. Auch in die Nachbarprovinzen sind sie ausgewichen. Seit Beginn des Konflikts vor drei Jahren gab es mindestens 350 Angriffe von Islamisten auf Dörfer, aber auch auf Städte in Cabo Delgado. Zuletzt wurde am Montag von blutigen Massakern berichtet, bei denen mehr als 50 Menschen von den Angreifern enthauptet worden seien. Oft rücken diese im Morgengrauen in einen Ort ein, brennen Häuser und Hütten nieder, plündern, töten und entführen.

Die Zahl der Todesopfer ist unbekannt. Sie wird auf 1.000 bis 4.000 geschätzt. Bekannt wurden wiederholte Angriffe auf die Distrikthauptstadt Mocímboa da Praia, die die Extremisten zeitweilig erobern und besetzen konnten. Videobekundungen zufolge geht es ihnen um Territorialgewinne für ein geplantes Kalifat und um die Einführung des islamischen Rechts, der Scharia, in Nordmosambik. Von Reichtümern und einer Kontrolle der nahen Erdgasfelder war in den Videos nicht die Rede.

Mosambik verspricht sich Milliardeneinnahmen aus dem Gasgeschäft in Cabo Delgado. Seit gut zehn Jahren hofft auch die Bevölkerung dort, davon auf irgendeine Weise zu profitieren, doch bislang wurden die Hoffnungen enttäuscht. "Die dauernde Frustration kann mit beitragen zur Radikalisierung der jungen Männer", sagte der Analyst João Feijó von der Beobachterstelle für ländliche Entwicklung (OMR). Er hat in Cabo Delgado geforscht und Interviews geführt. Gerade junge Männer im Alter zwischen 15 und 35 stellten dort eine sehr große Gruppe dar - ohne Perspektive auf einen Job oder die Gründung einer eigenen Familie. Das soziale Elend und Jahrhunderte der Gewalterfahrung hat Feijó als Nährboden für den Terror identifiziert.

Die lokale Bevölkerung nennt die Terroristen "Al Shabaab", wie in Somalia, obwohl es keine belastbaren Hinweise auf eine Allianz mit somalischen Al-Shabaab-Gruppen gibt. Auch die immer wieder kursierenden Gerüchte, die Angreifer in Mosambik seien mit dem weltweit agierenden "Islamischen Staat" (IS) im Bunde, basieren nach Auffassung mehrerer Experten vor allem auf Propaganda des IS. Nach einer 2019 veröffentlichten Studie des Instituts IESE in Maputo entstammen Cabo Delgados Extremisten überwiegend einer lokalen, ethnischen Minderheit, den Mwani. Die Stärke der verschiedenen Zellen ist unbekannt, wird aber auf insgesamt etwa 1.000 Kämpfer geschätzt. 

Die mosambikanischen Streitkräfte haben inzwischen häufiger die Initiative ergriffen und nach eigenen Angaben Camps der Islamisten angegriffen. Dabei sollen allein in den vergangenen zwei Monaten mehr als 250 Gegner getötet worden sein. Gleichzeitig ist die Armee mit schweren Vorwürfen konfrontiert, die Menschenechte zu missachten. 

Inzwischen wurden auch erste Terror-Angriffe auf Dörfer jenseits des Rovuma-Flusses in Tansania gemeldet. Die Leiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Maputo, Tina Hennecken-Andrade, sieht die Krise im Norden Mosambiks zunehmend als Problem der Region und der südafrikanischen Staatengemeinschaft SADC. Sie spricht von einem "neuen Bedrohungsszenario".