Neue Zahlungen für UN-Palästinenserhilfswerk vorerst ausgesetzt

Mehrere Mitarbeiter des UN-Palästinenserhilfswerks stehen im Verdacht, in den Angriff auf Israel am 7. Oktober verwickelt gewesen zu sein. Die Bundesregierung will bis zur Aufklärung der Vorwürfe keine neuen Mittel freigeben.

Berlin, New York (epd). Nach Vorwürfen gegen das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA haben mehrere Staaten einen vorübergehenden Stopp neuer Hilfszahlungen angekündigt. Auch Deutschland wird bis zum Ende der Aufklärung in Abstimmung mit anderen Geberländern temporär keine neuen Mittel für UNRWA in Gaza bewilligen, wie das Auswärtige Amt und das Bundesentwicklungsministerium am Samstagabend in Berlin mitteilten. Mehreren Mitarbeitenden des UN-Hilfswerks wird vorgeworfen, in den Angriff auf Israel am 7. Oktober involviert gewesen zu sein. Die Vereinten Nationen kündigten eine Untersuchung an.

Die humanitäre Hilfe läuft nach Angaben des Auswärtigen Amtes und des Entwicklungsministeriums weiter. Neue Zusagen stünden indes ohnehin derzeit nicht an, hieß es. Die Rolle des Hilfswerks für die Grundversorgung der palästinensischen Bevölkerung sei lebenswichtig.

UNRWA-Generalkommissar Philippe Lazzarini hatte die Vorwürfe am Freitag öffentlich gemacht. Demnach sollen laut Informationen der israelischen Behörden mehrere Mitarbeiter des Hilfswerks in den Angriff der Hamas auf Israel verwickelt gewesen sein. Die Verträge mit den Beschuldigten seien aufgehoben und eine Untersuchung der Vorwürfe eingeleitet worden, sagte Lazzarini.

UN-Generalsekretär António Guterres äußerte sich am Sonntag entsetzt über die Anschuldigungen. Jeder schuldige UN-Mitarbeiter werde zur Rechenschaft gezogen, erklärte er in New York. Er sprach von zwölf Verdächtigen, von denen neun sofort entlassen worden seien. Die Identität zweier weiterer werde geklärt. Ein Mitarbeiter sei gestorben.

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe hatten unter anderem die USA zusätzliche Finanzmittel vorübergehend gestoppt. Lazzarini sprach am Samstag von bisher neun Ländern, die ihre Unterstützung vorübergehend ausgesetzt hätten. Dies gefährde die Arbeit des Hilfswerks in der Region, insbesondere im Gaza-Streifen, sagte er.

Mehr als zwei Millionen Menschen im Gaza-Streifen seien auf UNRWA angewiesen, sagte Lazzarini. Es sei schockierend, dass aufgrund der Anschuldigungen gegen eine kleine Gruppe von Angestellten die Unterstützung ausgesetzt werde.

Auch UN-Generalsekretär Guterres rief die Geberländer dazu auf, trotz der möglichen Verwicklung von UNRWA-Personal in die Attacken vom 7. Oktober gegen Israel weiterhin Gelder für das Hilfswerk bereitzustellen. Das UNRWA beschäftigte vor Beginn des Krieges rund 13.000 Mitarbeiter im Gaza-Streifen, die meisten von ihnen Palästinenser.

Der jüngste Nahost-Krieg begann am 7. Oktober mit einem Terrorüberfall der palästinensischen Hamas auf Israel. Die israelische Armee bombardierte daraufhin den Gaza-Streifen und drang in das Gebiet ein. Zehntausende Menschen wurden getötet, darunter mehr als 100 UNRWA-Angestellte. Im Gaza-Streifen sind mehr als zwei Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen.

Die USA, Deutschland und die Europäische Union zählen zu den wichtigsten Gebern des UN-Palästinenserhilfswerks. Nach dem Angriff der Hamas hatte die Bundesregierung bereits die Entwicklungszusammenarbeit in den palästinensischen Gebieten überprüft.

Hintergrund:

Das UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) steckt in einer tiefen Krise. Israel erhebt Terrorismusvorwürfe gegen zwölf Mitarbeiter des größten Anbieters sozialer Leistungen für Palästinenserinnen und Palästinenser. UN-Generalsekretär António Guterres hat versichert, dass jeder Schuldige zur Rechenschaft gezogen werde. Neun Beschäftigte wurden sofort entlassen. Die Identität zweier weiterer soll geklärt werden. Ein Mitarbeiter starb.

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe stoppten die USA und Deutschland vorübergehend zusätzliche Finanzmittel. Bis Montag erklärten rund ein Dutzend Länder, ihre Unterstützung auszusetzen.

Das UNWRA, das 2019 von einem Skandal von Vetternwirtschaft erschüttert wurde, leidet ohnehin unter chronischem Geldmangel: Schon vor Beginn des Kriegs zwischen Israel und der im Gaza-Streifen regierenden militanten Hamas monierten UNRWA-Offizielle die Unterfinanzierung des Hilfswerks, das von freiwilligen Zuwendungen abhängt.

Mehr als zwei Millionen Menschen im Gaza-Streifen sind auf UNRWA-Hilfe angewiesen. Das UNRWA beschäftigte vor Beginn des Krieges am 7. Oktober rund 13.000 Mitarbeiter im Gaza-Streifen, die meisten von ihnen Palästinenser. Bislang kamen mehr als 150 UNRWA-Mitarbeitende in dem Konflikt ums Leben. Niemals zuvor verloren die Vereinten Nationen in einem Krieg so viele Helfer.

Im Chaos der Kämpfe kann das UNRWA seinem Hilfsauftrag im Gaza-Streifen kaum gerecht werden. Die meisten Mitarbeitenden in dem Territorium mussten selbst vor der Gewalt flüchten. Viele UNRWA-Einrichtungen wurden beschädigt oder zerstört.

Das UNRWA ist nicht nur im Gaza-Streifen, sondern auch im Westjordanland, Ost-Jerusalem, Jordanien, Libanon und Syrien im Einsatz. Es unterhält mehr als 700 Bildungseinrichtungen mit fast 550.000 Schülerinnen und Schülern. Das Werk betreibt zudem medizinische Einrichtungen, hilft beim Aufbau kleiner Unternehmen und regelt sogar die Müllabfuhr. Zielgruppe sind insgesamt knapp sechs Millionen palästinensischen Flüchtlinge in der Region, doch längst nicht alle nehmen UNRWA-Dienste in Anspruch.

Die Mehrzahl der Flüchtlinge stammt von Bewohnern Palästinas ab, die das Gebiet 1948 verlassen mussten. Laut der UN-Agentur gelten auch die Kinder von Flüchtlingen und ihre Nachkommen als Flüchtlinge, bis eine dauerhafte Lösung gefunden ist.

Israel betrachtet die Helfer schon lange mit Misstrauen und wirft ihnen vor, in Schulen antisemitisch geprägte Bücher zu verwenden, die Terrorakte glorifizierten. Das UNRWA weist die Beschuldigungen zurück.