Mühsamer Aufbruch in Mittelamerika: 25 Jahre Frieden in El Salvador

São Paulo (epd). Der Name kündete von Hoffnung auf einen Sieg: "Radio Venceremos" hieß der Untergrundsender der Guerilla, den Carlos Henríquez Consalvi während des Bürgerkriegs in El Salvador betrieb. An den 16. Januar 1992 erinnert sich der Mann mit dem Decknamen "Santiago" noch genau. "Ab heute fängt El Salvador an zu leben", sagte er damals ins Mikrofon. Es war der Tag, an dem der Friedensvertrag unterzeichnet wurde: "Der glücklichste Tag in meinem Leben". Doch heute, 25 Jahre danach, ist längst Ernüchterung eingekehrt. 

Gleichwohl erkennen viele Menschen immer noch die Stimme des Radio-Mannes, der gebürtiger Venezolaner ist, aber in Mittelamerika heimisch wurde. 1996 eröffnete er ein Museum in der Hauptstadt San Salvador mit Tondokumenten, Fotos und Schriftstücken des Bürgerkriegs, der von 1980 bis 1992 gedauert hatte. 

Der heute 69-jährige Consalvi will "gegen das Vergessen" angehen. Schulklassen können sich über den Krieg, seine Gründe und den Friedensschluss informieren. Mindestens 70.000 Menschen wurden im Bürgerkrieg getötet. Guerilla und Regierung verhandelten zwei Jahre, bis die Waffen schwiegen. 

Wie in anderen mittelamerikanischen Bürgerkriegsländern hatten die USA in El Salvador die Militärs unterstützt, trotz ihrer vielfachen Menschenrechtsverletzungen. Rund eine Million US-Dollar pro Tag pumpten die USA am Ende des Bürgerkrieges in El Salvador in die Armee. Es war Kalter Krieg.

Beim Friedensschluss unter UN-Vermittlung vor 25 Jahren war die Euphorie groß. Das Militär stand als der eigentliche Verlierer da, die FMLN-Guerilla konnte einige Forderungen durchsetzen. Sechs Jahrzehnte Herrschaft des Militärs gingen zu Ende, das im Dienst der reichen Oberschicht jeglichen sozialen Fortschritt blockierte, notfalls mit brutalen Mitteln. 

Die besonders für Morde und Folterungen verantwortlichen Eliteeinheiten der Armee, die dem Militär unterstellten Polizeieinheiten und die paramilitärischen Todesschwadronen wurden aufgelöst. Das Militär wurde auf 35.000 Soldaten reduziert, deren einzige Aufgabe die Landesverteidigung ist.

Zudem setzten die UN eine Kommission zur Aufklärung der Menschenrechtsverbrechen ein. Ihr Bericht listet mehr als 22.000 Kriegsverbrechen auf, von denen 95 Prozent der Armee und anderen staatlichen Sicherheitskräften angelastet werden. Doch das von rechten Abgeordneten dominierte Parlament erließ schnell eine Generalamnestie.

Erst im Juli 2016 kippte der Oberste Gerichtshof den Beschluss als verfassungswidrig. Kriegsverbrecher können jetzt juristisch zur Verantwortung gezogen werden. Doch solche Verfahren können extrem langwierig sein. Erst vor einem Jahr wurden Verdächtige der Morde an sechs Jesuiten-Patres und zwei Frauen im Jahr 1989 festgenommen. 

Auch in der Politik dauerte der Wandel. Die FMLN wurde eine Partei. Aber erst 2009 gelang ihr erstmals der Einzug in den Präsidentenpalast. Die Guerilleros von einst ziehen nüchtern Bilanz: "Wir hatten erreicht, dass die militärische Macht der zivilen untergeordnet wird. Aber wir haben es nicht geschafft, das System zu verändern, das Marginalisierung und Armut hervorbringt", sagt FMLN-Generalsekretär Medardo González, einer der Unterzeichner des Friedensvertrags von 1992. Der Aufbau einer Demokratie und dass die Schulkinder heute Schuhe haben, sei klares Verdienst der FMLN. "Aber der Prozess dauert an, es gibt noch sehr viel zu tun."

Weggefährten wie Dagoberto Gutiérrez sind da kritischer. "Die FMLN funktioniert heute wie ein Unternehmen. Sie wurde vom System verschluckt", sagt der Vize-Rektor der Lutherischen Universität in San Salvador. Die USA garantierten weiter die Stabilität, Privateigentum dominiere die Wirtschaft, und die Oligarchie habe politisch das Sagen.

In der Tat bestimmen Armut und Gewalt weiter den Alltag von vielen der sechs Millionen Salvadorianer. Die Überweisungen von Auswanderern sind die wichtigste Devisenquelle für das Land. Eine nennenswerte Industrieproduktion gibt es nicht. Rund 40 Prozent der Menschen leben unter der Armutsgrenze. In vielen Orten terrorisieren Straßengangs die Einwohner. Durchschnittlich werden 16 Menschen pro Tag ermordet, manchmal mehr als zu Zeiten des Bürgerkriegs.