Militärdekanin Reitz wirbt für erweiterte Friedensethik

Köln (epd). Die Leitende Militärdekanin Westdeutschlands, die evangelische Pfarrerin Petra Reitz, wirbt für neue Ansätze in der evangelischen Friedensethik. Die Evangelische Kirche in Deutschland habe in den vergangenen Jahrzehnten eine eher pazifistisch akzentuierte Friedensethik vertreten, sagte die Theologin am Montagabend auf dem Jahresempfang des evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. Vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine werde ein großes Manko dieser Friedensethik deutlich. Es fehle eine „skeptische Anthropologie auf der Grundlage eines christlichen Menschenbildes“, sagte die Militärdekanin. „Der Mensch ist nicht gut von Jugend an, und wir können nicht voraussetzen, dass alle immer nur gute Absichten haben.“

Reitz riet, auch einem skeptischen Blick auf den Menschen in einer weiterentwickelten Friedensethik Raum zu geben. „Und was dann aus einer skeptischen Anthropologie für realpolitische Schlüsse gezogen werden, ist Aufgabe der Politik, nicht der Kirche“, sagte sie. Zugleich gab sie zu bedenken: Wer sich für gerechten Frieden und die Universalität der Menschenrechte einsetzen wolle und wer diesem Recht einen hohen Stellenwert einräume, dürfe die Frage nach der Durchsetzung dieses Rechts nicht gering achten.

Die Militärdekanin nannte eine globale Vernetzung zwischen Staaten unabdingbar. Wirtschaftliche und soziale Abhängigkeiten würden hergestellt, „die uns aufeinander angewiesen sein lassen, aber auch und zugleich Abschreckung zulassen“. Die Ukraine habe 1996 ihre Atomwaffen abgegeben. Es stelle sich die Frage, ob die Ukraine von Russland angegriffen worden wäre, wenn sie noch im Besitz ihrer Atomwaffen gewesen wäre. Evangelische Friedensethik müsse ihren Beitrag leisten und das Verhältnis beider Komponenten, Abschreckung und wechselseitige Abhängigkeit, näher bestimmen, „unter Berücksichtigung einer realistischen christlichen Anthropologie“.

Auch der Kölner Stadtsuperintendent Bernhard Seiger ging auf den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine als Herausforderung für kirchliche friedensethische Konzepte ein. Die evangelische Kirche habe in den vergangenen Jahrzehnten Friedenskonzepte entwickelt, die auf eine zivile Sicherheitsarchitektur vertraut hätten. Sowohl eine pazifistische Denkweise als auch eine verantwortungsethische Denkweise existiere, die mit der Realität des Bösen rechne „und daher Kriterien zur Verteidigung und Abwehr des Bösen mit Gewalt reflektiert“. Seiger verwies auf die Friedensdenkschrift der EKD von 2007, die beide Denkrichtungen in Balance halte.