Menschenrechtler in Belarus kämpfen für Kriegsdienstverweigerer

Witebsk, Offenbach (epd). Die belarussische Menschenrechtsorganisation Nash Dom (Unser Haus) mit Sitz in Witebsk ruft zur Kriegsdienstverweigerung auf. Seit 4. März überquerten täglich 400 bis 600 Männer die Grenze nach Litauen, um der Einberufung zum Militär zu entgehen, sagte die Leiterin Olga Karatch, Trägerin des Internationalen Friedenspreises der Bremer Stiftung „Die Schwelle“, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auch hätten manche Belarussen, die als Soldaten in die Ukraine entsandt wurden, sich dort schnell ergeben.

Hintergrund ist, dass in den vergangenen beiden Wochen in Belarus eine Masseneinberufung von Männern im Alter von 18 bis 58 Jahren zur Armee stattgefunden habe, wie Karatch in einem Video erläutert. Sie sollten offenbar gegen die Ukraine kämpfen. Viele Männer wollten dies aber nicht. Deshalb habe Nash Dom Anfang März die Kampagne gestartet: „Nein meint nein“.

Die Informationskampagne sei inzwischen von rund 1,5 Millionen Menschen auf verschiedenen Internetseiten und Social Media betrachtet worden, „wir haben viele Likes und Danksagungen erhalten“. Karatch fürchtet, dass der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko nach einem Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am vergangenen Wochenende Männer gewaltsam zum Kriegsdienst zwingen werde. Ihm nütze, dass Kriegsdienstverweigerung in der Gesellschaft schlecht angesehen sei und Männer eine „Verdammung“ fürchteten, wenn sie „nein“ zum Militär sagten.

Karatch ruft daher Frauen in aller Welt dazu auf, Männer mit Videos auf Youtube vom Gegenteil zu überzeugen: Wahres Heldentum bestehe darin, das Töten von ukrainischen Frauen und Kindern zu verweigern. Ein entsprechender Appell der Menschenrechtlerin mit dem Aufruf zur Kriegsdienstverweigerung auf Youtube verzeichnet rund 77.000 Aufrufe.

Nash Dom hat nach den Worten von Karatch eine rechtliche Beratung gestartet für diejenigen, die schriftlich oder telefonisch um Rat für eine Verweigerung fragen. Darüber hinaus wolle die Organisation eine Hotline einrichten. Sie brauche dafür aber dringend Rechtsanwälte. Wegen des Mangels an Anwälten könne Nash Dom keine persönliche Beratung anbieten.

Zur Unterstützung der Kriegsdienstverweigerer sei eine Kampagne in ganz Europa nötig, forderte Karatch. Verweigerer seien bisher in keinem europäischen Land willkommen. Selbst die Nachbarländer Litauen und Lettland wollten nur einer begrenzten Anzahl Einreise und Asyl gewähren. Wenn europäische Länder Kriegsdienstverweigerer bereitwillig aufnähmen, würden weniger Belarussen in die Ukraine gehen und für Putin töten.

Nash Dom selbst sei auf Spenden angewiesen, um Berater, Telefon, Internet, Rechtsanwälte und Koordinatoren zu bezahlen, sagte Karatch: „Wir können das Chaos der Anfragen nicht allein mit Freiwilligen bewältigen.“