Menschenrechtler aus Marokko und Brasilien ausgezeichnet

Aachen (epd). Der Aachener Friedenspreis rückt in diesem Jahr das Schicksal von Flüchtlingen in Nordafrika und die Wohnungsnot in brasilianischen Metropolen in den Fokus. Der französische Priester Antoine Exelmans und das Menschenrechtszentrum Gaspar Garcia im brasilianischen São Paulo erhielten am Donnerstagabend die coronabedingt erstmals online verliehene Auszeichnung. Die Preisträger waren bei der Vergabe nicht persönlich anwesend, sondern wurden per Video zugeschaltet. 

Die Preisverleihung solle nicht nur die Arbeit dieser Organisationen würdigen und weitere Aufmerksamkeit für diese Projekte erzeugen, sagte der Linken-Politiker Gregor Gysi in seiner per Video eingespielten Laudatio. "Wir bringen zum Ausdruck, dass sich die Politik endlich ändern muss, um die Rechte der Ärmsten und Schwächsten endlich angemessen zu berücksichtigen."

Der Priester Exelsmans erhält den Friedenspreis für seinen "selbstlosen Einsatz" für Flüchtlinge im marokkanischen Oujda. In dem Ort direkt an der algerischen Grenze biete der Menschenrechtler seit dreieinhalb Jahren Migranten in seinem Gemeindezentrum und in der Kirche Notunterkunft, medizinische Versorgung und Beratung an. Dabei kümmere er sich besonders um unbegleitete Jugendliche und versuche, ihnen Möglichkeiten zur Berufsausbildung zu geben.

Mit der Preisvergabe an den Priester wolle der Trägerverein nicht nur dessen Engagement würdigen, sondern auch das Thema Flucht erneut ins Bewusstsein rücken, hieß es. Gerade unbegleitete minderjährige Flüchtlinge seien auf ihrem Weg oftmals großen Gefahren ausgesetzt, insbesondere auch der Gefahr, in die Fänge von Menschenhändlern zu geraten, sagte Gysi. Exelmans' Projekt "Vivre l?Espoir" (Hoffnung leben) sei für diese Jugendlichen "ein Ort des Verweilens, des Schutzes und der Perspektivfindung".

Als zweiter Preisträger wurde das Menschenrechtszentrum Gaspar Garcia (CGG) geehrt. Es leistet Einwohnern der brasilianischen Metropole São Paulo rechtlichen Beistand, die von Zwangsräumungen und Vertreibungen bedroht sind. Mit 21 Millionen Einwohnern zähle São Paulo zu den bevölkerungsreichsten Städten der Welt, erklärte der Friedenspreisverein. In der Folge gebe es einen dramatischen Mangel an Wohnraum und horrende Mietpreise. Mehr als drei Millionen Menschen lebten in prekären Wohnverhältnissen, über 15.000 seien obdachlos.

Unter der rechts-konservativen Regierung von Staatspräsident Jair Bolsonaro verschärfe sich die soziale Spaltung im Land weiter, hieß es. In dieser Situation stehe das Menschenrechtszentrum, das unter anderem vom katholischen Hilfswerk Misereor unterstützt wird, Familien mit juristischem Beistand zur Seite und engagiere sich darüber hinaus für Obdachlose, Straßenhändlerinnen und Müllsammler. Die Auszeichnung mit dem Friedenspreis solle Wertschätzung für diese Menschenrechtsarbeit ausdrücken und zugleich auf die Folgen sozialer Ungleichheit aufmerksam machen.

Das Menschenrechtszentrum habe bereits 13.000 Familien vor Obdachlosigkeit bewahrt und betreue rund 500 Obdachlose, erklärte Gysi. "Uns allen ist klar: Die Arbeit von Initiativen wie dem CGG kann die strukturellen Probleme der Stadt nicht lösen. Das muss die Politik machen." Doch wenn es den politischen Willen dazu nicht gebe, und das sei bei der Regierung Bolsonaro nicht zu erkennen, "müssen wenigstens die Rechte der Armen und Ärmsten gestärkt werden".

Seit 1988 zeichnet der Verein Aachener Friedenspreis jedes Jahr Menschen und Gruppen aus, die sich für Frieden und Verständigung engagieren. Geehrt werden vor allem noch unbekannte Projekte oder Personen. Sie erhalten ein Preisgeld von 2.000 Euro und Unterstützung durch die öffentliche Aufmerksamkeit. Die Auszeichnung ist in der Regel zweigeteilt und geht an zwei verschiedene Initiativen oder Personen. Wegen der Corona-Pandemie fand die Preisverleihung in diesem Jahr nicht wie sonst am Antikriegstag, dem 1. September, sondern am 10. Dezember, dem internationalen Tag der Menschenrechte, statt.