Mali: Warum Europa verliert

Nairobi (epd). Die Übergangsregierung in Mali hat die für Februar angekündigten Wahlen verschoben und russische Soldaten ins Land geholt. In Deutschland wird die Beteiligung der Bundeswehr an einer UN- und einer EU-Mission zunehmend in Frage gestellt. Beide Mandate laufen im Mai aus. Fragen und Antworten zur aktuellen Lage in Mali:

Das malische Militär hat in den vergangenen zwei Jahren zwei Mal geputscht. Wie nimmt die Bevölkerung die Putsche und die amtierende Übergangsregierung wahr?

Der erste Putsch im August 2020 wurde von der Bevölkerung regelrecht bejubelt. Davor waren die Menschen monatelang auf die Straße gegangen, um den Rücktritt des damaligen Präsidenten Ibrahim Boubacar Keïta zu fordern. Er galt als hochgradig korrupt und unfähig oder unwillig, die Sicherheitskrise im Land wirklich anzugehen. Unter der vom Militär eingesetzten Übergangsregierung änderte sich die Lage allerdings auch nicht, die Bevölkerung war bald enttäuscht - und begrüßte auch den nächsten Putsch im Mai 2021, der die Macht des Militärs festigte.

Die Übergangsregierung hat die für Februar angekündigten Wahlen verschoben, sie sollen nun spätestens in fünf Jahren stattfinden. Wie wird das in der Bevölkerung aufgenommen?

Überwiegend positiv, wobei es eine erkennbare Spaltung gibt zwischen der „organisierten“ Bevölkerung, den etablierten politischen Parteien und ihnen nahestehenden zivilgesellschaftlichen sowie religiösen Organisationen, und der übrigen Bevölkerung, zumal der auf dem Land. Die Übergangsregierung erklärt die Verschiebung der Wahlen damit, dass es zunächst grundlegende institutionelle Veränderungen geben muss, um den Wahlvorgang demokratischer zu gestalten. Das entspricht der Wahrnehmung der Bevölkerungsmehrheit: Eine Rückkehr zu dem System, das weggeputscht wurde, möchte sie nicht. Die Entscheidung, die Wahlen zu verschieben, wurde nach politischen Beratungen betroffen, an der die Bevölkerung beteiligt war.

Westliche Staaten, auch Deutschland, fordern eine frühere Rückkehr zur Demokratie, der westafrikanische Staatenblock Ecowas hat Sanktionen verhängt. Unterstützt die Bevölkerung diesen harten Kurs?

Nein. Die Sanktionen treffen die ohnehin schon belastete Bevölkerung hart. Zudem fragen sich viele, warum sie zu einem System zurückkehren sollen, das die verhassten Auswüchse an Korruption und Vetternwirtschaft hervorgebracht hat.

Das US-Militär meldet, in Mali sei die russische Söldnertruppe Wagner im Auftrag der Übergangsregierung aktiv. Satellitenbilder und Flugdaten scheinen die Behauptung zu stützten. Wie steht man in Mali dazu?

Die Russen scheinen durchaus willkommen zu sein. Bei einer Demonstration gegen die ehemalige Kolonialmacht Frankreich wurden auch russische Fahnen geschwenkt. Die Zusammenarbeit Malis mit Moskau ist nicht neu, schon seit längerem sind russische Ausbilder für Hubschrauber-Piloten im Land. Gegenüber der privaten Söldnertruppe Wagner sind die Menschen allerdings eher skeptisch.

In Mali gibt es mehrere ausländische Militärmissionen, darunter die UN-Mission Minusma, die EU-Ausbildungsmission EUTM und die multinationale europäische Truppe Takuba zum Kampf gegen islamistische Terrorgruppen. Die Europäer überlegen nun abzuziehen, wegen der Militärputsche und der Präsenz der russischen Söldner. Wie wird das in Mali wahrgenommen?

Viele Menschen bejubeln den angekündigten Rückzug Frankreichs, bei Demonstrationen wurden mehrfach französische Flaggen verbrannt sowie Holzfiguren, die den französischen Präsidenten Emmanuel Macron darstellten. Die Europäer gelten als wenig effektiv. Die Sicherheitslage hat sich trotz Tausender ausländischer Soldaten seit 2014 nicht verbessert, sondern im Gegenteil massiv verschlechtert. Gewalt verbreiten Terrorgruppen und kriminelle Banden - wobei sich beides überlagert.

Werden den Russen, was die Sicherheit angeht, mehr Erfolge zugetraut als den Europäern?

Ja. Gerüchten zufolge kämpfen sie bereits an der Seite der malischen Soldaten gegen die Dschihadisten. Es heißt, die Sicherheitslage habe sich im letzten Monat stärker verbessert als in den vergangenen acht Jahren mit den französischen Truppen. Zu überprüfen ist das derzeit nicht.

Warum gelingt es den internationalen Truppen nicht, das Land zu stabilisieren?

Die UN-Mission, an der auch die Bundeswehr beteiligt ist, hat keinen Kampfauftrag und ein beschränktes Mandat. Das Zentrum des Landes, wo die meisten zivilen Opfer zu beklagen sind, gehört nicht dazu. Dagegen sollen Takuba und eine Truppe der Sahelstaaten namens G5 Sahel Joint Force gegen Terrorgruppen kämpfen. Ausländische Soldaten helfen aber nicht gegen strukturelle politische Probleme: allen voran das Staatsversagen, außerdem massiven Drogenschmuggel, durch den sich auch bewaffnete Gruppen finanzieren und von dem auch die militärische und politische Elite profitiert. Wichtig wären eine konsequente Strafverfolgung und der Einsatz der malischen Armee zum Schutz der Zivilisten. Stattdessen geht die Armee immer wieder gegen die Bevölkerung vor.