Mali: Ungewisse Zukunft für die Bundeswehr nach dem Abzug Frankreichs

Paris (epd). Das angekündigte Ende der französischen Militärmission in Mali wirft auch Fragen für die Zukunft des Bundeswehreinsatzes in dem westafrikanischen Land auf. Laut Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) ist die Präsenz der französischen Truppen für die Sicherheit der an der UN-Blauhelmmission Minusma beteiligten Bundeswehrsoldaten wichtig. Auch die EU kündigte eine Überprüfung ihrer Ausbildungsmission mit deutscher Beteiligung an. Wegen zunehmender Konflikte mit der Militärregierung hatten Frankreich und europäische Partnerländer am Donnerstagmorgen den Abzug ihrer Truppen aus dem westafrikanischen Land verkündet.

Das betrifft sowohl die bis zu 4.800 Soldaten (Stand: Dezember 2021) der französischen Anti-Terror-Mission Barkhane sowie die von europäischen Partnerstaaten mitgetragene Operation Takuba. Letztere wurde zwar von Deutschland unterstützt. Anders als aber beispielsweise Tschechien und Schweden stellt die Bundeswehr keine Truppen. Die Bedingungen für das militärische Engagement und den Kampf gegen den Terrorismus seien nicht länger gegeben, hieß es am Donnerstag. Der französische Präsident Emmanuel Macron betonte jedoch, dass sich Frankreich weiter im Kampf gegen den Terror im Sahel einsetzen werde. Bis Ende Juni sollen Pläne ausgearbeitet werden, wie man weiter in der Region präsent bleiben könne.

Obwohl die UN-Blauhelmmission Minusma und der EU-Ausbildungseinsatz EUTM, an denen die Bundeswehr beteiligt ist, nicht direkt von der Entscheidung betroffen sind, befeuert der Abzug Frankreichs auch die Debatte um die Zukunft der deutschen Soldaten in Mali. Das schon vor der Abzugsentscheidung umstrittene Einsatzmandat für die derzeit etwa 1.100 in Mali stationierten Soldaten läuft Ende Mai aus.

Nun sagte Verteidigungsministerin Lambrecht am Donnerstag, beim EU-Ausbildungseinsatz EUTM sei sie „sehr skeptisch“, ob es zu einer Verlängerung des deutschen Mandats komme. Weil der Demokratisierungsprozess nach hinten verschoben worden sei, stelle sich die Frage, wer da überhaupt ausgebildet werde. Die EU kündigte derweil an, ihre Einsätze in Mali zu überprüfen. Dazu soll eine Mission des Auswärtigen Dienstes nach Bamako reisen, wie eine Sprecherin sagte.

Auch die deutsche Beteiligung am UN-Blauhelmeinsatz Minusma muss nach dem Abzug Frankreichs offenbar neu bewertet werden. Eine Kompensation der französischen Fähigkeiten sei wichtig für die Entscheidung über die weitere Beteiligung, sagte Lambrecht. Gerade die französische Sicherung des Einsatzes aus der Luft mit Kampfhubschraubern sei wichtig für die deutschen Soldatinnen und Soldaten. Ein UN-Sprecher äußerte die Hoffnung, dass das internationale Engagement für Frieden in Mali durch den Truppenabzug nicht geschwächt werde.

Nach Einschätzung des Sahel-Experten Ulf Laessing verschlechtert sich die Sicherheitslage mit dem Abzug in ganz Mali und damit auch für die Bundeswehr. Der Abzug sei „nicht durchdacht“, sagte der Leiter des Regionalprogramms Sahel der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung dem Evangelischen Pressedienst (epd). Islamistische Gruppen würden dadurch wieder stärker werden. Auch der Spielraum russischer Söldner im Land könne sich dadurch vergrößern.

Der Abzug Frankreichs aus Mali hatte sich schon länger angedeutet. Die seit Jahren anhaltende politische Krise in dem westafrikanischen Land verschärft sich seit zwei aufeinanderfolgenden Putschen seit 2020. Zuletzt waren die Beziehungen zwischen der Übergangsregierung und der ehemaligen Kolonialmacht deutlich abgekühlt. Für Unmut sorgten unter anderem die Verschiebung der für Februar angekündigten Wahlen um bis zu fünf Jahre sowie Berichte über die Präsenz von Söldnern des Kreml-nahen Wagner-Konzerns. Auf Kritik aus Frankreich wiederum reagierte Mali mit der Ausweisung des französischen Botschafters.

Hintergrund:

Es ist ein Abzug, der sich zuletzt immer stärker angedeutet hatte: Wegen wachsender Spannungen mit der malischen Militärregierung verkündete Frankreich am Donnerstag gemeinsam mit europäischen Partnern der Abzug seiner Soldaten aus Mali. Betroffen sind davon die französische Operation Barkhane und die mit Partnerstaaten getragenen Mission Takuba. Der Abzug wirkt sich auch auf die zahlreichen anderen internationalen Militärinterventionen in dem westafrikanischen Land aus. Ein Überblick:

*BARKHANE: Die nun in Mali für beendete erklärten Mission Barkhane ist ein Anti-Terror-Einsatz Frankreichs. Die Mission mit bis zu 4.800 Soldaten (Stand: Dezember 2021) wurde 2014 ins Leben gerufen und folgte auf die Operation Serval. Bei der Mission gehen französische Soldatinnen und Soldaten gegen islamistische Gruppen in der Region vor. Außer Mali umfassen die Einsatzländer die ehemaligen französischen Kolonien Mauretanien, Niger, Tschad und Burkina Faso.

Wegen zunehmender Konflikte mit der malischen Übergangsregierung, die seit einem einem Militärputsch 2021 an der Macht ist, wurde in Frankreich schon länger über einen Abzug der Truppen aus Mali diskutiert. Der Leiter des Regionalprogramms Sahel der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), Ulf Laessing, kritisiert den Abzug als „wenig durchdacht“. Islamistische Gruppen könnten dadurch wieder stärker werden, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Die Sicherheitslage wird sich verschlechtern.“

*TAKUBA: Im März 2020 erklärte ein Bündnis europäischer Staaten die Gründung einer Eingreiftruppe von Spezialkräften, um die Operation Barkhane zu unterstützen. Daran beteiligt sind neben Frankreich unter anderen Estland und Tschechien. Auch die bis zu 800 Soldaten der Takuba-Mission sollen nun abziehen.

*MINUSMA: Um das Land zu stabilisieren, beschloss der UN-Sicherheitsrat 2013 die Entsendung von Blauhelmsoldaten nach Mali. Nach einem Militärputsch im Jahr 2012 hatten mehrere bewaffnete Gruppen, darunter Islamisten, Teile des Nordens übernommen. Zwar konnten sie zunächst vor allem mit Hilfe französischer Truppen zurückgedrängt werden, doch Gewalt, Instabilität und Terror halten an. Ziele der UN-Mission sind unter anderem der Schutz der Zivilbevölkerung und die Überwachung eines Friedensabkommens, das einige Rebellengruppen und die Regierung 2015 unterzeichnet hatten.

Insgesamt sind etwa 13.000 Blauhelmsoldaten in Mali stationiert. Mit 260 getöteten Soldaten ist Minusma der derzeit gefährlichste Friedenseinsatz der Vereinten Nationen. Durch den Abzug Frankreichs werde die Mission noch riskanter, warnte KAS-Experte Laessing.

*EUTM: Ebenfalls im Jahr 2013 beschloss die EU die Gründung einer Ausbildungsmission für die malischen Sicherheitskräfte. Vor allem dieser Einsatz gilt als ineffektiv, weil die malische Armee immer noch nicht für Sicherheit im Land sorgen kann. Nach der jüngsten Machtergreifung des Militärs vom Mai 2021 geriet der Einsatz international in die Kritik, weil unklar war, inwiefern die Putschisten von der Ausbildung profitiert hatten.

*BUNDESWEHR: Die Bundeswehr hat etwa 1.100 Soldaten im Rahmen von Minusma und EUTM in Mali stationiert. Nach dem Abzug aus Afghanistan gilt Mali als das gefährlichste Einsatzland deutscher Soldatinnen und Soldaten. Bei einem Attentat im Juni vergangenen Jahres wurden zwölf deutsche Blauhelme verletzt. Von einem möglichen Abzug der deutschen Soldatinnen und Soldaten wären auch 57 malische Ortskräfte (Stand: November 2021) betroffen.

Ob und wie die Bundeswehr nach einem Abzug der französischen Kampftruppen weiter in Mali operieren kann, ist unklar. Die geltenden Bundeswehrmandate für Mali laufen Ende Mai aus. Bereits vor dem Abzug Frankreichs wurden die Einsätze in Frage gestellt, unter anderem von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne).

*RUSSISCHE SÖLDNER: Auch Söldner des russischen Wagner-Konzerns sollen in Mali stationiert sein. Beobachter gehen von 300 bis 500 Kämpfern der Kreml-nahen Truppe aus. Die malische Regierung spricht von Ausbildern. Die Präsenz der Söldner, die unter anderem auch in der Zentralafrikanischen Republik zum Einsatz kommen, war einer der Hauptstreitpunkte zwischen Frankreich und Mali. Der Spielraum der Söldnertruppe könne sich nun vergrößern, sagte Laessing. Allerdings sei nicht klar, ob Russland sich dauerhaft in Mali engagieren wolle.