Letzte Bundeswehrsoldaten haben Afghanistan verlassen

Berlin, Wunstorf (epd). Nach 20 Jahren kommt der deutsche Afghanistan-Einsatz zum Abschluss. Der letzte Soldat hat nach Angaben der Bundeswehr am Dienstag das Land am Hindukusch verlassen. Am frühen Mittwochnachmittag landeten die Streitkräfte demnach am Luftwaffenstützpunkt Wunstorf in Niedersachsen. Viele afghanische Ortskräfte haben ebenfalls ein Visum beantragt, um nach Deutschland übersiedeln zu können.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) erklärte: „Ein historisches Kapitel geht zu Ende, ein intensiver Einsatz, der die Bundeswehr gefordert und geprägt hat, bei dem sich die Bundeswehr im Kampf bewährt hat.“ Es sei aber auch ein Einsatz gewesen, „bei dem Angehörige unserer Streitkräfte an Leib und Seele verletzt wurden, bei dem Menschen ihr Leben verloren haben, bei dem wir Gefallene zu beklagen hatten“. Zugleich kündigte sie an, offen darüber zu reden, „was gut war, was nicht gut war und was wir gelernt haben“.

Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, teilte mit: „Die Bundeswehr wurde vom Parlament in den Einsatz nach Afghanistan entsandt. Deshalb haben wir eine besondere Verantwortung, jetzt auch eine kritische und ehrliche Bilanz zu ziehen.“ Sie schlug vor, dafür eine Enquete-Kommission im Bundestag zu bilden.

Der evangelische Militärbischof Bernhard Felmberg sprach sich ebenfalls für eine Enquete-Kommission aus. Dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte er mit Blick auf die Lage in Afghanistan, Deutschland bleibe verantwortlich „für unseren politischen Beitrag zum Friedensprozess, für die Projekte der Entwicklungszusammenarbeit, die Austauschprogramme mit den Universitäten und die Stärkung der Demokratie“.

Felmberg begrüßte zugleich, dass die Bundesregierung die Regelung zur Aufnahme von afghanischen Ortskräften großzügiger gestaltet habe. Die große Koalition hatte sich kürzlich darauf verständigt, allen Ortskräften, die ab 2013 ein Visum für Deutschland anstrebten, dieses zu bewilligen. Bislang galt, dass ein Visum spätestens zwei Jahre nach der Tätigkeit für die Bundeswehr vor Ort gestellt werden musste.

Nach Angaben eines Bundeswehrsprechers haben seit dem 25. Mai mehr als 470 Afghanen, die für die deutschen Streitkräfte gearbeitet haben, Visumsanträge gestellt, weil sie wegen ihrer Tätigkeit gefährdet seien. Da auch deren Familienangehörige Visa bekommen können, handele es sich um insgesamt 2.380 Personen. 95 Prozent von ihnen hätten inzwischen die benötigten Dokumente bekommen. Es werde aber noch mit weiteren Anträgen gerechnet. Die Bundesregierung hat die Aufnahme afghanischer Ortskräfte beschlossen, um diese nach dem Abzug der internationalen Truppen vor Racheaktionen der Taliban zu schützen.

Allerdings werden Anträge laut einer Sprecherin des Auswärtigen Amtes an den Anlaufstellen nur noch bis Ende Juni angenommen - im Juli also nicht mehr. Als Ort, an dem ein solcher Antrag gestellt werden könne, nannte sie die deutsche Botschaft in Kabul.

Für alle Soldatinnen und Soldaten, die im Afghanistan-Einsatz dienten, soll es nach Angaben des Verteidigungsministeriums im Sommer einen Festakt geben. Insgesamt leisteten den Angaben zufolge rund 160.000 Soldatinnen und Soldaten Dienst in Afghanistan, 59 verloren im Zusammenhang mit dem Einsatz ihr Leben, 35 davon durch Fremdeinwirkung, also etwa bei Angriffen oder Anschlägen. Vor Beginn der Rückverlegung nach Deutschland im Mai betrug die Personalstärke in Afghanistan noch etwa 1.100.

Die internationale Militärmission am Hindukusch begann nach den Anschlägen in den USA vom 11. September 2001. Der UN-Sicherheitsrat machte damals den Weg für eine „Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan“ (Isaf) frei. Das Jahr 2014 markierte den Abschluss des Militäreinsatzes und den Beginn der Mission „Resolute Support“ zur Unterstützung und Beratung afghanischer Sicherheitskräfte. Nun wird auch dieser Einsatz beendet.