Kritik der Verteidigungsministerin löst Debatte aus

Köln/Düsseldorf (epd). Die Kritik von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) an Führung und Struktur der Bundeswehr hat eine Debatte ausgelöst. Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels (SPD), sieht zwar Reformbedarf bei der Bundeswehr. Zugleich warnte er vor pauschalen Vorwürfen. Der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, bezeichnete die Äußerungen der Ministerin als "sehr bedauerlich". Unterdessen sagte die Ministerin vor dem Hintergrund des jüngsten Bundeswehrskandals um den terrorverdächtigen Bundeswehroffizier Franco A. eine für Mittwoch geplante USA-Reise ab. 

Der Wehrbeauftragte Bartels (SPD) erklärte, die Bundeswehr habe eine Menge Probleme von Personalmangel bis zu Mangelwirtschaft beim Material. Auch im Gefüge der Armee müsse es Verbesserungen geben, etwa im Verhältnis von Männern und Frauen bis hin zu dieser "Gefahr, dass sich Rechtsextremisten besonders von der Truppe angezogen fühlen", sagte Bartels am Dienstag im Radiosender WDR 5. Er warne aber davor, Vorwürfe eines Haltungsproblems und der Führungsschwäche zu generalisieren. "Viele in der Bundeswehr machen einen Superdienst."

Um zu verhindern, dass Rechtsextreme in der Bundeswehr Dienst leisten, sprach sich Bartels für frühzeitigere Sicherheitsüberprüfungen aus. Für Rechtsextreme gebe es vermutlich eine gewisse Attraktivität, sich beim Militär zu melden. Wenn man wisse, dass man für diese Gruppe attraktiv sei, müsse man besonders vorsichtig sein. Zu der Kritik Von der Leyens an der Führung der Bundeswehr sagte Bartels: "Ganz oben in der Führung steht die Ministerin." Nachdem sie jetzt Probleme benannt habe, gehe er davon aus, dass sie auch Vorschläge für Maßnahmen mache.

Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, forderte eine Rückkehr zur Inneren Führung. "Alle Vorgesetzten müssen nun schnellstmöglich zu den Grundsätzen und der Werteordnung der Inneren Führung zurückkehren und diese täglich vorleben", sagte er der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Mittwoch). Kujat, der von 2000 bis 2002 Generalinspekteur war, erklärte, die Pauschalvorwürfe der Ministerin seien das "Gegenteil von Führungsverantwortung". Das hätten die Soldaten nicht verdient.

Der Kanzlerkandidat der SPD, Martin Schulz, kritisierte die Verteidigungsministerin in der Affäre um den rechtsextremen Oberleutnant Franco A. "Die Verteidigungsministerin müsste den aktuellen Skandal rückhaltlos aufklären und sich zugleich vor die Truppe stellen, die unter schwierigen Umständen einen harten Job macht", sagte Schulz den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Mittwoch). Stattdessen lasse die Ministerin die ihr anvertrauten Soldaten im Stich. "Dass das in der Bundeswehr zu Verbitterung führt, kann ich gut verstehen." 

Unverständnis an der Kritik Von der Leyens äußerte auch SPD-Generalsekretärin Katarina Barley. Seit elfeinhalb Jahren hätten Verteidigungsminister der Unionsparteien ihre "Reförmchen gemacht", sagte sie der in Düsseldorf erscheinenden "Westdeutschen Zeitung". Wenn die Ministerin jetzt einen großen Reformbedarf bei der Bundeswehr sehe, sei zu fragen, was die vier Verteidigungsminister aus der Union bisher eigentlich gemacht hätten. 

Von der Leyen hatte der Bundeswehr "ein Haltungsproblem" und "Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen" vorgeworfen. Hintergrund sind mehrere kürzlich bekanntgewordene Vorfälle über sexuelle Erniedrigung, zweifelhafte Ausbildungsmethoden sowie die Affäre um einen Rechtsextremisten bei der Bundeswehr, der mutmaßlich als Flüchtling getarnt Anschläge plante.