"Krieg ist einfacher zu verkaufen als Frieden"

Bogotá (epd). Noch nie war der Frieden in Kolumbien so nah. Nach mehr als 50 Jahren bewaffneter Auseinandersetzung steht ein Abkommen zwischen der Regierung und der größten Rebellengruppe, den Farc, kurz bevor. Doch die Aufgabe ist enorm. Denn neben der juristischen Aufarbeitung des Konflikts, der Entschädigung der Opfer und der Integration der Kämpfer in das zivile Leben hat sich die Regierung auch die Lösung zwei der tiefgreifendsten Probleme des Landes vorgenommen: den Zugang zu Land für Bauern und die Bekämpfung der Kokaproduktion.

"Eines der bestgehüteten Geheimnisse in Kolumbien ist, wem wie viel Land gehört", sagt Senator und Menschenrechtler Iván Cepeda. "Der Konflikt in Kolumbien ist ein Krieg gegen die Bauern." Von 1995 bis 2005 seien sechs Millionen Hektar Land geraubt worden, das ist annähernd die Fläche Bayerns. Die ungleiche Verteilung des Bodens war Auslöser für die Rebellion der Farc ("Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens") 1964.

Die bisherigen Vereinbarungen zwischen Regierung und Farc sehen einen Fonds mit ungenutztem Land vor, das den Bauern überschrieben werden soll, ebenso wie Zonen, die nur für Kleinbauern reserviert sind. Denn ein Großteil der sechs Millionen Vertriebenen sind Bauern. Das Regierungslager habe im Kongress aber ein Gesetz durchgesetzt, womit Unternehmen ihre durch Landraub angehäuften Ländereien legalisieren könnten, kritisiert Cepeda. Denn im Boden liegt das reiche Rohstoffvorkommen Kolumbiens - die Einnahmen aus dem Verkauf von Erdöl, Kohle, Gold, Nickel, Kupfer und Koltan machen einen wichtigen Anteil des Haushalts aus.

Ähnlich schwierig ist es beim Kokaanbau, durch den sich die Farc zu großen Teilen finanzieren und von dem Tausende Bauern leben. Zwar sehen die Pläne Hilfen vor, damit die Landwirte auf legale Produkte umschwenken. Doch der Staat ist in vielen dieser Gegenden völlig abwesend, es gibt kaum Straßen, geschweige denn Märkte. Die leichten und gewinnbringenderen Kokablätter können die Bauern allerdings auch nach einem Friedensschluss mit den Farc loswerden: Auch kriminelle Banden, paramilitärische Gruppen und die zweitgrößte Guerilla, ELN, finanzieren sich über den Drogenhandel. 2014 war Kolumbien der größte Kokaproduzent weltweit.

Bei dieser komplizierten Lage hoffen Regierung und Farc auf das Wohlwollen der Bevölkerung. "Doch die Menschen sind skeptisch, weil sich die Geschichte schon so oft wiederholt hat", sagt Cepeda. Das Land hat mehrere gescheiterte Friedensverhandlungen hinter sich und ab 2003 die Entwaffnung von mehr als 30.000 Paramilitärs, die sich teilweise neu formiert haben und die Bevölkerung terrorisieren. Insgesamt wurden in dem Konflikt zwischen Regierung, Guerillas und Paramilitärs nach neuen Zahlen des Nationalen Erinnerungszentrum 340.000 Menschen getötet, davon 80 Prozent Zivilisten, vor allem Bauern, Ureinwohner und Afrokolumbianer.

Das Misstrauen der Bevölkerung nutzen Ex-Präsident Álvaro Uribe und seine Anhänger für lautstarke Polemik gegen die Verhandlungen. In seiner Amtszeit (2002-2010) hat Uribe die Guerilla ohne Rücksicht auf Zivilisten verfolgt und propagiert eine Politik des "Weiter so". Die Grünen-Senatorin Ángela Robledo kommentiert das so: "Es ist einfacher den Krieg zu verkaufen in einem Land, das den Frieden nicht kennt." Um die Bevölkerung für den Friedensprozess zu gewinnen, müsse die Regierung viel besser über die Friedens-Verhandlungen in der kubanischen Hauptstadt informieren. "Die Kolumbianer wissen nicht, was seit mehr als drei Jahren in Havanna ausgehandelt wird."

Ein Beispiel dafür ist der geplante juristische Umgang mit den Rebellen. "Die Vereinbarungen garantieren den Guerilla-Mitgliedern Amnestie für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit", sagt etwa der Uribe-Vertraute und Senator Alfredo Rangel, obwohl in den Dokumenten ausdrücklich das Gegenteil steht. Bei schweren Taten können je nach Geständigkeit Strafen zwischen fünf Jahren Hausarrest und 20 Jahren Gefängnis verhängt werden.

Noch nicht entschieden sind der Fahrplan für die Waffenabgabe der geschätzt 9.000 Farc-Kämpfer und die Frage, wie die Bevölkerung an einer Entscheidung über die Verträge beteiligt wird. Aus Verhandlungskreisen heißt es, das Abkommen werde etwa im Juni unterschrieben. Am 23. März, dem ursprünglichen Termin für die Unterzeichnung, soll demnach der Waffenstillstand verkündet werden.

Doch auch dann herrscht noch kein Frieden in Kolumbien, denn die ELN ("Nationale Befreiungsarmee") mit bis zu 3.000 Kämpfern hat trotz monatelanger Vorgespräche noch nicht offiziellen Verhandlungen zugestimmt. Und auch die wiederbewaffneten Paramilitärs stellen ein großes Problem dar. Bereits jetzt versuchen beide Gruppen, sich in Farc-Gebieten in Stellung zu bringen. Dennoch sind die Auswirkungen der Friedensverhandlungen schon zu spüren. Laut UN war das Gewaltniveau nach 1964 nie so tief wie in den vergangenen Monaten.