Kompromisslos für den Frieden

Gardelegen (epd). Sie wandern für den Frieden, unermüdlich und unbeirrbar - jeden ersten Sonntag im Monat, seit nunmehr 25 Jahren. Für die Mitstreiter der Bürgerinitiative Offene Heide sind die Termine für die Friedenswege rund um die Colbitz-Letzlinger Heide in Sachsen-Anhalt fest im Kalender verankert. 

Waren es in den Anfangsjahren noch mehrere hundert Demonstranten, kommen nun meist bis zu 40 oder 50 Teilnehmer zusammen, mal mehr, mal weniger, die immer noch ein Ziel eint: eine ausschließlich zivile Nutzung der Heide. Doch dieses Ziel scheint mittlerweile fern: Denn dort befindet sich auf 23.000 Hektar einer der europaweit modernsten Truppenübungsplätze, das Gefechtsübungszentrum Heer der Bundeswehr. Auch an einer riesigen, künstlichen Stadt mit Namen Schnöggersburg wird noch gebaut - für militärische Übungszwecke. Tausende Soldaten werden dort jährlich ausgebildet, trainieren für Auslandseinsätze.

Für die Köpfe der Bürgerinitiative - den aus Haldensleben stammenden und mittlerweile in Berlin lebenden Helmut Adolf wie auch für Malte Fröhlich und Joachim Spaeth - war ihr langer Weg vor 25 Jahren nicht absehbar. Am 3. Juni steht nun der 300. Friedensweg an. Der Weg wird an diesem Tag an die Barriere Zienau zwischen Letzlingen und Gardelegen führen, jener Ort, an dem die Aktivisten, am 1. August 1993 zu ihrem ersten Friedensweg aufbrachen. 

Müde sind sie nicht - im Gegenteil, die aktuelle weltpolitische Lage verpflichtet sie geradezu weiterzumachen. Das Ziel ist noch nicht erreicht, so Fröhlich. Wie sehr ihn das Thema umtreibt, ist zu merken, wenn er von einer Sehnsucht nach Frieden spricht, dabei aber die militärischen Übungsszenarien auf dem heutigen Bundeswehrgelände mit Sorge und auch Wut betrachtet. 

Das Gelände in der Colbitz-Letzlinger Heide, einst ein kaiserliches Jagdgebiet, wird bereits seit den 1930er Jahren militärisch genutzt. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges übernahm die Rote Armee das Gebiet. Dann nach dem Ende der DDR sollte nach dem zwischen Bund und Land geschlossenen Heidekompromiss zumindest ein Teil der Heide zivil genutzt werden. Doch die politischen Verhältnisse in Sachsen-Anhalt änderten sich. Das Militärgelände blieb Militärgelände. Aber auch die Bürgerinitiative blieb und demonstrierte, immer wieder, hartnäckig.

Ihr Anliegen wird bei jedem ihrer Friedenswege deutlich. Auf Transparenten, Flyern und Kundgebungen stellen die Friedensaktivisten klar, dass sie sich "niemals an Kriege gewöhnen werden". Nicht immer führen die "Wanderwege" dabei nur über ziviles Gelände. Juristische Auseinandersetzungen scheuen die Demonstranten nicht, Formen des zivilen Ungehorsams gehören dazu. Weil sie beispielsweise auch die noch im Bau befindliche Übungsstadt Schnöggersburg betreten haben, mussten sich einige Mitglieder der Offenen Heide schon wegen Hausfriedensbruchs vor Gericht verantworten. 

"Den Rechtsbrüchen des Staates müssen Rechtsbrüche der Zivilgesellschaft entgegen gesetzt werden", ist Adolf überzeugt. Jede Form des friedlichen Widerstands sei wichtig. Daher werde die Bürgerinitiative auch künftig weiter Präsenz zeigen. Mit Blick auf den 300. Friedensweg sagt er, die Welt sei in den 300 Monaten nicht friedlicher geworden, ganz im Gegenteil. Die Bundeswehr treibe in der Colbitz-Letzlinger Heide immer noch ihr Unwesen. Dennoch ist er stolz darauf, dass die Bürgerinitiative 25 Jahre zusammengehalten hat. 

Für diese Beharrlichkeit und ihren Mut bekamen die Aktivisten vor zwei Jahren eine Anerkennung: Sie wurden mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet. Auch wenn es dieser Motivation sicher nicht bedurft hätte, so war es doch eine Bestätigung für ihren Einsatz. Rolf und Brigitte Sonnet stießen vor einigen Jahren dazu. Bei der Magdeburger "Meile der Demokratie" informierten sie sich bei einem Stand der Bürgerinitiative über deren Anliegen. "Ich stand eigentlich auf der anderen Seite", sagt Rolf Sonnet, der beruflich mit Munitionsbergung befasst war. Die Begegnungen mit den Aktivisten und eine Reise in das kriegsgeschädigte Kroatien hinterließen Spuren. Seitdem ist das Paar bei den Friedenswegen dabei, immer wieder.

Die Wege führen durch die Natur, über Feld- und Waldwege, dort, wo irgendwann die Schilder mit der Aufschrift "Militärischer Sicherheitsbereich" beginnen. Und mittendrin gibt es Kaffee und selbstgebackenen Kuchen, Picknickatmosphäre und Gespräche. Joachim Spaeth erzählt von einer Begegnung in den 1990er Jahren auf dem Gelände, als sie einen Bundeswehrfahrer verunsichert hätten, indem sie ihm ein Stück vom Kuchen angeboten hätten. Spaeth will den Sinn der Demonstrationen beschreiben und lacht: "Mit Kaffee und Kuchen kann man auch Panzer vertreiben."