Kolumbianer lehnen überraschend Friedensvertrag ab

Rio de Janeiro (epd). Überraschung in Kolumbien: Eine knappe Mehrheit der Bürger hat sich gegen den Friedensvertrag zwischen Regierung und Farc-Guerilla ausgesprochen. Bei einem Plebiszit stimmten am Sonntag (Ortszeit) 50,2 Prozent der Teilnehmer gegen das Abkommen. 49,8 Prozent votierten mit Ja. International wurde der Ausgang des Referendums bedauert: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sprach von einer "riesigen Enttäuschung".  

Das mühsam ausgehandelte Abkommen kann nun nicht in Kraft treten. Der jahrelange Friedensprozess, der bereits geltende Waffenstillstand und die Umwandlung der Guerilla in eine politische Partei sind infrage gestellt. Die Gegner des Vertrages lehnen vor allem die geplante Sondergerichtsbarkeit für die Rebellen ab. Vorgesehen war, dass geständige Farc-Kämpfer nur milde Strafen erhalten.

Die Wahlbeteiligung war mit rund 37 Prozent niedrig. Präsident Juan Manuel Santos erklärte, er werde dennoch das Ergebnis anerkennen. Zugleich betonte er: "Ich werde nicht aufgeben. Bis zur letzten Minute meines Mandats werde ich mich für den Frieden einsetzen." Für den 65-Jährigen bedeutet das Ergebnis einen herben Rückschlag, da er einen Friedensschluss zum zentralen Projekt seines Regierungsmandats gemacht hat.

Santos unterstrich, dass der beiderseitige Waffenstillstand weiterhin gelte und dass die Verhandlungsdelegation der Regierung mit der Farc in Kontakt stehe. Zudem lud er alle politischen Kräfte des Landes für Montag zu einem Dialog über das weitere Vorgehen ein.

Farc-Chef Rodrigo Londoño Echeverri alias "Timochenko" sicherte seinerseits eine weitere Einhaltung des Waffenstillstandes zu. "Wir werden ausschließlich das Wort beim Aufbau der Zukunft benutzen", erklärte der Guerillero. "Timochenko" bedauerte, dass "diejenigen, die Hass und Konfrontation säen, von der Bevölkerung gehört wurden". Ursprünglich wollte sich die älteste Guerillagruppe Lateinamerikas innerhalb weniger Monate in eine politische Partei verwandeln.

Der deutsche Außenminister Steinmeier bezeichnete den Ausgang des Referendums als "böse Überraschung". "Die Gewalt, das Morden und Töten dürfen auf keinen Fall von vorne beginnen", sagte er in Berlin. "Das Referendum ist verloren - ich hoffe dennoch, dass es gelingt, den Frieden zu gewinnen."

Auch Norwegens Regierung, die in dem Friedensprozess vermittelt hatte, bedauerte das Ergebnis, plädierte aber für weitere Verhandlungen. "Zweifellos sind wir sehr enttäuscht", erklärte Norwegens Außenminister Børge Brende. Er sagte auf Bitten der kolumbianischen Seite zu, wieder eine Verhandlungsdelegation in die kubanische Hauptstadt Havanna zu entsenden, wo die Friedensgespräche stattgefunden hatten.

Als eigentlicher Sieger des Plebiszits gilt der Ex-Präsident und heutige Senator Álvaro Uribe, der die Kampagne für das Nein anführte. Das Abstimmungsergebnis bezeichnete er als "Sieg der Demokratie".

"Wir bestehen auf Korrekturen des Vertragstextes, damit er den Vorgaben der Verfassung entspricht", sagte der konservative Politiker, der im Verdacht steht, vor seiner Präsidentschaft enge Verbindungen zu den rechten Paramilitärs gehabt zu haben. Als ersten Schritt zu Neuverhandlungen schlug Uribe einen "großen nationalen Pakt" vor.

Die Zukunft des in mehr als dreieinhalb Jahren ausgehandelte Friedensvertrags ist nun vollkommen ungewiss. Ende September hatten die beiden Kriegsparteien das in der kubanischen Hauptstadt Havanna erarbeitete Abkommen in einer feierlichen Zeremonie unterzeichnet. Zuvor hatten die Farc-Mitglieder für die Annahme des Vertrags gestimmt.

Der Krieg zwischen Guerillagruppen, Armee und rechtsextremen Paramilitärs hatte sich in den 60er Jahren an Landkonflikten und sozialer Ungerechtigkeit entzündet. Mehr als 340.000 Menschen wurden getötet, davon 80 Prozent Zivilisten. Mindestens sieben Millionen Kolumbianer wurden zu Flüchtlingen. Mit der zweitgrößten Guerilla, der ELN, laufen Sondierungsgespräche.