Kirchenhistoriker: Stimme der Kirchen für Frieden ist verstummt
Landau (epd). Der Kirchenhistoriker Martin Rothkegel hat einen schwindenden Einsatz der christlichen Kirchen für Frieden und Versöhnung beklagt. Deren Stimme sei „verstummt seit einiger Zeit“, sagte er am Samstag bei einer Diskussionsrunde zum zivilgesellschaftlichen und kirchlichen Friedensengagement in Zeiten globaler Krisen im Landauer protestantischen Bildungszentrum Butenschoen-Haus. So hätten sich die Kirchen etwa aus Rücksichtnahme auf die israelische Regierung mit Kritik im aktuellen Gaza-Krieg zurückgenommen, sagte Rothkegel, der an der Theologischen Hochschule im brandenburgischen Elstal lehrt. Auch hätten sie keine ausreichende humanitäre Hilfe für das Kriegsgebiet geleistet.
Rothkegel warnte bei der zweitägigen internationalen Tagung zum Beitrag kirchlicher und zivilgesellschaftlicher Netzwerke zu Frieden und Verständigung auch vor einer „destruktiven Rolle“ der Religionen in vielen Bereichen. Oftmals heizten diese Gewalt und Unversöhnlichkeit an und trügen nicht zum Frieden bei. Konfessionelle Weltbünde spalteten sich etwa über die Frage des Umgangs mit einer homosexuellen Lebensweise, führte der Kirchenhistoriker an, der sich mit der Tradition der Gewaltlosigkeit der vor 500 Jahren gegründeten Täuferbewegung beschäftigt.
Die entwicklungspolitische Arbeit und das Engagement für weltweite Solidarität und Gerechtigkeit ist in der evangelischen Kirche nach Einschätzung von Christoph Krauth, Pfarrer für Weltmission und Ökumene der pfälzischen Landeskirche, tendenziell rückläufig. Dies zeige sich etwa am Rückgang der Kollekten in den Kirchengemeinden für die Hilfsaktion „Brot für die Welt“ im vergangenen Jahr um 40.000 Euro von einer Million (2023) auf 860.000 Euro.
In den Kirchengemeinden werde immer lauter gefragt, was kirchliche Partnerschaften etwa mit Papua, Ghana oder Südkorea brächten, berichtete Krauth. Entwicklungspolitische Arbeit sei „nicht mehr selbstverständlich und wird massiv infrage gestellt“. Krauth appellierte, die Kirche müsse internationale Kontakte und Partnerschaften erhalten und sich für friedenspolitische Aktionen und Organisationen einsetzen.
Lucia Fuchs vom Entwicklungspolitischen Landesnetzwerk Rheinland-Pfalz (ELAN) in Mainz würdigte den Einsatz der Kirchen für eine gerechte Entwicklungspolitik. Diese dürfe nicht vor allem die Interessen europäischer Staaten, sondern aller Menschen im Blick haben. Die Kirchen hätten wesentlich dazu beigetragen, die Idee der globalen Solidarität mit ärmeren Ländern in die Gesellschaft zu tragen, sagte Fuchs. Der Direktor der Evangelischen Akademie der Pfalz, Christoph Picker, ergänzte, die Kirche müsse sich stärker öffentlich für Frieden einsetzen. Ihr Potenzial dafür sei „ein enormer Schatz“.
Die Tagung wurde veranstaltet von der Evangelischen Akademie der Pfalz in Kooperation mit dem Verein für Pfälzische Kirchengeschichte, dem Institut für Evangelische Theologie der RPTU in Landau und der Friedensakademie Rheinland-Pfalz. Sie war Teil des Programms zum 100. Jubiläum des pfälzischen Kirchengeschichtsvereins.