"Keiner will ein zweites Jemen"

Seit Mitte April bekämpfen sich im Sudan die Armee und die paramilitärischen "Rapid Support Forces". Noch ist daraus kein Stellvertreterkrieg wie etwa im Jemen geworden. Doch beide Konfliktparteien unterhalten Beziehungen zu Regionalmächten.

Nairobi/Khartum (epd). Die Sorgen vor einer weiteren Ausweitung der Kämpfe im Sudan sind groß. Sollte aus dem Konflikt ein umfassender Bürgerkrieg werden, wäre das ein Albtraum für die Welt, sagte der ehemalige sudanesische Premierminister Abdalla Hamdok kürzlich auf einer Konferenz in Nairobi.

Derweil spüren angrenzende Länder wie Äthiopien, der Tschad und Südsudan die Folgen der seit drei Wochen andauernden Kämpfe zwischen der Armee und den paramilitärischen „Rapid Support Forces“ bereits heute. Zehntausende Sudanesinnen und Sudanesen haben in den Nachbarstaaten Zuflucht gesucht. Auf bis zu 800.000 könnte die Zahl der Flüchtlinge nach Schätzungen der Vereinten Nationen steigen.

Laut der Denkfabrik „Crisis Group“ liegt der Sudan in einer geopolitisch bedeutsamen Lage. Historisch sei das Land mit seinen knapp 44 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner eine Brücke zwischen dem nördlichen und südlichen Afrika. Hinzu kommt: Beide Konfliktparteien unterhalten Beziehungen zu Regionalmächten wie den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien.

Bisher versuchten die Länder in der Region vor allem, neutral zu bleiben, erklärt die Politikwissenschaftlerin Hager Ali. „Keiner will ein zweites Jemen.“ Noch sei der Konflikt ein rein innenpolitischer. Mit Blick auf die wirtschaftlichen Interessen wollten viele Länder erst einmal abwarten, wer gewinnt, sagt Ali, die am Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien in Hamburg zum Sudan forscht.

Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten sind wichtige Handelspartner für den Sudan. Das wichtigste Exportgut des nordostafrikanischen Landes ist Gold, von dem der mit Abstand größte Anteil in die Vereinigten Arabischen Emirate geht. Im Sudan selbst nutze das den „Rapid Support Forces“ (RSF), sagt Ali. Sie verkauften Gold aus den von ihnen kontrollierten Minen. Finanzieren müssten sich außerhalb des Militärbudgets.

Doch auch mit der Entsendung von Kämpfern ins Ausland haben die Paramilitärs unter ihrem Befehlshaber Mohamed Hamdan Dagalo, genannt „Hemeti“, Geld verdient. Gegen Bezahlung aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten haben Söldner der RSF etwa in den Kriegen im Jemen und in Libyen gekämpft. Im Jahr 2020 berichtete die Zeitung „Libyan Observer“, dass „Hemeti“ 1.200 Kämpfer zur Unterstützung der Milizen von General Chalifa Haftar nach Libyen geschickt habe.

Einem Bericht des „Wall Street Journals“ zufolge soll Haftar nun die RSF mit Munition versorgen. Der Teil der libyschen Armee, der Haftar untersteht, erklärte jedoch laut dem britischen Sender BBC, dass sie keiner Seite Unterstützung habe zukommen lassen.

Ägypten unterhält derweil enge Kontakte zur Armee unter General Abdul Fattah Al-Burhan. Eine besondere Rolle spielt dabei laut Ali, dass der Nil auch durch den Sudan fließt. Durch ein Staudammprojekt in Äthiopien sei diese Lebensader Ägyptens bereits jetzt gefährdet. Wie andere Staaten in der Region hat das nordafrikanische Land vor allem Interesse an Stabilität - und weniger an einer Demokratisierung des Sudans.

Neben den Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union versuchen auch die Liga der Arabischen Staaten und der ostafrikanische Staatenbund Igad im Sudan zu vermitteln. Doch alle bisherigen Waffenruhen - egal ob von den USA, Saudi-Arabien oder zuletzt dem Südsudan ausgehandelt - wurden direkt nach Inkrafttreten gebrochen. Viele Nachbarländer wie der Tschad und Äthiopien seien durch Konflikte im eigenen Land geschwächt und damit in keiner guten Position, um zu vermitteln, sagt die Politikwissenschaftlerin Ali.

Der frühere Premierminister Hamdok, der 2021 vom Militär abgesetzt wurde, hat die internationale Gemeinschaft dennoch dazu aufgerufen, weiter Druck auf die beiden Generäle aufzubauen. Kriege in anderen Teilen der Welt zeigten: Wenn Konflikte nicht in den ersten Tagen gelöst werden, halten sie lange an, sagte er in Nairobi.