Keine Waffen in der Kirche

Denver/Topeka (epd). Überwachungskameras, kugelsichere Türen und Fenster sowie Waffenverbotsschilder am Eingang sind nicht nur in Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen zu finden, sondern auch immer öfter in Kirchen in den USA. Damit wollen sie sich gegen die laxen Gesetze in vielen US-Bundesstaaten wehren, die das Tragen von Waffen in der Öffentlichkeit auch ohne Waffenschein erlauben.

Obwohl im vergangenen Sommer bei einem Amoklauf in einer Kirche in Charleston (South Carolina) neun Menschen erschossen wurden, befürchtet Tobias Schlingensiepen keine Schießerei in seinem Gotteshaus. Trotzdem will der evangelische Pfarrer in der Kleinstadt Topeka im Mittleren Westen die Fenster in den Eingangsbereichen mit einer in Israel hergestellten Kunststoffbeschichtung behandeln lassen. Damit soll es Eindringlingen erschwert werden, mit einer Schusswaffe in das Gebäude zu gelangen. 

"Da unser Kirchengebäude einen Kindergarten beherbergt, wollen wir alles zu tun, um eventuellen Anschlägen vorzubeugen", erläutert der Pfarrer der Vereinigten Kirche Christi (UCC), einer Partnerkirche der badischen evangelischen Landeskirche. Die United Church of Christ bildet eine Kirchengemeinschaft mit der Union Evangelischer Kirchen in Deutschland. Die Kameras an den Außenwänden seien außerdem angebracht worden, um Diebstähle zu verhindern. Auf diese Weise ließen sich auch Versicherungsprämien niedrig halten, erläutert Schlingensiepen. 

Darüberhinaus engagiert sich die Kirchengemeinde für sinnvolle Waffenbesitzbeschränkungen, was der Pfarrer allerdings als "politisch aussichtslosen Kampf" bewertet. "Wir hoffen, dass wir irgendwann größeren Einfluss auf die öffentliche Debatte nehmen können", hofft Schlingensiepen. Im Moment seien die Bemühungen jedoch weitgehend symbolisch. Daran habe auch die Initiative von Präsident Barack Obama nichts geändert. Dieser hatte zuletzt versichert, dass er das Waffenrecht notfalls auch gegen den Willen des Parlaments verschärfen will. 

"Solange es konservative Mehrheiten im US-Kongress gibt, wird sich nichts ändern", ist sich Schlingensiepen sicher. Dazu sei die Waffenlobby, die "National Rifle Association", viel zu mächtig. Trotzdem wende sich die Kirchengemeinde mit anderen Kirchen regelmäßig an die Öffentlichkeit. Unermüdlich forderten sie strengere Gesetze. "Wenn ein Mensch in unserer Stadt ermordet wird, halten wir öffentliche Andachten", sagt Schlingensiepen. Dabei werde nicht nur des Verstorbenen gedacht, sondern auch die Verantwortung der Gesellschaft thematisiert.  

Doch jedes neue Attentat scheine vor allem die Kräfte zu stärken, die das Recht zur Selbstverteidigung durch den Besitz und das Tragen von Schusswaffen lauthals einforderten, kritisiert er. "Wir als Gemeinde verbieten ausdrücklich das Tragen von Waffen auf unserem Grundstück, Polizisten natürlich ausgenommen", sagt Schlingensiepen.

Auch die evangelisch-lutherische Pastorin Stephanie Kopsch von der "Lord of the Mountain Church" im Rocky-Mountain-Städtchen Dillon (Colorado) hält ein größeres kirchliches Engagement in dieser Frage für unabdingbar. Die Waffen-Debatte sei "ein ganz heißes Thema" in Gesellschaft und Kirchen der USA, weil Waffenbesitz von vielen als ein Grundrecht verstanden werde, sagt die deutsche Theologin.

Seit Monaten wirbt eine Gruppe ihrer Gemeinde für einen Beitritt zur Organisation "Colorado Faith Communities United to Prevent Gun Violence", einem Aktionsbündnis von Glaubensgemeinschaften, die der Waffengewalt vorbeugen wollen. Ob sich die Gemeindemitglieder bei einer Versammlung für einen Beitritt aussprechen, ist allerdings offen. Stimmen alle für den Beitritt, wäre dies ein historischer Schritt in der evangelisch-lutherischen Landeskirche "Rocky Mountain Synod", die fünf Bundesstaaten umfasst: Die Kirchengemeinde Dillon wäre die erste, die sich öffentlich für strengere Waffengesetze starkmacht.